ist. Allein diese Abweichung kann nicht selber Krankheit seyn, denn vor ihrer Entstehung musste schon eine Abweichung des lebenden Körpers von seiner naturgemässen Wirkungsart vorhergehen. Nur da, wo sie mit einem Unvermögen des leben- den Organismus, in der zur Erreichung der Zwecke seines Lebens nöthigen Sphäre der Zufälligkeit äus- serer Einwirkungen sein Leben fortzusetzen, ver- bunden ist, findet Krankheit statt, nur dieses Un- vermögen ist Krankheit, und von diesem ist jene Abweichung blos ein Symptom.
Der Uebergang der lebenden Individuen zur leblosen Natur, oder zu andern Formen des Lebe[ - 1 Zeichen fehlt]s würde eine Stöhrung des allgemeinen Organismus nach sich ziehen, wenn dem Zuwachse, den im erstern Falle die leblose Natur, im letztern eine andere Art von lebenden Organismen dadurch er- hält, nicht ein gleicher Verlust, und dem Verluste, den die Gattung dadurch erleidet, nicht ein gleicher Zuwachs das Gleichgewicht hielte. Dieses Gleich- gewicht kann nur dadurch erhalten werden, dass jeder lebende Organismus, ehe er zu leben aufhört, ein Individuum seiner Art zurücklässt, oder mit andern Worten, dass er sein Geschlecht fortpflanzt. Bey keinem lebendem Körper tritt daher das Ziel seines Lebens ein, bevor er nicht sein Geschlecht fortzupflanzen im Stande ge- wesen ist.
Das
ist. Allein diese Abweichung kann nicht selber Krankheit seyn, denn vor ihrer Entstehung muſste schon eine Abweichung des lebenden Körpers von seiner naturgemäſsen Wirkungsart vorhergehen. Nur da, wo sie mit einem Unvermögen des leben- den Organismus, in der zur Erreichung der Zwecke seines Lebens nöthigen Sphäre der Zufälligkeit äus- serer Einwirkungen sein Leben fortzusetzen, ver- bunden ist, findet Krankheit statt, nur dieses Un- vermögen ist Krankheit, und von diesem ist jene Abweichung blos ein Symptom.
Der Uebergang der lebenden Individuen zur leblosen Natur, oder zu andern Formen des Lebe[ – 1 Zeichen fehlt]s würde eine Stöhrung des allgemeinen Organismus nach sich ziehen, wenn dem Zuwachse, den im erstern Falle die leblose Natur, im letztern eine andere Art von lebenden Organismen dadurch er- hält, nicht ein gleicher Verlust, und dem Verluste, den die Gattung dadurch erleidet, nicht ein gleicher Zuwachs das Gleichgewicht hielte. Dieses Gleich- gewicht kann nur dadurch erhalten werden, daſs jeder lebende Organismus, ehe er zu leben aufhört, ein Individuum seiner Art zurückläſst, oder mit andern Worten, daſs er sein Geschlecht fortpflanzt. Bey keinem lebendem Körper tritt daher das Ziel seines Lebens ein, bevor er nicht sein Geschlecht fortzupflanzen im Stande ge- wesen ist.
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ist. Allein diese Abweichung kann nicht selber
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seiner naturgemäſsen Wirkungsart vorhergehen.
Nur da, wo sie mit einem Unvermögen des leben-
den Organismus, in der zur Erreichung der Zwecke
seines Lebens nöthigen Sphäre der Zufälligkeit äus-
serer Einwirkungen sein Leben fortzusetzen, ver-
bunden ist, findet Krankheit statt, nur dieses Un-
vermögen ist Krankheit, und von diesem ist jene
Abweichung blos ein Symptom.
Der Uebergang der lebenden Individuen zur
leblosen Natur, oder zu andern Formen des Lebe_s
würde eine Stöhrung des allgemeinen Organismus
nach sich ziehen, wenn dem Zuwachse, den im
erstern Falle die leblose Natur, im letztern eine
andere Art von lebenden Organismen dadurch er-
hält, nicht ein gleicher Verlust, und dem Verluste,
den die Gattung dadurch erleidet, nicht ein gleicher
Zuwachs das Gleichgewicht hielte. Dieses Gleich-
gewicht kann nur dadurch erhalten werden, daſs
jeder lebende Organismus, ehe er zu leben aufhört,
ein Individuum seiner Art zurückläſst, oder mit
andern Worten, daſs er sein Geschlecht
fortpflanzt. Bey keinem lebendem Körper
tritt daher das Ziel seines Lebens ein, bevor er
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wesen ist.
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/96>, abgerufen am 04.12.2024.
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