aus dem Sonderbundskriege bestimmt. Aber indem der König die Zah- lung dieser Buße genehmigte, hob er doch selbst seine Neutralität that- sächlich auf und stellte seinen fürstlichen Canton wieder unter die Ober- gewalt der Tagsatzung. Gleich darauf, zu Weihnachten 1847, reiste der Gouverneur Pfuel heim; der letzte Preuße verließ das Land, und sogar der hannöversche Gesandte Knyphausen, der ganz auf Seiten der preu- ßischen Krone stand, fand eine solche freiwillige Unterwerfung "wenig ruhmvoll".*)
Leider entsprach auch die Haltung des preußischen Volkes während dieser Wirren seinem alten Rufe nicht. In einer monarchischen Nation muß Jeder fühlen: meines Königs Ehre ist die meine; sonst bricht der Thron in Stücke. Von diesem Schweizerländchen aber wußte die große Mehrzahl der Preußen gar nichts. Die liberale Presse beeiferte sich, die einfache Sachlage durch staatsrechtliche Bedenken zu verwirren, da der Canton ja nur dem Königshause, nicht dem preußischen Staate angehörte; und nachdem der Monarch so blindlings für den Sonderbund Partei ge- nommen, verbreitete sich überall die thörichte Meinung, die treuen prote- stantischen Neuenburger seien Jesuitenknechte. Nicht blos die Königsberger Radicalen jubelten den Siegern von Gislikon zu; auch in Berlin spotteten Varnhagen und alle Aufgeklärten über den pfaffenfreundlichen König, ein Witzbild stellte ihn mit einem Jesuiten zusammengebunden dar. Daß Republikaner einem Fürsten gegenüber immer Recht haben müßten, galt in diesen unruhigen Tagen für ausgemacht. Ein ritterlicher Zorn über die dem Hause Hohenzollern und mithin auch dem preußischen Volke be- reitete Demüthigung zeigte sich nur in engen Kreisen.
Derweil der König also an Ort und Stelle gar nichts that um seine fürstlichen Rechte zu vertheidigen, träumte er noch immer von der Ein- mischung aller legitimen Mächte. Der große europäische Congreß in Neuen- burg, der die Eidgenossen friedlich zu ihrer alten Bundesverfassung zurück- führen sollte, erschien ihm als der Anker der Rettung; und wie sollten solche Pläne jetzt noch gelingen, nachdem die Sonderbundscantone sich bereits ergeben und der radicalen Mehrheit gehorsam angeschlossen hatten? In leidenschaftlichen Briefen an Bunsen verlangte er den Beistand der großen Mächte, zumal des geliebten Englands, damit ihm sein Neuenburg erhalten bliebe; sonst würde er "compromittirt". Daß er schon längst compromittirt war, fühlte er nicht. Auch durch höchst unvorsichtige ver- trauliche Briefe suchte er die Königin Victoria und den Prinzen Albert zu gewinnen. "J'y joue cartes sur table", sagte er einmal, "das thut aber nicht gut außer mit Seinesgleichen;"**) und doch konnten fürstliche Schreiben solchen Inhalts nach englischem Hofbrauche dem feindseligen
*) Knyphausen's Bericht, 26. Dec. 1847.
**) König Friedrich Wilhelm an Bunsen, 13. April 1847.
V. 10. Vorboten der europäiſchen Revolution.
aus dem Sonderbundskriege beſtimmt. Aber indem der König die Zah- lung dieſer Buße genehmigte, hob er doch ſelbſt ſeine Neutralität that- ſächlich auf und ſtellte ſeinen fürſtlichen Canton wieder unter die Ober- gewalt der Tagſatzung. Gleich darauf, zu Weihnachten 1847, reiſte der Gouverneur Pfuel heim; der letzte Preuße verließ das Land, und ſogar der hannöverſche Geſandte Knyphauſen, der ganz auf Seiten der preu- ßiſchen Krone ſtand, fand eine ſolche freiwillige Unterwerfung „wenig ruhmvoll“.*)
Leider entſprach auch die Haltung des preußiſchen Volkes während dieſer Wirren ſeinem alten Rufe nicht. In einer monarchiſchen Nation muß Jeder fühlen: meines Königs Ehre iſt die meine; ſonſt bricht der Thron in Stücke. Von dieſem Schweizerländchen aber wußte die große Mehrzahl der Preußen gar nichts. Die liberale Preſſe beeiferte ſich, die einfache Sachlage durch ſtaatsrechtliche Bedenken zu verwirren, da der Canton ja nur dem Königshauſe, nicht dem preußiſchen Staate angehörte; und nachdem der Monarch ſo blindlings für den Sonderbund Partei ge- nommen, verbreitete ſich überall die thörichte Meinung, die treuen prote- ſtantiſchen Neuenburger ſeien Jeſuitenknechte. Nicht blos die Königsberger Radicalen jubelten den Siegern von Gislikon zu; auch in Berlin ſpotteten Varnhagen und alle Aufgeklärten über den pfaffenfreundlichen König, ein Witzbild ſtellte ihn mit einem Jeſuiten zuſammengebunden dar. Daß Republikaner einem Fürſten gegenüber immer Recht haben müßten, galt in dieſen unruhigen Tagen für ausgemacht. Ein ritterlicher Zorn über die dem Hauſe Hohenzollern und mithin auch dem preußiſchen Volke be- reitete Demüthigung zeigte ſich nur in engen Kreiſen.
Derweil der König alſo an Ort und Stelle gar nichts that um ſeine fürſtlichen Rechte zu vertheidigen, träumte er noch immer von der Ein- miſchung aller legitimen Mächte. Der große europäiſche Congreß in Neuen- burg, der die Eidgenoſſen friedlich zu ihrer alten Bundesverfaſſung zurück- führen ſollte, erſchien ihm als der Anker der Rettung; und wie ſollten ſolche Pläne jetzt noch gelingen, nachdem die Sonderbundscantone ſich bereits ergeben und der radicalen Mehrheit gehorſam angeſchloſſen hatten? In leidenſchaftlichen Briefen an Bunſen verlangte er den Beiſtand der großen Mächte, zumal des geliebten Englands, damit ihm ſein Neuenburg erhalten bliebe; ſonſt würde er „compromittirt“. Daß er ſchon längſt compromittirt war, fühlte er nicht. Auch durch höchſt unvorſichtige ver- trauliche Briefe ſuchte er die Königin Victoria und den Prinzen Albert zu gewinnen. „J’y joue cartes sur table“, ſagte er einmal, „das thut aber nicht gut außer mit Seinesgleichen;“**) und doch konnten fürſtliche Schreiben ſolchen Inhalts nach engliſchem Hofbrauche dem feindſeligen
*) Knyphauſen’s Bericht, 26. Dec. 1847.
**) König Friedrich Wilhelm an Bunſen, 13. April 1847.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0752"n="738"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">V.</hi> 10. Vorboten der europäiſchen Revolution.</fw><lb/>
aus dem Sonderbundskriege beſtimmt. Aber indem der König die Zah-<lb/>
lung dieſer Buße genehmigte, hob er doch ſelbſt ſeine Neutralität that-<lb/>ſächlich auf und ſtellte ſeinen fürſtlichen Canton wieder unter die Ober-<lb/>
gewalt der Tagſatzung. Gleich darauf, zu Weihnachten 1847, reiſte der<lb/>
Gouverneur Pfuel heim; der letzte Preuße verließ das Land, und ſogar<lb/>
der hannöverſche Geſandte Knyphauſen, der ganz auf Seiten der preu-<lb/>
ßiſchen Krone ſtand, fand eine ſolche freiwillige Unterwerfung „wenig<lb/>
ruhmvoll“.<noteplace="foot"n="*)">Knyphauſen’s Bericht, 26. Dec. 1847.</note></p><lb/><p>Leider entſprach auch die Haltung des preußiſchen Volkes während<lb/>
dieſer Wirren ſeinem alten Rufe nicht. In einer monarchiſchen Nation<lb/>
muß Jeder fühlen: meines Königs Ehre iſt die meine; ſonſt bricht der<lb/>
Thron in Stücke. Von dieſem Schweizerländchen aber wußte die große<lb/>
Mehrzahl der Preußen gar nichts. Die liberale Preſſe beeiferte ſich, die<lb/>
einfache Sachlage durch ſtaatsrechtliche Bedenken zu verwirren, da der<lb/>
Canton ja nur dem Königshauſe, nicht dem preußiſchen Staate angehörte;<lb/>
und nachdem der Monarch ſo blindlings für den Sonderbund Partei ge-<lb/>
nommen, verbreitete ſich überall die thörichte Meinung, die treuen prote-<lb/>ſtantiſchen Neuenburger ſeien Jeſuitenknechte. Nicht blos die Königsberger<lb/>
Radicalen jubelten den Siegern von Gislikon zu; auch in Berlin ſpotteten<lb/>
Varnhagen und alle Aufgeklärten über den pfaffenfreundlichen König, ein<lb/>
Witzbild ſtellte ihn mit einem Jeſuiten zuſammengebunden dar. Daß<lb/>
Republikaner einem Fürſten gegenüber immer Recht haben müßten, galt<lb/>
in dieſen unruhigen Tagen für ausgemacht. Ein ritterlicher Zorn über<lb/>
die dem Hauſe Hohenzollern und mithin auch dem preußiſchen Volke be-<lb/>
reitete Demüthigung zeigte ſich nur in engen Kreiſen.</p><lb/><p>Derweil der König alſo an Ort und Stelle gar nichts that um ſeine<lb/>
fürſtlichen Rechte zu vertheidigen, träumte er noch immer von der Ein-<lb/>
miſchung aller legitimen Mächte. Der große europäiſche Congreß in Neuen-<lb/>
burg, der die Eidgenoſſen friedlich zu ihrer alten Bundesverfaſſung zurück-<lb/>
führen ſollte, erſchien ihm als der Anker der Rettung; und wie ſollten<lb/>ſolche Pläne jetzt noch gelingen, nachdem die Sonderbundscantone ſich<lb/>
bereits ergeben und der radicalen Mehrheit gehorſam angeſchloſſen hatten?<lb/>
In leidenſchaftlichen Briefen an Bunſen verlangte er den Beiſtand der<lb/>
großen Mächte, zumal des geliebten Englands, damit ihm ſein Neuenburg<lb/>
erhalten bliebe; ſonſt würde er „compromittirt“. Daß er ſchon längſt<lb/>
compromittirt war, fühlte er nicht. Auch durch höchſt unvorſichtige ver-<lb/>
trauliche Briefe ſuchte er die Königin Victoria und den Prinzen Albert<lb/>
zu gewinnen. <hirendition="#aq">„J’y joue cartes sur table“,</hi>ſagte er einmal, „das thut<lb/>
aber nicht gut außer mit Seinesgleichen;“<noteplace="foot"n="**)">König Friedrich Wilhelm an Bunſen, 13. April 1847.</note> und doch konnten fürſtliche<lb/>
Schreiben ſolchen Inhalts nach engliſchem Hofbrauche dem feindſeligen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[738/0752]
V. 10. Vorboten der europäiſchen Revolution.
aus dem Sonderbundskriege beſtimmt. Aber indem der König die Zah-
lung dieſer Buße genehmigte, hob er doch ſelbſt ſeine Neutralität that-
ſächlich auf und ſtellte ſeinen fürſtlichen Canton wieder unter die Ober-
gewalt der Tagſatzung. Gleich darauf, zu Weihnachten 1847, reiſte der
Gouverneur Pfuel heim; der letzte Preuße verließ das Land, und ſogar
der hannöverſche Geſandte Knyphauſen, der ganz auf Seiten der preu-
ßiſchen Krone ſtand, fand eine ſolche freiwillige Unterwerfung „wenig
ruhmvoll“. *)
Leider entſprach auch die Haltung des preußiſchen Volkes während
dieſer Wirren ſeinem alten Rufe nicht. In einer monarchiſchen Nation
muß Jeder fühlen: meines Königs Ehre iſt die meine; ſonſt bricht der
Thron in Stücke. Von dieſem Schweizerländchen aber wußte die große
Mehrzahl der Preußen gar nichts. Die liberale Preſſe beeiferte ſich, die
einfache Sachlage durch ſtaatsrechtliche Bedenken zu verwirren, da der
Canton ja nur dem Königshauſe, nicht dem preußiſchen Staate angehörte;
und nachdem der Monarch ſo blindlings für den Sonderbund Partei ge-
nommen, verbreitete ſich überall die thörichte Meinung, die treuen prote-
ſtantiſchen Neuenburger ſeien Jeſuitenknechte. Nicht blos die Königsberger
Radicalen jubelten den Siegern von Gislikon zu; auch in Berlin ſpotteten
Varnhagen und alle Aufgeklärten über den pfaffenfreundlichen König, ein
Witzbild ſtellte ihn mit einem Jeſuiten zuſammengebunden dar. Daß
Republikaner einem Fürſten gegenüber immer Recht haben müßten, galt
in dieſen unruhigen Tagen für ausgemacht. Ein ritterlicher Zorn über
die dem Hauſe Hohenzollern und mithin auch dem preußiſchen Volke be-
reitete Demüthigung zeigte ſich nur in engen Kreiſen.
Derweil der König alſo an Ort und Stelle gar nichts that um ſeine
fürſtlichen Rechte zu vertheidigen, träumte er noch immer von der Ein-
miſchung aller legitimen Mächte. Der große europäiſche Congreß in Neuen-
burg, der die Eidgenoſſen friedlich zu ihrer alten Bundesverfaſſung zurück-
führen ſollte, erſchien ihm als der Anker der Rettung; und wie ſollten
ſolche Pläne jetzt noch gelingen, nachdem die Sonderbundscantone ſich
bereits ergeben und der radicalen Mehrheit gehorſam angeſchloſſen hatten?
In leidenſchaftlichen Briefen an Bunſen verlangte er den Beiſtand der
großen Mächte, zumal des geliebten Englands, damit ihm ſein Neuenburg
erhalten bliebe; ſonſt würde er „compromittirt“. Daß er ſchon längſt
compromittirt war, fühlte er nicht. Auch durch höchſt unvorſichtige ver-
trauliche Briefe ſuchte er die Königin Victoria und den Prinzen Albert
zu gewinnen. „J’y joue cartes sur table“, ſagte er einmal, „das thut
aber nicht gut außer mit Seinesgleichen;“ **) und doch konnten fürſtliche
Schreiben ſolchen Inhalts nach engliſchem Hofbrauche dem feindſeligen
*) Knyphauſen’s Bericht, 26. Dec. 1847.
**) König Friedrich Wilhelm an Bunſen, 13. April 1847.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/752>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.