einer Dritten, von ihr und diesen repulsiven Kräf- ten verschiedenen Grundkraft sind? Man sieht, dass in beyden Fällen lebend und beseelt für einerley, doch in einem ganz verschiedenen Sinne angenommen werden könne. Beyde sind aber oft, und besonders von mehrern Schriftstellern aus der Schule Stahls mit einander verwechselt. Die Beantwortung der erstern Frage mag ausfallen, wie sie will, so wird doch dadurch die Hypothese von einer eigenen Lebenskraft so wenig umgestossen, als bewiesen. Dass sie indess verneinend beant- wortet werden muss, erhellet aus der Fortdauer der Lebenserscheinungen in den thierischen Orga- nen nach der Trennung der letztern vom übrigen Organismus, wobey niemand eine fortdauernde Einwirkung von Vorstellungen auf die getrennten Organe annehmen wird. Was die letztere Frage betrifft, so liegen die Gründe zur Bejahung oder Verneinung derselben ganz ausserhalb der Sinnen- welt, und es ist also gar keine Antwort darauf möglich. In diesem Sinne aber kann die Verschie- denheit oder Identität von lebend und beseelt dem Biologen auch ganz gleichgültig seyn.
Aus den obigen Sätzen folget, dass Leben der Materie etwas durchaus Fremdes ist. Die Bewe- gungen, die wir an dem lebenden Organismus wahrnehmen, sind theils mechanische, theils che- mische. Sie unterscheiden sich in keinem Stücke
von
D 5
einer Dritten, von ihr und diesen repulsiven Kräf- ten verschiedenen Grundkraft sind? Man sieht, daſs in beyden Fällen lebend und beseelt für einerley, doch in einem ganz verschiedenen Sinne angenommen werden könne. Beyde sind aber oft, und besonders von mehrern Schriftstellern aus der Schule Stahls mit einander verwechselt. Die Beantwortung der erstern Frage mag ausfallen, wie sie will, so wird doch dadurch die Hypothese von einer eigenen Lebenskraft so wenig umgestoſsen, als bewiesen. Daſs sie indeſs verneinend beant- wortet werden muſs, erhellet aus der Fortdauer der Lebenserscheinungen in den thierischen Orga- nen nach der Trennung der letztern vom übrigen Organismus, wobey niemand eine fortdauernde Einwirkung von Vorstellungen auf die getrennten Organe annehmen wird. Was die letztere Frage betrifft, so liegen die Gründe zur Bejahung oder Verneinung derselben ganz ausserhalb der Sinnen- welt, und es ist also gar keine Antwort darauf möglich. In diesem Sinne aber kann die Verschie- denheit oder Identität von lebend und beseelt dem Biologen auch ganz gleichgültig seyn.
Aus den obigen Sätzen folget, daſs Leben der Materie etwas durchaus Fremdes ist. Die Bewe- gungen, die wir an dem lebenden Organismus wahrnehmen, sind theils mechanische, theils che- mische. Sie unterscheiden sich in keinem Stücke
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einer Dritten, von ihr und diesen repulsiven Kräf-
ten verschiedenen Grundkraft sind? Man sieht,
daſs in beyden Fällen lebend und beseelt für
einerley, doch in einem ganz verschiedenen Sinne
angenommen werden könne. Beyde sind aber oft,
und besonders von mehrern Schriftstellern aus der
Schule Stahls mit einander verwechselt. Die
Beantwortung der erstern Frage mag ausfallen, wie
sie will, so wird doch dadurch die Hypothese von
einer eigenen Lebenskraft so wenig umgestoſsen,
als bewiesen. Daſs sie indeſs verneinend beant-
wortet werden muſs, erhellet aus der Fortdauer
der Lebenserscheinungen in den thierischen Orga-
nen nach der Trennung der letztern vom übrigen
Organismus, wobey niemand eine fortdauernde
Einwirkung von Vorstellungen auf die getrennten
Organe annehmen wird. Was die letztere Frage
betrifft, so liegen die Gründe zur Bejahung oder
Verneinung derselben ganz ausserhalb der Sinnen-
welt, und es ist also gar keine Antwort darauf
möglich. In diesem Sinne aber kann die Verschie-
denheit oder Identität von lebend und beseelt dem
Biologen auch ganz gleichgültig seyn.
Aus den obigen Sätzen folget, daſs Leben der
Materie etwas durchaus Fremdes ist. Die Bewe-
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/77>, abgerufen am 04.12.2024.
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