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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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entgegengesetzte in Thätigkeit erhalten; und so er-
streckt sich diese Reise von Ursachen und Wirkungen
in die Unendlichkeit. Aber von jenem ersten Paar
entgegengesetzter Kräfte ist auch jede wieder das
für zwey andere entgegengesetzte Kräfte, was die
Dritte der obigen für sie ist; und so geht diese Ket-
te nicht blos von Einer, sondern auch von allen
Seiten in die Unendlichkeit über.

Jede einzelne Kraft in dieser unermesslichen
Schaar, die der Verstand nicht mehr zu fassen ver-
mag, ist also durch alle übrige, und alle übrige
sind durch jede einzelne. Jede ist Ursache und
zugleich Wirkung, Mittel und zugleich Zweck,
jede ein Organ, und das Ganze ein gränzenloser
Organismus.

Aber nicht nur das Ganze, sondern auch jede
endliche Zahl von Kräften bildet einen Organismus.
Denn keine Kraft erleidet Veränderungen, ohne
dass nicht auch jede andere daran Theil nimmt.
Je mehr sich unser Blick in die Natur erweitert,
desto mehr Beweise dieses Satzes liefert uns auch
die Erfahrung. Unsere Erde, und das System,
wozu diese gehört, zeugen laut für ihn, und jedes
Atom würde für ihn zeugen, wenn unser Auge
nicht zu blöde wäre, um das zu Kleine, wie das
zu Grosse fassen zu können.

Wäre hier der Ort, diese Zeugnisse, die uns
die Erfahrung für unsern Satz liefert, zu verfol-

gen,

entgegengesetzte in Thätigkeit erhalten; und so er-
streckt sich diese Reise von Ursachen und Wirkungen
in die Unendlichkeit. Aber von jenem ersten Paar
entgegengesetzter Kräfte ist auch jede wieder das
für zwey andere entgegengesetzte Kräfte, was die
Dritte der obigen für sie ist; und so geht diese Ket-
te nicht blos von Einer, sondern auch von allen
Seiten in die Unendlichkeit über.

Jede einzelne Kraft in dieser unermeſslichen
Schaar, die der Verstand nicht mehr zu fassen ver-
mag, ist also durch alle übrige, und alle übrige
sind durch jede einzelne. Jede ist Ursache und
zugleich Wirkung, Mittel und zugleich Zweck,
jede ein Organ, und das Ganze ein gränzenloser
Organismus.

Aber nicht nur das Ganze, sondern auch jede
endliche Zahl von Kräften bildet einen Organismus.
Denn keine Kraft erleidet Veränderungen, ohne
daſs nicht auch jede andere daran Theil nimmt.
Je mehr sich unser Blick in die Natur erweitert,
desto mehr Beweise dieses Satzes liefert uns auch
die Erfahrung. Unsere Erde, und das System,
wozu diese gehört, zeugen laut für ihn, und jedes
Atom würde für ihn zeugen, wenn unser Auge
nicht zu blöde wäre, um das zu Kleine, wie das
zu Groſse fassen zu können.

Wäre hier der Ort, diese Zeugnisse, die uns
die Erfahrung für unsern Satz liefert, zu verfol-

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[34/0054] entgegengesetzte in Thätigkeit erhalten; und so er- streckt sich diese Reise von Ursachen und Wirkungen in die Unendlichkeit. Aber von jenem ersten Paar entgegengesetzter Kräfte ist auch jede wieder das für zwey andere entgegengesetzte Kräfte, was die Dritte der obigen für sie ist; und so geht diese Ket- te nicht blos von Einer, sondern auch von allen Seiten in die Unendlichkeit über. Jede einzelne Kraft in dieser unermeſslichen Schaar, die der Verstand nicht mehr zu fassen ver- mag, ist also durch alle übrige, und alle übrige sind durch jede einzelne. Jede ist Ursache und zugleich Wirkung, Mittel und zugleich Zweck, jede ein Organ, und das Ganze ein gränzenloser Organismus. Aber nicht nur das Ganze, sondern auch jede endliche Zahl von Kräften bildet einen Organismus. Denn keine Kraft erleidet Veränderungen, ohne daſs nicht auch jede andere daran Theil nimmt. Je mehr sich unser Blick in die Natur erweitert, desto mehr Beweise dieses Satzes liefert uns auch die Erfahrung. Unsere Erde, und das System, wozu diese gehört, zeugen laut für ihn, und jedes Atom würde für ihn zeugen, wenn unser Auge nicht zu blöde wäre, um das zu Kleine, wie das zu Groſse fassen zu können. Wäre hier der Ort, diese Zeugnisse, die uns die Erfahrung für unsern Satz liefert, zu verfol- gen,

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/54>, abgerufen am 03.05.2024.