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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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Eine zweyte, noch grössere Schwürigkeit macht
die Unterscheidung der vitalen Bewegungen von
den chemischen und physischen. Zu diesen gehö-
ret z. B. das Aufbrausen, welches aus der Vermi-
schung der Alkalien und Säuren entsteht, das Gäh-
ren verschiedener Pflanzensäfte, die Bewegung der
Magnetnadel nach Norden u. s. w. Hier ist wieder
eine Wechselwirkung. Um zwischen ihr und der-
jenigen, woraus die vitalen Bewegungen entstehen,
eine Gränzlinie ziehen zu können, müssten wir jene
chemischen und physischen Bewegungen von allen
Seiten kennen. An einer solchen Kenntniss dersel-
ben fehlt uns aber noch vieles. Wir sind bey wei-
tem noch nicht mit allen Modifikationen der durch
die Elektricität, den Magnetismus, die chemische
Wahlanziehung, und so viele andere physische und
chemische Kräfte hervorgebrachten Bewegungen
bekannt. Bis diese Lücken in unserm Wissen aber
ausgefüllt sind, werden wir auch auf eine solche
Erklärung des Lebens, worin gewisse physische
oder chemische Bewegungen als empirische Merk-
male dieses Zustandes aufgenommen sind, Verzicht
thun, bis dahin jede Definition der Art als unbrauch-
bar ansehen müssen.

Unbrauchbar ist daher z. B. die Erklärung
Stahls, nach welcher Leben derjenige Zu-
stand eines, vermöge seiner Mischung,
zur baldigsten Verderbniss geneigten

Kör-

Eine zweyte, noch gröſsere Schwürigkeit macht
die Unterscheidung der vitalen Bewegungen von
den chemischen und physischen. Zu diesen gehö-
ret z. B. das Aufbrausen, welches aus der Vermi-
schung der Alkalien und Säuren entsteht, das Gäh-
ren verschiedener Pflanzensäfte, die Bewegung der
Magnetnadel nach Norden u. s. w. Hier ist wieder
eine Wechselwirkung. Um zwischen ihr und der-
jenigen, woraus die vitalen Bewegungen entstehen,
eine Gränzlinie ziehen zu können, müſsten wir jene
chemischen und physischen Bewegungen von allen
Seiten kennen. An einer solchen Kenntniſs dersel-
ben fehlt uns aber noch vieles. Wir sind bey wei-
tem noch nicht mit allen Modifikationen der durch
die Elektricität, den Magnetismus, die chemische
Wahlanziehung, und so viele andere physische und
chemische Kräfte hervorgebrachten Bewegungen
bekannt. Bis diese Lücken in unserm Wissen aber
ausgefüllt sind, werden wir auch auf eine solche
Erklärung des Lebens, worin gewisse physische
oder chemische Bewegungen als empirische Merk-
male dieses Zustandes aufgenommen sind, Verzicht
thun, bis dahin jede Definition der Art als unbrauch-
bar ansehen müssen.

Unbrauchbar ist daher z. B. die Erklärung
Stahls, nach welcher Leben derjenige Zu-
stand eines, vermöge seiner Mischung,
zur baldigsten Verderbniſs geneigten

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[18/0038] Eine zweyte, noch gröſsere Schwürigkeit macht die Unterscheidung der vitalen Bewegungen von den chemischen und physischen. Zu diesen gehö- ret z. B. das Aufbrausen, welches aus der Vermi- schung der Alkalien und Säuren entsteht, das Gäh- ren verschiedener Pflanzensäfte, die Bewegung der Magnetnadel nach Norden u. s. w. Hier ist wieder eine Wechselwirkung. Um zwischen ihr und der- jenigen, woraus die vitalen Bewegungen entstehen, eine Gränzlinie ziehen zu können, müſsten wir jene chemischen und physischen Bewegungen von allen Seiten kennen. An einer solchen Kenntniſs dersel- ben fehlt uns aber noch vieles. Wir sind bey wei- tem noch nicht mit allen Modifikationen der durch die Elektricität, den Magnetismus, die chemische Wahlanziehung, und so viele andere physische und chemische Kräfte hervorgebrachten Bewegungen bekannt. Bis diese Lücken in unserm Wissen aber ausgefüllt sind, werden wir auch auf eine solche Erklärung des Lebens, worin gewisse physische oder chemische Bewegungen als empirische Merk- male dieses Zustandes aufgenommen sind, Verzicht thun, bis dahin jede Definition der Art als unbrauch- bar ansehen müssen. Unbrauchbar ist daher z. B. die Erklärung Stahls, nach welcher Leben derjenige Zu- stand eines, vermöge seiner Mischung, zur baldigsten Verderbniſs geneigten Kör-

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/38>, abgerufen am 23.11.2024.