re, dass bey den zusammengesetztern Körpern des Thier- und Pflanzenreichs niemals fruchtbare Eyer- oder Saamenkörner ohne Einwirkung ei- nes männlichen Zeugungsstoffs auf den weiblichen Saamen gebildet werden, so lässt sich doch be- zweifeln, dass hiervon ein Schluss auf die ein- fachern Organismen des Reichs der Zoophyten gilt. Man kann sagen: Unsere bisherigen, ob- gleich noch sehr eingeschränkten Erfahrungen zeigen uns schon so viele Mannichfaltigkeit in der Entstehung der lebenden Körper, dass die Hoffnung, bey noch grösserm Reichthum an Be- obachtungen einst alle mögliche Formen der Er- zeugung erschöpft zu finden, schon von dieser Seite nicht ohne Grund ist. Diese Hoffnung er- hält noch mehr Wahrscheinlichkeit, wenn der Satz, dass im allgemeinen Organismus alle mög- liche Arten des Daseyns wirklich vorhanden sind, seine Richtigkeit hat. Ist es also nicht glaub- lich, dass sich die Natur auch in Formen ergoss, die ohne Geschlechtsverschiedenheit und Befruch- tung ihr Geschlecht erhalten?
Man kann ferner sagen: Bey mehrern von denjenigen Mollusken und Pflanzen, bey wel- chen die männlichen und weiblichen Zeugungs- theile in Einem Individuum vereinigt sind, fin- det keine Geschlechtsverschiedenheit mehr statt. Hier ist es nicht mehr eine eigene Art von Ein-
wir-
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re, daſs bey den zusammengesetztern Körpern des Thier- und Pflanzenreichs niemals fruchtbare Eyer- oder Saamenkörner ohne Einwirkung ei- nes männlichen Zeugungsstoffs auf den weiblichen Saamen gebildet werden, so läſst sich doch be- zweifeln, daſs hiervon ein Schluſs auf die ein- fachern Organismen des Reichs der Zoophyten gilt. Man kann sagen: Unsere bisherigen, ob- gleich noch sehr eingeschränkten Erfahrungen zeigen uns schon so viele Mannichfaltigkeit in der Entstehung der lebenden Körper, daſs die Hoffnung, bey noch gröſserm Reichthum an Be- obachtungen einst alle mögliche Formen der Er- zeugung erschöpft zu finden, schon von dieser Seite nicht ohne Grund ist. Diese Hoffnung er- hält noch mehr Wahrscheinlichkeit, wenn der Satz, daſs im allgemeinen Organismus alle mög- liche Arten des Daseyns wirklich vorhanden sind, seine Richtigkeit hat. Ist es also nicht glaub- lich, daſs sich die Natur auch in Formen ergoſs, die ohne Geschlechtsverschiedenheit und Befruch- tung ihr Geschlecht erhalten?
Man kann ferner sagen: Bey mehrern von denjenigen Mollusken und Pflanzen, bey wel- chen die männlichen und weiblichen Zeugungs- theile in Einem Individuum vereinigt sind, fin- det keine Geschlechtsverschiedenheit mehr statt. Hier ist es nicht mehr eine eigene Art von Ein-
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Eyer- oder Saamenkörner ohne Einwirkung ei-
nes männlichen Zeugungsstoffs auf den weiblichen
Saamen gebildet werden, so läſst sich doch be-
zweifeln, daſs hiervon ein Schluſs auf die ein-
fachern Organismen des Reichs der Zoophyten
gilt. Man kann sagen: Unsere bisherigen, ob-
gleich noch sehr eingeschränkten Erfahrungen
zeigen uns schon so viele Mannichfaltigkeit in
der Entstehung der lebenden Körper, daſs die
Hoffnung, bey noch gröſserm Reichthum an Be-
obachtungen einst alle mögliche Formen der Er-
zeugung erschöpft zu finden, schon von dieser
Seite nicht ohne Grund ist. Diese Hoffnung er-
hält noch mehr Wahrscheinlichkeit, wenn der
Satz, daſs im allgemeinen Organismus alle mög-
liche Arten des Daseyns wirklich vorhanden sind,
seine Richtigkeit hat. Ist es also nicht glaub-
lich, daſs sich die Natur auch in Formen ergoſs,
die ohne Geschlechtsverschiedenheit und Befruch-
tung ihr Geschlecht erhalten?
Man kann ferner sagen: Bey mehrern von
denjenigen Mollusken und Pflanzen, bey wel-
chen die männlichen und weiblichen Zeugungs-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/319>, abgerufen am 22.11.2024.
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