den preußischen Antrag von Monat zu Monat hinaus, und als sie im September endlich doch stattfand, da beantragte er, wie üblich, die Ein- holung von Instructionen.*) Darüber mußten wieder viele Monate ver- gehen, und die vereinzelten Abstimmungen, welche nach und nach einliefen, bewiesen genugsam, daß man sich nicht einigen konnte. Baiern erklärte (Jan. 1848), ein Bundesgesetz scheine überflüssig, für Baierns Presse genüge die freie bairische Verfassung vollkommen. Also ward auch dies vaterländische Unternehmen in den großen Schiffbruch des Bundes hin- eingerissen.
Nicht minder vergeblich arbeiteten Württemberg und Preußen selb- ander für eine andere nöthige Verbesserung. König Wilhelm hatte während der Theuerung des letzten Winters erfahren, wie beklommen sich die stolze Hofburg vor der Oeffentlichkeit fühlte. Damals war dem nach Württem- berg bestimmten österreichischen Getreide der Ausgang auf der Donau plötzlich gesperrt, aber nach langem Streite augenblicklich frei gegeben worden sobald Württemberg drohte den Hergang zu veröffentlichen. Auf Grund dieser Erfahrung entschloß sich der kluge Schwabenkönig, in Frank- furt (26. März 1847) die Veröffentlichung der wichtigsten Bundesprotocolle zu beantragen. Wieder suchte Münch die Berathung hinzuhalten; Dönhoff aber erstattete im September einen Ausschußbericht, der noch über Württem- bergs bescheidenen Antrag hinausging. Der Preuße erwähnte, daß selbst der Regensburger Reichstag seine Sitzungsberichte stets herausgegeben hatte, und verlangte kurzweg Rückkehr zu der alten Ordnung, wie sie vor dem Jahre 1824 bestanden: also die Oeffentlichkeit als Regel, mit Vorbehalt einzelner Ausnahmen. Der gesammte Ausschuß stimmte ihm zu -- so mächtig drang der Luftzug der öffentlichen Meinung schon in den Bundes- tag ein. Nur Oesterreich widersprach. Münch gehörte dem Ausschuß selber an, hatte aber keiner einzigen Sitzung beigewohnt. Jetzt erklärte er im Namen seines Hofes: die Geheimhaltung sei entschieden vorzuziehen, aller- höchstens könne man zugeben, daß die Protokolle nach sorgfältiger Aus- wahl am Ende jeder Sitzungsperiode veröffentlicht würden, aber nicht in den Zeitungen, sondern in einer besonderen Sammlung. Nun wurde wieder die Einholung von Instructionen beschlossen, und der Antrag blieb liegen -- bis zum Zusammenbruch. Die Könige von Preußen und Württem- berg aber erfuhren handgreiflich den Unsegen des Bundesgeheimnisses; über alle ihre ehrlichen Reformbestrebungen verlauteten in der Nation nur unbestimmte Gerüchte.**)
Auch außerhalb des Bundestags bemühte sich der Berliner Hof um ge- sammtdeutsche Reformen. Auf seinen Betrieb versammelte sich zu Dresden im Spätjahr 1847 eine deutsche Postconferenz, die aber wenig zu Stande
*) Dönhoff's Berichte, 23. Juli, 9. Sept. 1847.
**) Dönhoff's Bericht, 13. Sept. 1847.
Reformverſuche am Bundestage.
den preußiſchen Antrag von Monat zu Monat hinaus, und als ſie im September endlich doch ſtattfand, da beantragte er, wie üblich, die Ein- holung von Inſtructionen.*) Darüber mußten wieder viele Monate ver- gehen, und die vereinzelten Abſtimmungen, welche nach und nach einliefen, bewieſen genugſam, daß man ſich nicht einigen konnte. Baiern erklärte (Jan. 1848), ein Bundesgeſetz ſcheine überflüſſig, für Baierns Preſſe genüge die freie bairiſche Verfaſſung vollkommen. Alſo ward auch dies vaterländiſche Unternehmen in den großen Schiffbruch des Bundes hin- eingeriſſen.
Nicht minder vergeblich arbeiteten Württemberg und Preußen ſelb- ander für eine andere nöthige Verbeſſerung. König Wilhelm hatte während der Theuerung des letzten Winters erfahren, wie beklommen ſich die ſtolze Hofburg vor der Oeffentlichkeit fühlte. Damals war dem nach Württem- berg beſtimmten öſterreichiſchen Getreide der Ausgang auf der Donau plötzlich geſperrt, aber nach langem Streite augenblicklich frei gegeben worden ſobald Württemberg drohte den Hergang zu veröffentlichen. Auf Grund dieſer Erfahrung entſchloß ſich der kluge Schwabenkönig, in Frank- furt (26. März 1847) die Veröffentlichung der wichtigſten Bundesprotocolle zu beantragen. Wieder ſuchte Münch die Berathung hinzuhalten; Dönhoff aber erſtattete im September einen Ausſchußbericht, der noch über Württem- bergs beſcheidenen Antrag hinausging. Der Preuße erwähnte, daß ſelbſt der Regensburger Reichstag ſeine Sitzungsberichte ſtets herausgegeben hatte, und verlangte kurzweg Rückkehr zu der alten Ordnung, wie ſie vor dem Jahre 1824 beſtanden: alſo die Oeffentlichkeit als Regel, mit Vorbehalt einzelner Ausnahmen. Der geſammte Ausſchuß ſtimmte ihm zu — ſo mächtig drang der Luftzug der öffentlichen Meinung ſchon in den Bundes- tag ein. Nur Oeſterreich widerſprach. Münch gehörte dem Ausſchuß ſelber an, hatte aber keiner einzigen Sitzung beigewohnt. Jetzt erklärte er im Namen ſeines Hofes: die Geheimhaltung ſei entſchieden vorzuziehen, aller- höchſtens könne man zugeben, daß die Protokolle nach ſorgfältiger Aus- wahl am Ende jeder Sitzungsperiode veröffentlicht würden, aber nicht in den Zeitungen, ſondern in einer beſonderen Sammlung. Nun wurde wieder die Einholung von Inſtructionen beſchloſſen, und der Antrag blieb liegen — bis zum Zuſammenbruch. Die Könige von Preußen und Württem- berg aber erfuhren handgreiflich den Unſegen des Bundesgeheimniſſes; über alle ihre ehrlichen Reformbeſtrebungen verlauteten in der Nation nur unbeſtimmte Gerüchte.**)
Auch außerhalb des Bundestags bemühte ſich der Berliner Hof um ge- ſammtdeutſche Reformen. Auf ſeinen Betrieb verſammelte ſich zu Dresden im Spätjahr 1847 eine deutſche Poſtconferenz, die aber wenig zu Stande
*) Dönhoff’s Berichte, 23. Juli, 9. Sept. 1847.
**) Dönhoff’s Bericht, 13. Sept. 1847.
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Reformverſuche am Bundestage.
den preußiſchen Antrag von Monat zu Monat hinaus, und als ſie im
September endlich doch ſtattfand, da beantragte er, wie üblich, die Ein-
holung von Inſtructionen. *) Darüber mußten wieder viele Monate ver-
gehen, und die vereinzelten Abſtimmungen, welche nach und nach einliefen,
bewieſen genugſam, daß man ſich nicht einigen konnte. Baiern erklärte
(Jan. 1848), ein Bundesgeſetz ſcheine überflüſſig, für Baierns Preſſe
genüge die freie bairiſche Verfaſſung vollkommen. Alſo ward auch dies
vaterländiſche Unternehmen in den großen Schiffbruch des Bundes hin-
eingeriſſen.
Nicht minder vergeblich arbeiteten Württemberg und Preußen ſelb-
ander für eine andere nöthige Verbeſſerung. König Wilhelm hatte während
der Theuerung des letzten Winters erfahren, wie beklommen ſich die ſtolze
Hofburg vor der Oeffentlichkeit fühlte. Damals war dem nach Württem-
berg beſtimmten öſterreichiſchen Getreide der Ausgang auf der Donau
plötzlich geſperrt, aber nach langem Streite augenblicklich frei gegeben
worden ſobald Württemberg drohte den Hergang zu veröffentlichen. Auf
Grund dieſer Erfahrung entſchloß ſich der kluge Schwabenkönig, in Frank-
furt (26. März 1847) die Veröffentlichung der wichtigſten Bundesprotocolle
zu beantragen. Wieder ſuchte Münch die Berathung hinzuhalten; Dönhoff
aber erſtattete im September einen Ausſchußbericht, der noch über Württem-
bergs beſcheidenen Antrag hinausging. Der Preuße erwähnte, daß ſelbſt der
Regensburger Reichstag ſeine Sitzungsberichte ſtets herausgegeben hatte,
und verlangte kurzweg Rückkehr zu der alten Ordnung, wie ſie vor dem
Jahre 1824 beſtanden: alſo die Oeffentlichkeit als Regel, mit Vorbehalt
einzelner Ausnahmen. Der geſammte Ausſchuß ſtimmte ihm zu — ſo
mächtig drang der Luftzug der öffentlichen Meinung ſchon in den Bundes-
tag ein. Nur Oeſterreich widerſprach. Münch gehörte dem Ausſchuß ſelber
an, hatte aber keiner einzigen Sitzung beigewohnt. Jetzt erklärte er im
Namen ſeines Hofes: die Geheimhaltung ſei entſchieden vorzuziehen, aller-
höchſtens könne man zugeben, daß die Protokolle nach ſorgfältiger Aus-
wahl am Ende jeder Sitzungsperiode veröffentlicht würden, aber nicht in
den Zeitungen, ſondern in einer beſonderen Sammlung. Nun wurde
wieder die Einholung von Inſtructionen beſchloſſen, und der Antrag blieb
liegen — bis zum Zuſammenbruch. Die Könige von Preußen und Württem-
berg aber erfuhren handgreiflich den Unſegen des Bundesgeheimniſſes;
über alle ihre ehrlichen Reformbeſtrebungen verlauteten in der Nation nur
unbeſtimmte Gerüchte. **)
Auch außerhalb des Bundestags bemühte ſich der Berliner Hof um ge-
ſammtdeutſche Reformen. Auf ſeinen Betrieb verſammelte ſich zu Dresden
im Spätjahr 1847 eine deutſche Poſtconferenz, die aber wenig zu Stande
*) Dönhoff’s Berichte, 23. Juli, 9. Sept. 1847.
**) Dönhoff’s Bericht, 13. Sept. 1847.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/711>, abgerufen am 22.11.2024.
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