Diese Voraussetzung macht eine zweyte noth- wendig. Die Zufälligkeit der äussern Einwirkungen, bey welchen die Thätig- keit der lebenden Organismen unverän- dert fortdauert, muss ihre Gränzen ha- ben, und jede Ueberschreitung dieser Gränzen muss die Zerstöhrung jener Organismen nach sich ziehen.
Beyde Voraussetzungen haben die Erfahrung auf ihrer Seite. Belege zu der letztern anzufüh- ren, ist überflüssig. Für die erstere liefern uns die Funktionen der Ernährung und des Athem- hohlens in den beyden lebenden Reichen die auf- fallendsten Beweise. Die Nahrungsmittel der Pflan- zen sind Luft, Wasser und vielleicht auch einige Erdarten, also Stoffe der leblosen Natur. Das Thierreich bedarf zwar auch der Luft und des Wassers zu seinem Unterhalte; aber seine Haupt- nahrung erhält es zugleich von den Vegetabilien. Das Pflanzenreich ist also die erste und niedrigste, das Thierreich die zweyte und höchste Stufe des Ueberganges der leblosen Materie zum Leben. Das Thier, nachdem es sein Geschlecht fortge- pflanzt und den Zweck seines Daseyns erfüllt hat, stirbt, vermodert, und seine Bestandtheile kehren zurück zum Luftmeere und zur Erde, um von neuem zu Pflanzen und aus diesen zu Thieren gebildet zu werden, und so jenen Ueber-
gang
I. Bd. E
Diese Voraussetzung macht eine zweyte noth- wendig. Die Zufälligkeit der äussern Einwirkungen, bey welchen die Thätig- keit der lebenden Organismen unverän- dert fortdauert, muſs ihre Gränzen ha- ben, und jede Ueberschreitung dieser Gränzen muſs die Zerstöhrung jener Organismen nach sich ziehen.
Beyde Voraussetzungen haben die Erfahrung auf ihrer Seite. Belege zu der letztern anzufüh- ren, ist überflüssig. Für die erstere liefern uns die Funktionen der Ernährung und des Athem- hohlens in den beyden lebenden Reichen die auf- fallendsten Beweise. Die Nahrungsmittel der Pflan- zen sind Luft, Wasser und vielleicht auch einige Erdarten, also Stoffe der leblosen Natur. Das Thierreich bedarf zwar auch der Luft und des Wassers zu seinem Unterhalte; aber seine Haupt- nahrung erhält es zugleich von den Vegetabilien. Das Pflanzenreich ist also die erste und niedrigste, das Thierreich die zweyte und höchste Stufe des Ueberganges der leblosen Materie zum Leben. Das Thier, nachdem es sein Geschlecht fortge- pflanzt und den Zweck seines Daseyns erfüllt hat, stirbt, vermodert, und seine Bestandtheile kehren zurück zum Luftmeere und zur Erde, um von neuem zu Pflanzen und aus diesen zu Thieren gebildet zu werden, und so jenen Ueber-
gang
I. Bd. E
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Diese Voraussetzung macht eine zweyte noth-
wendig. Die Zufälligkeit der äussern
Einwirkungen, bey welchen die Thätig-
keit der lebenden Organismen unverän-
dert fortdauert, muſs ihre Gränzen ha-
ben, und jede Ueberschreitung dieser
Gränzen muſs die Zerstöhrung jener
Organismen nach sich ziehen.
Beyde Voraussetzungen haben die Erfahrung
auf ihrer Seite. Belege zu der letztern anzufüh-
ren, ist überflüssig. Für die erstere liefern uns
die Funktionen der Ernährung und des Athem-
hohlens in den beyden lebenden Reichen die auf-
fallendsten Beweise. Die Nahrungsmittel der Pflan-
zen sind Luft, Wasser und vielleicht auch einige
Erdarten, also Stoffe der leblosen Natur. Das
Thierreich bedarf zwar auch der Luft und des
Wassers zu seinem Unterhalte; aber seine Haupt-
nahrung erhält es zugleich von den Vegetabilien.
Das Pflanzenreich ist also die erste und niedrigste,
das Thierreich die zweyte und höchste Stufe des
Ueberganges der leblosen Materie zum Leben.
Das Thier, nachdem es sein Geschlecht fortge-
pflanzt und den Zweck seines Daseyns erfüllt
hat, stirbt, vermodert, und seine Bestandtheile
kehren zurück zum Luftmeere und zur Erde,
um von neuem zu Pflanzen und aus diesen zu
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/85>, abgerufen am 04.12.2024.
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