Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Theorie entgegen, und klagt ihr ihn eines
Fehlers gegen die Theorie an, so schützt er sich
mit seiner Erfahrung.

Betrachtet man endlich meine Lehre von Sei-
ten ihres Einflusses auf die Vervollkommnung der
theoretischen Medicin, so lassen sich auch von die-
ser Seite ihre Vorzüge nicht verkennen. Die prak-
tische Heilkunde war bisher ein Bley, das jeden
Flug der Theorie hemmte. Man scheuete jede An-
wendung der Physik und Chemie auf die letztere,
weil man hiervon einen nachtheiligen Einfluss auf
die erstere befürchtete. Statt seinen Scharfsinn an
solchen Anwendungen zu üben, häufte man clini-
sche Beobachtungen auf clinische Beobachtungen,
und brachte durch alle diese Tausende von Beobach-
tungen weder die Theorie, noch die Praxis um
einen Schritt weiter. Jene Furcht wird aufhören,
sobald wir von dem Wahne zurückkommen, jede
Krankheit bekämpfen zu wollen. Die Lehre von
der lebenden Natur wird mit Physik und Chemie
in den engsten Bund treten; jene wird durch diese,
und diese werden durch jene vervollkommnet wer-
den, und ist eine praktische Heilkunde möglich,
die auch positiv nützen kann, so werden unsere
Nachkommen sie einst auf diesem Wege erhalten.

Dieser Weg ist es nun auch, den wir bey un-
sern künftigen Untersuchungen einschlagen werden.
Unbekümmert, welchen Einfluss die Theorien, die

wir
I. Bd. K

seine Theorie entgegen, und klagt ihr ihn eines
Fehlers gegen die Theorie an, so schützt er sich
mit seiner Erfahrung.

Betrachtet man endlich meine Lehre von Sei-
ten ihres Einflusses auf die Vervollkommnung der
theoretischen Medicin, so lassen sich auch von die-
ser Seite ihre Vorzüge nicht verkennen. Die prak-
tische Heilkunde war bisher ein Bley, das jeden
Flug der Theorie hemmte. Man scheuete jede An-
wendung der Physik und Chemie auf die letztere,
weil man hiervon einen nachtheiligen Einfluſs auf
die erstere befürchtete. Statt seinen Scharfsinn an
solchen Anwendungen zu üben, häufte man clini-
sche Beobachtungen auf clinische Beobachtungen,
und brachte durch alle diese Tausende von Beobach-
tungen weder die Theorie, noch die Praxis um
einen Schritt weiter. Jene Furcht wird aufhören,
sobald wir von dem Wahne zurückkommen, jede
Krankheit bekämpfen zu wollen. Die Lehre von
der lebenden Natur wird mit Physik und Chemie
in den engsten Bund treten; jene wird durch diese,
und diese werden durch jene vervollkommnet wer-
den, und ist eine praktische Heilkunde möglich,
die auch positiv nützen kann, so werden unsere
Nachkommen sie einst auf diesem Wege erhalten.

Dieser Weg ist es nun auch, den wir bey un-
sern künftigen Untersuchungen einschlagen werden.
Unbekümmert, welchen Einfluſs die Theorien, die

wir
I. Bd. K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="145"/>
seine Theorie entgegen, und klagt ihr ihn eines<lb/>
Fehlers gegen die Theorie an, so schützt er sich<lb/>
mit seiner Erfahrung.</p><lb/>
          <p>Betrachtet man endlich meine Lehre von Sei-<lb/>
ten ihres Einflusses auf die Vervollkommnung der<lb/>
theoretischen Medicin, so lassen sich auch von die-<lb/>
ser Seite ihre Vorzüge nicht verkennen. Die prak-<lb/>
tische Heilkunde war bisher ein Bley, das jeden<lb/>
Flug der Theorie hemmte. Man scheuete jede An-<lb/>
wendung der Physik und Chemie auf die letztere,<lb/>
weil man hiervon einen nachtheiligen Einflu&#x017F;s auf<lb/>
die erstere befürchtete. Statt seinen Scharfsinn an<lb/>
solchen Anwendungen zu üben, häufte man clini-<lb/>
sche Beobachtungen auf clinische Beobachtungen,<lb/>
und brachte durch alle diese Tausende von Beobach-<lb/>
tungen weder die Theorie, noch die Praxis um<lb/>
einen Schritt weiter. Jene Furcht wird aufhören,<lb/>
sobald wir von dem Wahne zurückkommen, jede<lb/>
Krankheit bekämpfen zu wollen. Die Lehre von<lb/>
der lebenden Natur wird mit Physik und Chemie<lb/>
in den engsten Bund treten; jene wird durch diese,<lb/>
und diese werden durch jene vervollkommnet wer-<lb/>
den, und ist eine praktische Heilkunde möglich,<lb/>
die auch positiv nützen kann, so werden unsere<lb/>
Nachkommen sie einst auf diesem Wege erhalten.</p><lb/>
          <p>Dieser Weg ist es nun auch, den wir bey un-<lb/>
sern künftigen Untersuchungen einschlagen werden.<lb/>
Unbekümmert, welchen Einflu&#x017F;s die Theorien, die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#i">I. Bd.</hi> K</fw><fw place="bottom" type="catch">wir</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0165] seine Theorie entgegen, und klagt ihr ihn eines Fehlers gegen die Theorie an, so schützt er sich mit seiner Erfahrung. Betrachtet man endlich meine Lehre von Sei- ten ihres Einflusses auf die Vervollkommnung der theoretischen Medicin, so lassen sich auch von die- ser Seite ihre Vorzüge nicht verkennen. Die prak- tische Heilkunde war bisher ein Bley, das jeden Flug der Theorie hemmte. Man scheuete jede An- wendung der Physik und Chemie auf die letztere, weil man hiervon einen nachtheiligen Einfluſs auf die erstere befürchtete. Statt seinen Scharfsinn an solchen Anwendungen zu üben, häufte man clini- sche Beobachtungen auf clinische Beobachtungen, und brachte durch alle diese Tausende von Beobach- tungen weder die Theorie, noch die Praxis um einen Schritt weiter. Jene Furcht wird aufhören, sobald wir von dem Wahne zurückkommen, jede Krankheit bekämpfen zu wollen. Die Lehre von der lebenden Natur wird mit Physik und Chemie in den engsten Bund treten; jene wird durch diese, und diese werden durch jene vervollkommnet wer- den, und ist eine praktische Heilkunde möglich, die auch positiv nützen kann, so werden unsere Nachkommen sie einst auf diesem Wege erhalten. Dieser Weg ist es nun auch, den wir bey un- sern künftigen Untersuchungen einschlagen werden. Unbekümmert, welchen Einfluſs die Theorien, die wir I. Bd. K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/165
Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/165>, abgerufen am 01.05.2024.