theilt ist. Jede Bewegung nun, welche von äus- sern Kräften herrührt, welche mitgetheilt ist, nen- nen wir eine mechanische, und diejenigen Bewe- gungen, wodurch sich das Leben äussert, unter- scheiden sich von den mechanischen, folglich da- durch, dass sie nicht durch äussere, sondern durch innere Ursachen hervorgebracht werden.
So leicht nun auf den ersten Anblick die Unter- scheidung der Lebensbewegungen von den mecha- nischen zu seyn scheint, so unzureichend findet sich bey genauerer Untersuchung der angegebene Unterschied. Wäre der lebende Körper ein ganz isolirtes Wesen, das jeden Grund seiner Bewegun- gen nur in sich selbst enthielte, so wäre die Gränze zwischen diesen und den mechanischen Bewegun- gen freylich leicht zu ziehen. Aber alle Aeusse- rungen seiner Thätigkeit sind Produkte einer Wech- selwirkung zwischen ihm und der Aussenwelt, und eben dies sind auch alle mechanische Bewegungen. Die durch einen Stoss in Bewegung gesetzte Masse reagirt nicht minder gegen den stossenden Körper, als die Muskelfaser gegen den Reitz, der Contrak- tionen in ihr veranlasst. Welches ist nun der un- terscheidende Charakter jener Wechselwirkung, woraus die mechanische Bewegung entspringt, von der, welche die vitale Bewegung hervorbringt? Hier liegt die erste der Schwürigkeiten, womit wir bey der Erklärung des Lebens zu kämpfen haben.
Eine
I. Bd. B
theilt ist. Jede Bewegung nun, welche von äus- sern Kräften herrührt, welche mitgetheilt ist, nen- nen wir eine mechanische, und diejenigen Bewe- gungen, wodurch sich das Leben äussert, unter- scheiden sich von den mechanischen, folglich da- durch, daſs sie nicht durch äussere, sondern durch innere Ursachen hervorgebracht werden.
So leicht nun auf den ersten Anblick die Unter- scheidung der Lebensbewegungen von den mecha- nischen zu seyn scheint, so unzureichend findet sich bey genauerer Untersuchung der angegebene Unterschied. Wäre der lebende Körper ein ganz isolirtes Wesen, das jeden Grund seiner Bewegun- gen nur in sich selbst enthielte, so wäre die Gränze zwischen diesen und den mechanischen Bewegun- gen freylich leicht zu ziehen. Aber alle Aeusse- rungen seiner Thätigkeit sind Produkte einer Wech- selwirkung zwischen ihm und der Aussenwelt, und eben dies sind auch alle mechanische Bewegungen. Die durch einen Stoſs in Bewegung gesetzte Masse reagirt nicht minder gegen den stoſsenden Körper, als die Muskelfaser gegen den Reitz, der Contrak- tionen in ihr veranlaſst. Welches ist nun der un- terscheidende Charakter jener Wechselwirkung, woraus die mechanische Bewegung entspringt, von der, welche die vitale Bewegung hervorbringt? Hier liegt die erste der Schwürigkeiten, womit wir bey der Erklärung des Lebens zu kämpfen haben.
Eine
I. Bd. B
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0037"n="17"/>
theilt ist. Jede Bewegung nun, welche von äus-<lb/>
sern Kräften herrührt, welche mitgetheilt ist, nen-<lb/>
nen wir eine mechanische, und diejenigen Bewe-<lb/>
gungen, wodurch sich das Leben äussert, unter-<lb/>
scheiden sich von den mechanischen, folglich da-<lb/>
durch, daſs sie nicht durch äussere, sondern durch<lb/>
innere Ursachen hervorgebracht werden.</p><lb/><p>So leicht nun auf den ersten Anblick die Unter-<lb/>
scheidung der Lebensbewegungen von den mecha-<lb/>
nischen zu seyn scheint, so unzureichend findet<lb/>
sich bey genauerer Untersuchung der angegebene<lb/>
Unterschied. Wäre der lebende Körper ein ganz<lb/>
isolirtes Wesen, das jeden Grund seiner Bewegun-<lb/>
gen nur in sich selbst enthielte, so wäre die Gränze<lb/>
zwischen diesen und den mechanischen Bewegun-<lb/>
gen freylich leicht zu ziehen. Aber alle Aeusse-<lb/>
rungen seiner Thätigkeit sind Produkte einer Wech-<lb/>
selwirkung zwischen ihm und der Aussenwelt, und<lb/>
eben dies sind auch alle mechanische Bewegungen.<lb/>
Die durch einen Stoſs in Bewegung gesetzte Masse<lb/>
reagirt nicht minder gegen den stoſsenden Körper,<lb/>
als die Muskelfaser gegen den Reitz, der Contrak-<lb/>
tionen in ihr veranlaſst. Welches ist nun der un-<lb/>
terscheidende Charakter jener Wechselwirkung,<lb/>
woraus die mechanische Bewegung entspringt, von<lb/>
der, welche die vitale Bewegung hervorbringt?<lb/>
Hier liegt die erste der Schwürigkeiten, womit wir<lb/>
bey der Erklärung des Lebens zu kämpfen haben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">I. Bd.</hi> B</fw><fwplace="bottom"type="catch">Eine</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[17/0037]
theilt ist. Jede Bewegung nun, welche von äus-
sern Kräften herrührt, welche mitgetheilt ist, nen-
nen wir eine mechanische, und diejenigen Bewe-
gungen, wodurch sich das Leben äussert, unter-
scheiden sich von den mechanischen, folglich da-
durch, daſs sie nicht durch äussere, sondern durch
innere Ursachen hervorgebracht werden.
So leicht nun auf den ersten Anblick die Unter-
scheidung der Lebensbewegungen von den mecha-
nischen zu seyn scheint, so unzureichend findet
sich bey genauerer Untersuchung der angegebene
Unterschied. Wäre der lebende Körper ein ganz
isolirtes Wesen, das jeden Grund seiner Bewegun-
gen nur in sich selbst enthielte, so wäre die Gränze
zwischen diesen und den mechanischen Bewegun-
gen freylich leicht zu ziehen. Aber alle Aeusse-
rungen seiner Thätigkeit sind Produkte einer Wech-
selwirkung zwischen ihm und der Aussenwelt, und
eben dies sind auch alle mechanische Bewegungen.
Die durch einen Stoſs in Bewegung gesetzte Masse
reagirt nicht minder gegen den stoſsenden Körper,
als die Muskelfaser gegen den Reitz, der Contrak-
tionen in ihr veranlaſst. Welches ist nun der un-
terscheidende Charakter jener Wechselwirkung,
woraus die mechanische Bewegung entspringt, von
der, welche die vitale Bewegung hervorbringt?
Hier liegt die erste der Schwürigkeiten, womit wir
bey der Erklärung des Lebens zu kämpfen haben.
Eine
I. Bd. B
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/37>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.