sich und vermahnte sie scharf wegen jenes Duells: "sonst wird von dem was man Gnade nennt nicht mehr die Rede sein." Als sie sich verthei- digten, belehrte er sie durch den Oberpräsidenten also: "daß die ritterliche Treue gegen den Landesherrn auch in ihrer Uebertreibung schön und herzerwärmend sein kann, daß hingegen die auch noch so indirecte Scho- nung entgegengesetzter Tendenzen und die Verweigerung, die Hand zu einem edlen Werke des Friedens zu bieten unschön und herzerkältend ist." Der "skandalöse Coblenzer Casinobeschluß" erbitterte ihn tief, und über die Kölner Zwistigkeiten schrieb er gar: "Sollte das Canaillen-Pack die Ober- hand im Casino behalten, so müssen die Civil- und Justizbehörden "Alle" auf dem Fleck ausscheiden. Wer etwa nicht will, zeigt dadurch eine so qualificirte Gesinnung, daß die Erklärung im Voraus gerechtfertigt ist: es werde ihr Verharren in einer solchen Gemeinschaft als ihr Abschiedsgesuch betrachtet werden. Hier gilts Charakter und Energie zeigen."*)
Für das Heer hatte Friedrich Wilhelm niemals eine große Umgestal- tung beabsichtigt. Die so lange vorbereitete Justizreform hingegen lag ihm nahe am Herzen, und wie wenig entsprach der große Gelehrte, dem er diese Aufgabe anvertraut hatte, seinen Erwartungen. Von der leben- digen Legislation, welche Savigny's Freunde erwarteten, ließ sich wenig spüren: das Preßgesetz kam nicht zu Stande, das Ehescheidungsgesetz blieb ein Bruchstück. Glänzende wissenschaftliche Namen, wie sie in solcher Fülle noch keinem modernen Gesetzgeber zu Gebote gestanden hatten, wurden nach und nach zur Mitarbeit herbeigerufen: C. F. Eichhorn, Puchta, Homeyer, Stahl, Heffter, Bethmann-Hollweg und Andere; und doch wollte nichts gelingen. Niemals hat sich so unwiderleglich die Wahrheit erwiesen, daß alle Rechtspflege eine politische Thätigkeit ist und die Gelehrsamkeit allein für sie nicht ausreicht. Vor langen Jahren schon, alsbald nach dem Erscheinen von Savigny's classischer Schrift über den Beruf zur Gesetzgebung, war ihm sein Schwager Achim Arnim entgegengetreten um das Recht der Gegenwart wider den Historiker zu vertheidigen. Selber ganz von der romantischen Weltanschauung erfüllt, kannte Arnim doch als märkischer Edelmann und Gerichtsherr das Leben der kleinen Leute aus der Nähe und bat den gelehrten Schwager, er möge den praktischen Segen einer gemeinverständlichen, deutschen, modernen Gesetzgebung nicht unterschätzen; im Preußischen halte selbst der Bauer das Rechtswesen nicht wie in den Ländern des gemeinen Rechts "für eine geheimnißvolle Geister- beschwörung und Glücksspielerei, sondern für etwas Treues, Ehrliches und sehr Würdiges"; gleich der lutherischen Bibel würde das Preußische Landrecht im Volke nicht eigentlich gelesen, wohl aber oft und mit gutem Erfolge nachgeschlagen. Solche Laien-Erfahrungen beirrten den genialen Juristen
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 22. Febr. 1844, 23. Febr. 1847.
V. 8. Der Vereinigte Landtag.
ſich und vermahnte ſie ſcharf wegen jenes Duells: „ſonſt wird von dem was man Gnade nennt nicht mehr die Rede ſein.“ Als ſie ſich verthei- digten, belehrte er ſie durch den Oberpräſidenten alſo: „daß die ritterliche Treue gegen den Landesherrn auch in ihrer Uebertreibung ſchön und herzerwärmend ſein kann, daß hingegen die auch noch ſo indirecte Scho- nung entgegengeſetzter Tendenzen und die Verweigerung, die Hand zu einem edlen Werke des Friedens zu bieten unſchön und herzerkältend iſt.“ Der „ſkandalöſe Coblenzer Caſinobeſchluß“ erbitterte ihn tief, und über die Kölner Zwiſtigkeiten ſchrieb er gar: „Sollte das Canaillen-Pack die Ober- hand im Caſino behalten, ſo müſſen die Civil- und Juſtizbehörden „Alle“ auf dem Fleck ausſcheiden. Wer etwa nicht will, zeigt dadurch eine ſo qualificirte Geſinnung, daß die Erklärung im Voraus gerechtfertigt iſt: es werde ihr Verharren in einer ſolchen Gemeinſchaft als ihr Abſchiedsgeſuch betrachtet werden. Hier gilts Charakter und Energie zeigen.“*)
Für das Heer hatte Friedrich Wilhelm niemals eine große Umgeſtal- tung beabſichtigt. Die ſo lange vorbereitete Juſtizreform hingegen lag ihm nahe am Herzen, und wie wenig entſprach der große Gelehrte, dem er dieſe Aufgabe anvertraut hatte, ſeinen Erwartungen. Von der leben- digen Legislation, welche Savigny’s Freunde erwarteten, ließ ſich wenig ſpüren: das Preßgeſetz kam nicht zu Stande, das Eheſcheidungsgeſetz blieb ein Bruchſtück. Glänzende wiſſenſchaftliche Namen, wie ſie in ſolcher Fülle noch keinem modernen Geſetzgeber zu Gebote geſtanden hatten, wurden nach und nach zur Mitarbeit herbeigerufen: C. F. Eichhorn, Puchta, Homeyer, Stahl, Heffter, Bethmann-Hollweg und Andere; und doch wollte nichts gelingen. Niemals hat ſich ſo unwiderleglich die Wahrheit erwieſen, daß alle Rechtspflege eine politiſche Thätigkeit iſt und die Gelehrſamkeit allein für ſie nicht ausreicht. Vor langen Jahren ſchon, alsbald nach dem Erſcheinen von Savigny’s claſſiſcher Schrift über den Beruf zur Geſetzgebung, war ihm ſein Schwager Achim Arnim entgegengetreten um das Recht der Gegenwart wider den Hiſtoriker zu vertheidigen. Selber ganz von der romantiſchen Weltanſchauung erfüllt, kannte Arnim doch als märkiſcher Edelmann und Gerichtsherr das Leben der kleinen Leute aus der Nähe und bat den gelehrten Schwager, er möge den praktiſchen Segen einer gemeinverſtändlichen, deutſchen, modernen Geſetzgebung nicht unterſchätzen; im Preußiſchen halte ſelbſt der Bauer das Rechtsweſen nicht wie in den Ländern des gemeinen Rechts „für eine geheimnißvolle Geiſter- beſchwörung und Glücksſpielerei, ſondern für etwas Treues, Ehrliches und ſehr Würdiges“; gleich der lutheriſchen Bibel würde das Preußiſche Landrecht im Volke nicht eigentlich geleſen, wohl aber oft und mit gutem Erfolge nachgeſchlagen. Solche Laien-Erfahrungen beirrten den genialen Juriſten
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 22. Febr. 1844, 23. Febr. 1847.
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V. 8. Der Vereinigte Landtag.
ſich und vermahnte ſie ſcharf wegen jenes Duells: „ſonſt wird von dem
was man Gnade nennt nicht mehr die Rede ſein.“ Als ſie ſich verthei-
digten, belehrte er ſie durch den Oberpräſidenten alſo: „daß die ritterliche
Treue gegen den Landesherrn auch in ihrer Uebertreibung ſchön und
herzerwärmend ſein kann, daß hingegen die auch noch ſo indirecte Scho-
nung entgegengeſetzter Tendenzen und die Verweigerung, die Hand zu
einem edlen Werke des Friedens zu bieten unſchön und herzerkältend iſt.“
Der „ſkandalöſe Coblenzer Caſinobeſchluß“ erbitterte ihn tief, und über die
Kölner Zwiſtigkeiten ſchrieb er gar: „Sollte das Canaillen-Pack die Ober-
hand im Caſino behalten, ſo müſſen die Civil- und Juſtizbehörden „Alle“
auf dem Fleck ausſcheiden. Wer etwa nicht will, zeigt dadurch eine ſo
qualificirte Geſinnung, daß die Erklärung im Voraus gerechtfertigt iſt:
es werde ihr Verharren in einer ſolchen Gemeinſchaft als ihr
Abſchiedsgeſuch betrachtet werden. Hier gilts Charakter und Energie
zeigen.“ *)
Für das Heer hatte Friedrich Wilhelm niemals eine große Umgeſtal-
tung beabſichtigt. Die ſo lange vorbereitete Juſtizreform hingegen lag
ihm nahe am Herzen, und wie wenig entſprach der große Gelehrte, dem
er dieſe Aufgabe anvertraut hatte, ſeinen Erwartungen. Von der leben-
digen Legislation, welche Savigny’s Freunde erwarteten, ließ ſich wenig
ſpüren: das Preßgeſetz kam nicht zu Stande, das Eheſcheidungsgeſetz
blieb ein Bruchſtück. Glänzende wiſſenſchaftliche Namen, wie ſie in ſolcher
Fülle noch keinem modernen Geſetzgeber zu Gebote geſtanden hatten, wurden
nach und nach zur Mitarbeit herbeigerufen: C. F. Eichhorn, Puchta,
Homeyer, Stahl, Heffter, Bethmann-Hollweg und Andere; und doch wollte
nichts gelingen. Niemals hat ſich ſo unwiderleglich die Wahrheit erwieſen,
daß alle Rechtspflege eine politiſche Thätigkeit iſt und die Gelehrſamkeit
allein für ſie nicht ausreicht. Vor langen Jahren ſchon, alsbald nach
dem Erſcheinen von Savigny’s claſſiſcher Schrift über den Beruf zur
Geſetzgebung, war ihm ſein Schwager Achim Arnim entgegengetreten um
das Recht der Gegenwart wider den Hiſtoriker zu vertheidigen. Selber
ganz von der romantiſchen Weltanſchauung erfüllt, kannte Arnim doch
als märkiſcher Edelmann und Gerichtsherr das Leben der kleinen Leute
aus der Nähe und bat den gelehrten Schwager, er möge den praktiſchen
Segen einer gemeinverſtändlichen, deutſchen, modernen Geſetzgebung nicht
unterſchätzen; im Preußiſchen halte ſelbſt der Bauer das Rechtsweſen nicht
wie in den Ländern des gemeinen Rechts „für eine geheimnißvolle Geiſter-
beſchwörung und Glücksſpielerei, ſondern für etwas Treues, Ehrliches und
ſehr Würdiges“; gleich der lutheriſchen Bibel würde das Preußiſche Landrecht
im Volke nicht eigentlich geleſen, wohl aber oft und mit gutem Erfolge
nachgeſchlagen. Solche Laien-Erfahrungen beirrten den genialen Juriſten
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 22. Febr. 1844, 23. Febr. 1847.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/612>, abgerufen am 23.11.2024.
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