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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814.

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Organismus setzt eine Bewegung des Nahrungs-
safts von den einsaugenden Organen zu den übri-
gen Theilen voraus. In welchen Gefässen und
nach welchen Gesetzen geschieht nun diese Be-
wegung?

Eine ziemlich allgemein angenommene Mei-
nung ist, dass die Rinde das Hauptorgan ist,
worin sich der Saft der Gewächse bewegt. Al-
lein diese Hypothese ist, so allgemein ausge-
drückt, keinesweges richtig. Versteht man unter
Rinde die unter der Oberhaut liegenden Schich-
ten von Zellgewebe, so ist jener Satz ganz un-
gegründet. Die Zellen sind allenthalben
mehr Behälter der Säfte, als zuführen-
de Organe
. Es findet zwar ein Uebergang der
Flüssigkeiten aus einer zur andern statt. Aber
dieser geschieht zu langsam, als dass jene Schläu-
che zur Fortleitung der Säfte von der Wurzel zu
den Blättern, und umgekehrt tauglich seyn könn-
ten. An der Rinde deutet alles darauf hin, dass
in ihr eine langsame Einsaugung und Ausleerung,
nicht aber eine schnelle Fortbewegung der Säfte
statt findet. In der Mitte ihrer Zellen liegen
körnige Niederschläge, die nicht ihre Stelle ver-
ändern, so lange nicht der Bau dieser Theile
durch Maceration, oder durch mechanische Ge-
walt zerstört wird, und die Zellen sind alle durch
Scheidewände von einander abgesondert, durch

welche

Organismus setzt eine Bewegung des Nahrungs-
safts von den einsaugenden Organen zu den übri-
gen Theilen voraus. In welchen Gefäſsen und
nach welchen Gesetzen geschieht nun diese Be-
wegung?

Eine ziemlich allgemein angenommene Mei-
nung ist, daſs die Rinde das Hauptorgan ist,
worin sich der Saft der Gewächse bewegt. Al-
lein diese Hypothese ist, so allgemein ausge-
drückt, keinesweges richtig. Versteht man unter
Rinde die unter der Oberhaut liegenden Schich-
ten von Zellgewebe, so ist jener Satz ganz un-
gegründet. Die Zellen sind allenthalben
mehr Behälter der Säfte, als zuführen-
de Organe
. Es findet zwar ein Uebergang der
Flüssigkeiten aus einer zur andern statt. Aber
dieser geschieht zu langsam, als daſs jene Schläu-
che zur Fortleitung der Säfte von der Wurzel zu
den Blättern, und umgekehrt tauglich seyn könn-
ten. An der Rinde deutet alles darauf hin, daſs
in ihr eine langsame Einsaugung und Ausleerung,
nicht aber eine schnelle Fortbewegung der Säfte
statt findet. In der Mitte ihrer Zellen liegen
körnige Niederschläge, die nicht ihre Stelle ver-
ändern, so lange nicht der Bau dieser Theile
durch Maceration, oder durch mechanische Ge-
walt zerstört wird, und die Zellen sind alle durch
Scheidewände von einander abgesondert, durch

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[48/0064] Organismus setzt eine Bewegung des Nahrungs- safts von den einsaugenden Organen zu den übri- gen Theilen voraus. In welchen Gefäſsen und nach welchen Gesetzen geschieht nun diese Be- wegung? Eine ziemlich allgemein angenommene Mei- nung ist, daſs die Rinde das Hauptorgan ist, worin sich der Saft der Gewächse bewegt. Al- lein diese Hypothese ist, so allgemein ausge- drückt, keinesweges richtig. Versteht man unter Rinde die unter der Oberhaut liegenden Schich- ten von Zellgewebe, so ist jener Satz ganz un- gegründet. Die Zellen sind allenthalben mehr Behälter der Säfte, als zuführen- de Organe. Es findet zwar ein Uebergang der Flüssigkeiten aus einer zur andern statt. Aber dieser geschieht zu langsam, als daſs jene Schläu- che zur Fortleitung der Säfte von der Wurzel zu den Blättern, und umgekehrt tauglich seyn könn- ten. An der Rinde deutet alles darauf hin, daſs in ihr eine langsame Einsaugung und Ausleerung, nicht aber eine schnelle Fortbewegung der Säfte statt findet. In der Mitte ihrer Zellen liegen körnige Niederschläge, die nicht ihre Stelle ver- ändern, so lange nicht der Bau dieser Theile durch Maceration, oder durch mechanische Ge- walt zerstört wird, und die Zellen sind alle durch Scheidewände von einander abgesondert, durch welche

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/64>, abgerufen am 02.05.2024.