auch beweisen, dass diese Meinung überhaupt ganz unhaltbar ist. Ihr zufolge nimmt die Pflanze beym Sonnenlicht kohlensaures Gas auf, eignet sich den Kohlenstoff desselben an, und haucht den darin enthaltenen Sauerstoff wieder aus; zur Nachtzeit hingegen athmet sie Sauer- stoffgas ein, verbindet den Sauerstoff dieser Luft mit dem Kohlenstoff, den sie am Tage sich an- geeignet hat, und leert diese Verbindung als kohlensaures Gas aus. Wie ist nun hierbey ein Fortschreiten der Vegetation, wie eine Anhäufung des Kohlenstoffs in der Pflanze möglich? Nach dem langsamen Verkohlen eines Gewächses bleibt ein Gerippe desselben zurück, welches grösstentheils aus Kohlenstoff zu bestehen scheint. Woher bey jener Hypothese die grosse Menge dieses Stoffs? Antwortet man, dass vielleicht in der Periode des steigenden Lebens die Aufnahme des Koh- stoffs grösser ist, als die Entbindung desselben, so widerspricht dieser Voraussetzung die be- trächtliche und anhaltende Ausleerung von koh- lensaurem Gas durch das keimende Saamenkorn.
Aber es giebt auch Erfahrungen, die gerade- zu beweisen, dass der Kohlenstoff ein Produkt der Vegetation ist. Schon Chaptal, Hassen- fratz und Sennebier fanden einen grossen Un- terschied in der Menge des Kohlenstoffs zwi- schen Pflanzen, die im Dunkeln aufgewachsen
waren,
auch beweisen, daſs diese Meinung überhaupt ganz unhaltbar ist. Ihr zufolge nimmt die Pflanze beym Sonnenlicht kohlensaures Gas auf, eignet sich den Kohlenstoff desselben an, und haucht den darin enthaltenen Sauerstoff wieder aus; zur Nachtzeit hingegen athmet sie Sauer- stoffgas ein, verbindet den Sauerstoff dieser Luft mit dem Kohlenstoff, den sie am Tage sich an- geeignet hat, und leert diese Verbindung als kohlensaures Gas aus. Wie ist nun hierbey ein Fortschreiten der Vegetation, wie eine Anhäufung des Kohlenstoffs in der Pflanze möglich? Nach dem langsamen Verkohlen eines Gewächses bleibt ein Gerippe desselben zurück, welches gröſstentheils aus Kohlenstoff zu bestehen scheint. Woher bey jener Hypothese die groſse Menge dieses Stoffs? Antwortet man, daſs vielleicht in der Periode des steigenden Lebens die Aufnahme des Koh- stoffs gröſser ist, als die Entbindung desselben, so widerspricht dieser Voraussetzung die be- trächtliche und anhaltende Ausleerung von koh- lensaurem Gas durch das keimende Saamenkorn.
Aber es giebt auch Erfahrungen, die gerade- zu beweisen, daſs der Kohlenstoff ein Produkt der Vegetation ist. Schon Chaptal, Hassen- fratz und Sennebier fanden einen groſsen Un- terschied in der Menge des Kohlenstoffs zwi- schen Pflanzen, die im Dunkeln aufgewachsen
waren,
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auch beweisen, daſs diese Meinung überhaupt
ganz unhaltbar ist. Ihr zufolge nimmt die
Pflanze beym Sonnenlicht kohlensaures Gas auf,
eignet sich den Kohlenstoff desselben an, und
haucht den darin enthaltenen Sauerstoff wieder
aus; zur Nachtzeit hingegen athmet sie Sauer-
stoffgas ein, verbindet den Sauerstoff dieser Luft
mit dem Kohlenstoff, den sie am Tage sich an-
geeignet hat, und leert diese Verbindung als
kohlensaures Gas aus. Wie ist nun hierbey ein
Fortschreiten der Vegetation, wie eine Anhäufung
des Kohlenstoffs in der Pflanze möglich? Nach dem
langsamen Verkohlen eines Gewächses bleibt ein
Gerippe desselben zurück, welches gröſstentheils
aus Kohlenstoff zu bestehen scheint. Woher bey
jener Hypothese die groſse Menge dieses Stoffs?
Antwortet man, daſs vielleicht in der Periode
des steigenden Lebens die Aufnahme des Koh-
stoffs gröſser ist, als die Entbindung desselben,
so widerspricht dieser Voraussetzung die be-
trächtliche und anhaltende Ausleerung von koh-
lensaurem Gas durch das keimende Saamenkorn.
Aber es giebt auch Erfahrungen, die gerade-
zu beweisen, daſs der Kohlenstoff ein Produkt
der Vegetation ist. Schon Chaptal, Hassen-
fratz und Sennebier fanden einen groſsen Un-
terschied in der Menge des Kohlenstoffs zwi-
schen Pflanzen, die im Dunkeln aufgewachsen
waren,
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 4. Göttingen, 1814, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie04_1814/107>, abgerufen am 23.11.2024.
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