ihm besser als das gemessene Wesen der Schleswigholsteiner. Den libe- ralen Ideen war er nicht feind, obgleich er eigentlich gar keine politischen Grundsätze besaß. Von seinem Vater hatte er nichts geerbt als die Furcht- samkeit und die unkriegerischen bequemen Gewohnheiten. Frisch und männ- lich erschien der Schwerfällige nur, sobald er an Bord eines Schiffes trat; wenn ihn irgend etwas begeistern konnte, so waren es die Erinnerungen an die Seekönige des Nordens, und das alte Volkslied: König Christian stand am hohen Mast!
Der alte König hatte noch während seiner letzten Krankheit in einem langen Briefe seine Rathschläge für die neue Regierung niedergelegt. Der Nachfolger zeigte sich zuerst ganz als guter Sohn; er ernannte, nach des Vaters Wunsche, den Grafen Carl Moltke zum Staatsminister und ver- kündete durch ein Manifest alsbald den Entschluß, die von seinem Vor- gänger "beabsichtigte Ordnung der öffentlichen Verhältnisse zu Ende zu bringen". Die den politischen Verbrechern gewährte Amnestie mußte den Herzogthümern freilich wie Hohn klingen, weil dort keiner der zahlreichen Processe zu einer Verurtheilung geführt hatte. Aber schon am 28. Jan. berief ein königliches Kanzlei-Patent 52 erfahrene Männer, je 26 aus dem König- reiche und aus Schleswigholstein, nach der Hauptstadt um ihr Gutachten abzugeben über die Gesammtstaatsverfassung des verstorbenen Monarchen. Sechzehn davon ernannte der König selbst, die übrigen wurden vom Lande erwählt. Auch die Form war klug berechnet; das Patent sprach immer nur von "Unserem Königreich Dänemark und Unseren Herzogthümern Schleswig und Holstein", es schien also die staatsrechtliche Verbindung der beiden deutschen Lande stillschweigend anzuerkennen. Der Verfassungsplan schloß sich eng an das Vorbild Preußens an; die Provinziallandtage blieben erhalten, doch über ihnen stand künftighin ein Gesammtstaats-Reichstag, der, bald im Königreiche bald in den Herzogthümern tagend, über ge- meinsame Gesetze und neue Steuern frei beschließen sollte. Es war das letzte Meisterstück des listigen alten Königs. Die scheinbare Gleichstellung der beiden ungleichen Hälften des Gesammtstaats sollte den Deutschen schmeicheln; und doch konnte die Krone hoffen, durch ihre sechzehn Ver- trauensmänner sowohl die Schleswigholsteiner wie die radicalen Eider- dänen niederzuhalten. Hätte König Christian noch gelebt, so war ein Er- folg, freilich nur für den Augenblick, vielleicht denkbar. Doch was ließ sich jetzt erwarten, unter einem Monarchen, dem die Dänen niemals Ach- tung, die Deutschen niemals Vertrauen schenken konnten?
Sowie der alte König die Augen geschlossen hatte, trat die Kopenhagener Demokratie höchst ungebärdig auf. Eine Schrift der Professoren Clausen und Schouw verkündete sofort in ungestümer, drohender Sprache das eider- dänische Programm: Danisirung Schleswigs, Abtrennung Holsteins. Eine Versammlung von Stadtvertretern, die der alte Heißsporn Etatsrath Hvidt berufen hatte, sendete dem neuen Herrscher eine Deputation in's Schloß
Geſammtſtaats-Pläne. Friedrich VII.
ihm beſſer als das gemeſſene Weſen der Schleswigholſteiner. Den libe- ralen Ideen war er nicht feind, obgleich er eigentlich gar keine politiſchen Grundſätze beſaß. Von ſeinem Vater hatte er nichts geerbt als die Furcht- ſamkeit und die unkriegeriſchen bequemen Gewohnheiten. Friſch und männ- lich erſchien der Schwerfällige nur, ſobald er an Bord eines Schiffes trat; wenn ihn irgend etwas begeiſtern konnte, ſo waren es die Erinnerungen an die Seekönige des Nordens, und das alte Volkslied: König Chriſtian ſtand am hohen Maſt!
Der alte König hatte noch während ſeiner letzten Krankheit in einem langen Briefe ſeine Rathſchläge für die neue Regierung niedergelegt. Der Nachfolger zeigte ſich zuerſt ganz als guter Sohn; er ernannte, nach des Vaters Wunſche, den Grafen Carl Moltke zum Staatsminiſter und ver- kündete durch ein Manifeſt alsbald den Entſchluß, die von ſeinem Vor- gänger „beabſichtigte Ordnung der öffentlichen Verhältniſſe zu Ende zu bringen“. Die den politiſchen Verbrechern gewährte Amneſtie mußte den Herzogthümern freilich wie Hohn klingen, weil dort keiner der zahlreichen Proceſſe zu einer Verurtheilung geführt hatte. Aber ſchon am 28. Jan. berief ein königliches Kanzlei-Patent 52 erfahrene Männer, je 26 aus dem König- reiche und aus Schleswigholſtein, nach der Hauptſtadt um ihr Gutachten abzugeben über die Geſammtſtaatsverfaſſung des verſtorbenen Monarchen. Sechzehn davon ernannte der König ſelbſt, die übrigen wurden vom Lande erwählt. Auch die Form war klug berechnet; das Patent ſprach immer nur von „Unſerem Königreich Dänemark und Unſeren Herzogthümern Schleswig und Holſtein“, es ſchien alſo die ſtaatsrechtliche Verbindung der beiden deutſchen Lande ſtillſchweigend anzuerkennen. Der Verfaſſungsplan ſchloß ſich eng an das Vorbild Preußens an; die Provinziallandtage blieben erhalten, doch über ihnen ſtand künftighin ein Geſammtſtaats-Reichstag, der, bald im Königreiche bald in den Herzogthümern tagend, über ge- meinſame Geſetze und neue Steuern frei beſchließen ſollte. Es war das letzte Meiſterſtück des liſtigen alten Königs. Die ſcheinbare Gleichſtellung der beiden ungleichen Hälften des Geſammtſtaats ſollte den Deutſchen ſchmeicheln; und doch konnte die Krone hoffen, durch ihre ſechzehn Ver- trauensmänner ſowohl die Schleswigholſteiner wie die radicalen Eider- dänen niederzuhalten. Hätte König Chriſtian noch gelebt, ſo war ein Er- folg, freilich nur für den Augenblick, vielleicht denkbar. Doch was ließ ſich jetzt erwarten, unter einem Monarchen, dem die Dänen niemals Ach- tung, die Deutſchen niemals Vertrauen ſchenken konnten?
Sowie der alte König die Augen geſchloſſen hatte, trat die Kopenhagener Demokratie höchſt ungebärdig auf. Eine Schrift der Profeſſoren Clauſen und Schouw verkündete ſofort in ungeſtümer, drohender Sprache das eider- däniſche Programm: Daniſirung Schleswigs, Abtrennung Holſteins. Eine Verſammlung von Stadtvertretern, die der alte Heißſporn Etatsrath Hvidt berufen hatte, ſendete dem neuen Herrſcher eine Deputation in’s Schloß
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Geſammtſtaats-Pläne. Friedrich VII.
ihm beſſer als das gemeſſene Weſen der Schleswigholſteiner. Den libe-
ralen Ideen war er nicht feind, obgleich er eigentlich gar keine politiſchen
Grundſätze beſaß. Von ſeinem Vater hatte er nichts geerbt als die Furcht-
ſamkeit und die unkriegeriſchen bequemen Gewohnheiten. Friſch und männ-
lich erſchien der Schwerfällige nur, ſobald er an Bord eines Schiffes trat;
wenn ihn irgend etwas begeiſtern konnte, ſo waren es die Erinnerungen
an die Seekönige des Nordens, und das alte Volkslied: König Chriſtian
ſtand am hohen Maſt!
Der alte König hatte noch während ſeiner letzten Krankheit in einem
langen Briefe ſeine Rathſchläge für die neue Regierung niedergelegt. Der
Nachfolger zeigte ſich zuerſt ganz als guter Sohn; er ernannte, nach des
Vaters Wunſche, den Grafen Carl Moltke zum Staatsminiſter und ver-
kündete durch ein Manifeſt alsbald den Entſchluß, die von ſeinem Vor-
gänger „beabſichtigte Ordnung der öffentlichen Verhältniſſe zu Ende zu
bringen“. Die den politiſchen Verbrechern gewährte Amneſtie mußte den
Herzogthümern freilich wie Hohn klingen, weil dort keiner der zahlreichen
Proceſſe zu einer Verurtheilung geführt hatte. Aber ſchon am 28. Jan. berief
ein königliches Kanzlei-Patent 52 erfahrene Männer, je 26 aus dem König-
reiche und aus Schleswigholſtein, nach der Hauptſtadt um ihr Gutachten
abzugeben über die Geſammtſtaatsverfaſſung des verſtorbenen Monarchen.
Sechzehn davon ernannte der König ſelbſt, die übrigen wurden vom Lande
erwählt. Auch die Form war klug berechnet; das Patent ſprach immer
nur von „Unſerem Königreich Dänemark und Unſeren Herzogthümern
Schleswig und Holſtein“, es ſchien alſo die ſtaatsrechtliche Verbindung der
beiden deutſchen Lande ſtillſchweigend anzuerkennen. Der Verfaſſungsplan
ſchloß ſich eng an das Vorbild Preußens an; die Provinziallandtage blieben
erhalten, doch über ihnen ſtand künftighin ein Geſammtſtaats-Reichstag,
der, bald im Königreiche bald in den Herzogthümern tagend, über ge-
meinſame Geſetze und neue Steuern frei beſchließen ſollte. Es war das
letzte Meiſterſtück des liſtigen alten Königs. Die ſcheinbare Gleichſtellung
der beiden ungleichen Hälften des Geſammtſtaats ſollte den Deutſchen
ſchmeicheln; und doch konnte die Krone hoffen, durch ihre ſechzehn Ver-
trauensmänner ſowohl die Schleswigholſteiner wie die radicalen Eider-
dänen niederzuhalten. Hätte König Chriſtian noch gelebt, ſo war ein Er-
folg, freilich nur für den Augenblick, vielleicht denkbar. Doch was ließ
ſich jetzt erwarten, unter einem Monarchen, dem die Dänen niemals Ach-
tung, die Deutſchen niemals Vertrauen ſchenken konnten?
Sowie der alte König die Augen geſchloſſen hatte, trat die Kopenhagener
Demokratie höchſt ungebärdig auf. Eine Schrift der Profeſſoren Clauſen
und Schouw verkündete ſofort in ungeſtümer, drohender Sprache das eider-
däniſche Programm: Daniſirung Schleswigs, Abtrennung Holſteins. Eine
Verſammlung von Stadtvertretern, die der alte Heißſporn Etatsrath Hvidt
berufen hatte, ſendete dem neuen Herrſcher eine Deputation in’s Schloß
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/601>, abgerufen am 26.11.2024.
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