gungsorgane, sondern von ihrem zu üppigen Wachsthume herrührte?
Es lässt sich' aber auch zeigen, dass die Kör- per, die Hedwig für die männlichen Geschlechts- theile der Moose hielt, dieses nicht seyn kön- nen, sondern wahrscheinlich eine gewisse Art von Knospen sind. Nehmlich
1) im Pflanzenreiche sind nur bey einer, ver- hältnissmässig sehr kleinen Anzahl von Arten die männlichen und weiblichen Geschlechts- theile in verschiedenen Blumen, und bey ei- ner noch kleinern in verschiedenen Gewäch- sen vertheilt. Und doch hat hier schon die Natur bewunderungswürdige Einrichtungen getroffen, um die Befruchtung möglich zu machen, indem sie in solchen Zwitterblumen, wo beyderley Geschlechtstheile sich zu glei- cher Zeit entwickeln, diesen Organen das Vermögen ertheilte, sich zur Zeit der Reife einander zu nähern und zu berühren, und den übrigen Blumen eigene Insekten zu Be- wohnern gab, welche den männlichen Blü- thenstaub zur weiblichen Narbe zu überbrin- gen bestimmt sind, wie im folgenden Kapi- tel umständlicher gezeigt werden wird! Bey den Moosen hingegen müsste der Hermaphro- ditismus zu den seltenen Erscheinungen ge- hören, wenn die von Hedwig entdeckten
Kör-
X 4
gungsorgane, sondern von ihrem zu üppigen Wachsthume herrührte?
Es läſst sich’ aber auch zeigen, daſs die Kör- per, die Hedwig für die männlichen Geschlechts- theile der Moose hielt, dieses nicht seyn kön- nen, sondern wahrscheinlich eine gewisse Art von Knospen sind. Nehmlich
1) im Pflanzenreiche sind nur bey einer, ver- hältniſsmäſsig sehr kleinen Anzahl von Arten die männlichen und weiblichen Geschlechts- theile in verschiedenen Blumen, und bey ei- ner noch kleinern in verschiedenen Gewäch- sen vertheilt. Und doch hat hier schon die Natur bewunderungswürdige Einrichtungen getroffen, um die Befruchtung möglich zu machen, indem sie in solchen Zwitterblumen, wo beyderley Geschlechtstheile sich zu glei- cher Zeit entwickeln, diesen Organen das Vermögen ertheilte, sich zur Zeit der Reife einander zu nähern und zu berühren, und den übrigen Blumen eigene Insekten zu Be- wohnern gab, welche den männlichen Blü- thenstaub zur weiblichen Narbe zu überbrin- gen bestimmt sind, wie im folgenden Kapi- tel umständlicher gezeigt werden wird! Bey den Moosen hingegen müſste der Hermaphro- ditismus zu den seltenen Erscheinungen ge- hören, wenn die von Hedwig entdeckten
Kör-
X 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0337"n="327"/>
gungsorgane, sondern von ihrem zu üppigen<lb/>
Wachsthume herrührte?</p><lb/><p>Es läſst sich’ aber auch zeigen, daſs die Kör-<lb/>
per, die <hirendition="#k">Hedwig</hi> für die männlichen Geschlechts-<lb/>
theile der Moose hielt, dieses nicht seyn kön-<lb/>
nen, sondern wahrscheinlich eine gewisse Art<lb/>
von Knospen sind. Nehmlich</p><lb/><list><item>1) im Pflanzenreiche sind nur bey einer, ver-<lb/>
hältniſsmäſsig sehr kleinen Anzahl von Arten<lb/>
die männlichen und weiblichen Geschlechts-<lb/>
theile in verschiedenen Blumen, und bey ei-<lb/>
ner noch kleinern in verschiedenen Gewäch-<lb/>
sen vertheilt. Und doch hat hier schon die<lb/>
Natur bewunderungswürdige Einrichtungen<lb/>
getroffen, um die Befruchtung möglich zu<lb/>
machen, indem sie in solchen Zwitterblumen,<lb/>
wo beyderley Geschlechtstheile sich zu glei-<lb/>
cher Zeit entwickeln, diesen Organen das<lb/>
Vermögen ertheilte, sich zur Zeit der Reife<lb/>
einander zu nähern und zu berühren, und<lb/>
den übrigen Blumen eigene Insekten zu Be-<lb/>
wohnern gab, welche den männlichen Blü-<lb/>
thenstaub zur weiblichen Narbe zu überbrin-<lb/>
gen bestimmt sind, wie im folgenden Kapi-<lb/>
tel umständlicher gezeigt werden wird! Bey<lb/>
den Moosen hingegen müſste der Hermaphro-<lb/>
ditismus zu den seltenen Erscheinungen ge-<lb/>
hören, wenn die von <hirendition="#k">Hedwig</hi> entdeckten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">X 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Kör-</fw><lb/></item></list></div></div></div></div></body></text></TEI>
[327/0337]
gungsorgane, sondern von ihrem zu üppigen
Wachsthume herrührte?
Es läſst sich’ aber auch zeigen, daſs die Kör-
per, die Hedwig für die männlichen Geschlechts-
theile der Moose hielt, dieses nicht seyn kön-
nen, sondern wahrscheinlich eine gewisse Art
von Knospen sind. Nehmlich
1) im Pflanzenreiche sind nur bey einer, ver-
hältniſsmäſsig sehr kleinen Anzahl von Arten
die männlichen und weiblichen Geschlechts-
theile in verschiedenen Blumen, und bey ei-
ner noch kleinern in verschiedenen Gewäch-
sen vertheilt. Und doch hat hier schon die
Natur bewunderungswürdige Einrichtungen
getroffen, um die Befruchtung möglich zu
machen, indem sie in solchen Zwitterblumen,
wo beyderley Geschlechtstheile sich zu glei-
cher Zeit entwickeln, diesen Organen das
Vermögen ertheilte, sich zur Zeit der Reife
einander zu nähern und zu berühren, und
den übrigen Blumen eigene Insekten zu Be-
wohnern gab, welche den männlichen Blü-
thenstaub zur weiblichen Narbe zu überbrin-
gen bestimmt sind, wie im folgenden Kapi-
tel umständlicher gezeigt werden wird! Bey
den Moosen hingegen müſste der Hermaphro-
ditismus zu den seltenen Erscheinungen ge-
hören, wenn die von Hedwig entdeckten
Kör-
X 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/337>, abgerufen am 21.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.