an Bernstorff (9. März): "Man bietet uns eine entente cordiale an ohne uns Bedingungen zu machen; man gesteht, daß das bisherige Be- nehmen einer Aenderung bedürfe, die uns nur erwünscht sein kann ... Ist aber das Verhältniß nicht einigermaßen dem zu vergleichen, wo ein in den Koth gefallener Freund seine Hand ausstreckt?" Darum rieth er, "die angebotene Gelegenheit zu benutzen, ohne uns jedoch in den Skandal verflechten zu lassen, damit jeder Schein vermieden werde, als wäre Lola Montez unsere Alliirte oder als drückten wir beide Augen zu um gegen Herrn v. Abel & Co. Vortheile zu gewinnen".*) Und als nun der un- glückliche Wittelsbacher tief und tiefer in die Netze seiner Geliebten hinein gerieth, auch ihre politische Macht beständig zunahm, da schrieb Canitz (17. Aug.): "Es haben mehrere Könige mit Tänzerinnen gelebt; das ist nicht lobenswerth, doch ist es möglich dabei zu bestehen, wenn die Ge- schichte in gehörigen Schranken bleibt. Aber diese Verknüpfung von Re- gierungssystem und Verliebtheit in eine vagabundirende Grazie, das ist eine neue Erscheinung; und damit zu bestehen ist ebenso unmöglich wie mit Sonetten in heutiger Zeit zu regieren. Der Würde des Königthums geschieht unberechenbar größerer Schaden durch solchen Unfug als durch allen den, welchen die Demagogen anzetteln."**)
Das Urtheil war sehr hart, aber nicht ungerecht. Das dämonische Weib verpestete allmählich das ganze Land, unter solchem Schutze erschienen auch die wohlmeinenden Minister Maurer, Zu Rhein, Zenetti in falschem Lichte. Die beiden Parteien der Ultramontanen und der "Lolamontanen" bekämpften einander mit niederträchtigen Schmähungen. Lola selbst schrieb in die Allgemeine Zeitung: "Müde die Zielscheibe so vieler heimlichen und öffentlichen, mündlichen, brieflichen und gedruckten Bosheiten zu sein, erkläre ich Jeden für einen ehrlosen Verleumder, der sich auf irgend eine Weise eine üble Nachrede gegen mich erlaubt ohne sie beweisen zu können." Bei Hoffmann und Campe in Hamburg, den Verlegern der jungdeutschen Radicalen, ließ P. Erdmann eine Verherrlichung der freien Liebe erscheinen: Lola Montez und die Jesuiten. Das Buch begann mit dem Satze: "die Welt ist noch keineswegs darüber im Reinen, was denn eigentlich Sitt- lichkeit sei," und schloß mit einer Betrachtung über den Ausspruch aus Heinse's Ardinghello: "wir können uns von dem Krebsschaden der Vor- urtheile vieler Jahrtausende noch nicht heilen." Von der anderen Seite her kamen Brandschriften wie: "Lola Montez, oder das Mensch gehört dem Könige;" Ludwig's Sonett auf "das entscheidende Ereigniß" wurde unzähligemal parodirt, eines der Spottgedichte schloß: "die schlechtste Metze hat Dich nun gerichtet." Die Schmutzerei ward unsagbar ekelhaft. Welche Verwirrung diese tollen bairischen Händel überall in den Köpfen an-
*) Canitz, Weisung an Bernstorff, nebst Begleitschreiben, 9. März 1847.
**) Canitz an Bernstorff, 17. Aug. 1847.
V. 9. Der Niedergang des Deutſchen Bundes.
an Bernſtorff (9. März): „Man bietet uns eine entente cordiale an ohne uns Bedingungen zu machen; man geſteht, daß das bisherige Be- nehmen einer Aenderung bedürfe, die uns nur erwünſcht ſein kann … Iſt aber das Verhältniß nicht einigermaßen dem zu vergleichen, wo ein in den Koth gefallener Freund ſeine Hand ausſtreckt?“ Darum rieth er, „die angebotene Gelegenheit zu benutzen, ohne uns jedoch in den Skandal verflechten zu laſſen, damit jeder Schein vermieden werde, als wäre Lola Montez unſere Alliirte oder als drückten wir beide Augen zu um gegen Herrn v. Abel & Co. Vortheile zu gewinnen“.*) Und als nun der un- glückliche Wittelsbacher tief und tiefer in die Netze ſeiner Geliebten hinein gerieth, auch ihre politiſche Macht beſtändig zunahm, da ſchrieb Canitz (17. Aug.): „Es haben mehrere Könige mit Tänzerinnen gelebt; das iſt nicht lobenswerth, doch iſt es möglich dabei zu beſtehen, wenn die Ge- ſchichte in gehörigen Schranken bleibt. Aber dieſe Verknüpfung von Re- gierungsſyſtem und Verliebtheit in eine vagabundirende Grazie, das iſt eine neue Erſcheinung; und damit zu beſtehen iſt ebenſo unmöglich wie mit Sonetten in heutiger Zeit zu regieren. Der Würde des Königthums geſchieht unberechenbar größerer Schaden durch ſolchen Unfug als durch allen den, welchen die Demagogen anzetteln.“**)
Das Urtheil war ſehr hart, aber nicht ungerecht. Das dämoniſche Weib verpeſtete allmählich das ganze Land, unter ſolchem Schutze erſchienen auch die wohlmeinenden Miniſter Maurer, Zu Rhein, Zenetti in falſchem Lichte. Die beiden Parteien der Ultramontanen und der „Lolamontanen“ bekämpften einander mit niederträchtigen Schmähungen. Lola ſelbſt ſchrieb in die Allgemeine Zeitung: „Müde die Zielſcheibe ſo vieler heimlichen und öffentlichen, mündlichen, brieflichen und gedruckten Bosheiten zu ſein, erkläre ich Jeden für einen ehrloſen Verleumder, der ſich auf irgend eine Weiſe eine üble Nachrede gegen mich erlaubt ohne ſie beweiſen zu können.“ Bei Hoffmann und Campe in Hamburg, den Verlegern der jungdeutſchen Radicalen, ließ P. Erdmann eine Verherrlichung der freien Liebe erſcheinen: Lola Montez und die Jeſuiten. Das Buch begann mit dem Satze: „die Welt iſt noch keineswegs darüber im Reinen, was denn eigentlich Sitt- lichkeit ſei,“ und ſchloß mit einer Betrachtung über den Ausſpruch aus Heinſe’s Ardinghello: „wir können uns von dem Krebsſchaden der Vor- urtheile vieler Jahrtauſende noch nicht heilen.“ Von der anderen Seite her kamen Brandſchriften wie: „Lola Montez, oder das Menſch gehört dem Könige;“ Ludwig’s Sonett auf „das entſcheidende Ereigniß“ wurde unzähligemal parodirt, eines der Spottgedichte ſchloß: „die ſchlechtſte Metze hat Dich nun gerichtet.“ Die Schmutzerei ward unſagbar ekelhaft. Welche Verwirrung dieſe tollen bairiſchen Händel überall in den Köpfen an-
*) Canitz, Weiſung an Bernſtorff, nebſt Begleitſchreiben, 9. März 1847.
**) Canitz an Bernſtorff, 17. Aug. 1847.
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ohne uns Bedingungen zu machen; man geſteht, daß das bisherige Be-
nehmen einer Aenderung bedürfe, die uns nur erwünſcht ſein kann …
Iſt aber das Verhältniß nicht einigermaßen dem zu vergleichen, wo ein
in den Koth gefallener Freund ſeine Hand ausſtreckt?“ Darum rieth er,
„die angebotene Gelegenheit zu benutzen, ohne uns jedoch in den Skandal
verflechten zu laſſen, damit jeder Schein vermieden werde, als wäre Lola
Montez unſere Alliirte oder als drückten wir beide Augen zu um gegen
Herrn v. Abel & Co. Vortheile zu gewinnen“. *) Und als nun der un-
glückliche Wittelsbacher tief und tiefer in die Netze ſeiner Geliebten hinein
gerieth, auch ihre politiſche Macht beſtändig zunahm, da ſchrieb Canitz
(17. Aug.): „Es haben mehrere Könige mit Tänzerinnen gelebt; das iſt
nicht lobenswerth, doch iſt es möglich dabei zu beſtehen, wenn die Ge-
ſchichte in gehörigen Schranken bleibt. Aber dieſe Verknüpfung von Re-
gierungsſyſtem und Verliebtheit in eine vagabundirende Grazie, das iſt
eine neue Erſcheinung; und damit zu beſtehen iſt ebenſo unmöglich wie
mit Sonetten in heutiger Zeit zu regieren. Der Würde des Königthums
geſchieht unberechenbar größerer Schaden durch ſolchen Unfug als durch
allen den, welchen die Demagogen anzetteln.“ **)
Das Urtheil war ſehr hart, aber nicht ungerecht. Das dämoniſche
Weib verpeſtete allmählich das ganze Land, unter ſolchem Schutze erſchienen
auch die wohlmeinenden Miniſter Maurer, Zu Rhein, Zenetti in falſchem
Lichte. Die beiden Parteien der Ultramontanen und der „Lolamontanen“
bekämpften einander mit niederträchtigen Schmähungen. Lola ſelbſt ſchrieb
in die Allgemeine Zeitung: „Müde die Zielſcheibe ſo vieler heimlichen
und öffentlichen, mündlichen, brieflichen und gedruckten Bosheiten zu ſein,
erkläre ich Jeden für einen ehrloſen Verleumder, der ſich auf irgend eine
Weiſe eine üble Nachrede gegen mich erlaubt ohne ſie beweiſen zu können.“
Bei Hoffmann und Campe in Hamburg, den Verlegern der jungdeutſchen
Radicalen, ließ P. Erdmann eine Verherrlichung der freien Liebe erſcheinen:
Lola Montez und die Jeſuiten. Das Buch begann mit dem Satze: „die
Welt iſt noch keineswegs darüber im Reinen, was denn eigentlich Sitt-
lichkeit ſei,“ und ſchloß mit einer Betrachtung über den Ausſpruch aus
Heinſe’s Ardinghello: „wir können uns von dem Krebsſchaden der Vor-
urtheile vieler Jahrtauſende noch nicht heilen.“ Von der anderen Seite
her kamen Brandſchriften wie: „Lola Montez, oder das Menſch gehört
dem Könige;“ Ludwig’s Sonett auf „das entſcheidende Ereigniß“ wurde
unzähligemal parodirt, eines der Spottgedichte ſchloß: „die ſchlechtſte Metze
hat Dich nun gerichtet.“ Die Schmutzerei ward unſagbar ekelhaft.
Welche Verwirrung dieſe tollen bairiſchen Händel überall in den Köpfen an-
*) Canitz, Weiſung an Bernſtorff, nebſt Begleitſchreiben, 9. März 1847.
**) Canitz an Bernſtorff, 17. Aug. 1847.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/672>, abgerufen am 23.07.2024.
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