Noch giebt es eine dritte, von den beyden vori- gen ganz unabhängige Art von Gradation. In je- der Familie, jedem Geschlechte, ja, je- der Gattung von lebenden Körpern bil- det nehmlich die Natur irgend ein Or- gan, oder System von Organen vorzugs- weise aus, indem sie unter den übrigen Organen einige unverändert lässt, ande- re vereinfacht; und jene Ausbildung so- wohl, als diese Vereinfachung ist ge- wöhnlich blos Wiederhohlung einer und derselben Grundform. So entstehen Verwand- schaften und Gradationen in einzelnen Organen, bey der grössten Unähnlichkeit in der übrigen Organi- sation.
Wir treffen allenthalben, wohin wir unsern Blick in der lebenden Natur wenden, Bestätigun- gen dieses Gesetzes an. Den Schnabel der Vögel finden wir in dem Schnabelthiere (Ornithorynchus) mit der Form der Meerotter, in der Sepia mit der Struktur der Mollusken, und in mehrern Holothu- rien mit der Organisation der Thierpflanzen verei- nigt. Der cartilaginöse Magen der hühnerartigen Vögel erscheint auch bey dem Nilcrocodile, bey der Sepia, der Aplysia, und sogar auf der untersten Stufe der thierischen Bildung bey den Aphroditen. Den Rindern nähern sich in Ansehung des vielfa- chen Magens mehrere Nagethiere, das Faulthier,
der
Noch giebt es eine dritte, von den beyden vori- gen ganz unabhängige Art von Gradation. In je- der Familie, jedem Geschlechte, ja, je- der Gattung von lebenden Körpern bil- det nehmlich die Natur irgend ein Or- gan, oder System von Organen vorzugs- weise aus, indem sie unter den übrigen Organen einige unverändert läſst, ande- re vereinfacht; und jene Ausbildung so- wohl, als diese Vereinfachung ist ge- wöhnlich blos Wiederhohlung einer und derselben Grundform. So entstehen Verwand- schaften und Gradationen in einzelnen Organen, bey der gröſsten Unähnlichkeit in der übrigen Organi- sation.
Wir treffen allenthalben, wohin wir unsern Blick in der lebenden Natur wenden, Bestätigun- gen dieses Gesetzes an. Den Schnabel der Vögel finden wir in dem Schnabelthiere (Ornithorynchus) mit der Form der Meerotter, in der Sepia mit der Struktur der Mollusken, und in mehrern Holothu- rien mit der Organisation der Thierpflanzen verei- nigt. Der cartilaginöse Magen der hühnerartigen Vögel erscheint auch bey dem Nilcrocodile, bey der Sepia, der Aplysia, und sogar auf der untersten Stufe der thierischen Bildung bey den Aphroditen. Den Rindern nähern sich in Ansehung des vielfa- chen Magens mehrere Nagethiere, das Faulthier,
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Noch giebt es eine dritte, von den beyden vori-
gen ganz unabhängige Art von Gradation. In je-
der Familie, jedem Geschlechte, ja, je-
der Gattung von lebenden Körpern bil-
det nehmlich die Natur irgend ein Or-
gan, oder System von Organen vorzugs-
weise aus, indem sie unter den übrigen
Organen einige unverändert läſst, ande-
re vereinfacht; und jene Ausbildung so-
wohl, als diese Vereinfachung ist ge-
wöhnlich blos Wiederhohlung einer und
derselben Grundform. So entstehen Verwand-
schaften und Gradationen in einzelnen Organen, bey
der gröſsten Unähnlichkeit in der übrigen Organi-
sation.
Wir treffen allenthalben, wohin wir unsern
Blick in der lebenden Natur wenden, Bestätigun-
gen dieses Gesetzes an. Den Schnabel der Vögel
finden wir in dem Schnabelthiere (Ornithorynchus)
mit der Form der Meerotter, in der Sepia mit der
Struktur der Mollusken, und in mehrern Holothu-
rien mit der Organisation der Thierpflanzen verei-
nigt. Der cartilaginöse Magen der hühnerartigen
Vögel erscheint auch bey dem Nilcrocodile, bey der
Sepia, der Aplysia, und sogar auf der untersten
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/490>, abgerufen am 22.11.2024.
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