hatte, und zeigte hier zum ersten male öffentlich, wie viel bildsamer er war als die anderen Vertrauten König Friedrich Wilhelm's. Unter allen namhaften deutschen Rechtsgelehrten wagte nur einer den Dänenkönig zu vertheidigen: Minister Kamptz, der alte Demagogenverfolger, dessen Name schon abschreckend wirken mußte. Der entfaltete in seinen "Be- merkungen über den Offenen Brief" eine reiche, aber ganz verworrene Ge- lehrsamkeit; die Schleswigholsteiner erklärte er kurzweg für Rebellen, und daß Schleswig die Deutschen gar nichts anging ergab sich ja schon aus der Bundesakte.
Nach diesem Juristenstreit und den alten Pergamenten fragte die Nation wenig, sie kannte die Augustenburger gar nicht. Was die Deutschen entflammte war das nationale Selbstgefühl. Geibel fand wieder das rechte Wort, als er den hohen Sinn des Kampfes dahin zusammenfaßte:
Wir wollen keine Dänen sein, Wir wollen Deutsche bleiben.
Und dies Gefühl bekundete sich in den leidenschaftlichen Berathungen der kleinen deutschen Landtage so übermächtig, daß selbst die Fürsten sich ihm nicht ganz entziehen konnten; ihr eigenes Heiligthum, das legitime Dynasten- recht wurde ja durch Dänemarks Gewaltstreiche nicht weniger bedroht als die nationale Ehre. Zudem reisten die holsteinischen Prinzen an den Höfen geschäftig umher; auch die Stände der Herzogthümer sendeten Tiede- mann und andere Vertrauensmänner zu den kleinen Regierungen um ihnen das Landesrecht der Nordmark an's Herz zu legen. Besonders freundlich zeigte sich, seltsam genug, der alte Welfe. Der hatte bei den Lüneburger Manövern des zehnten Bundesarmeecorps selbst mit angehört, wie die holsteinischen Soldaten, wenn man sie Dänen nannte, heftig er- widerten: wir sind gute Deutsche; er schätzte den Augustenburger persönlich hoch und wurde durch seinen Berliner Gesandten, den Grafen Platen, dessen Verwandtschaft dem holsteinischen Adel angehörte, in seiner guten Gesinnung bestärkt.*) Nach Alledem schien den Beschwerden beim Bun- destage ein günstiger Erfolg sicher zu sein.
Ganz anders dachten die großen Mächte. Sie bekannten sich alle zu dem unverbrüchlichen Glaubenssatze, die Integrität der dänischen Mon- archie sei nothwendig für die Erhaltung des europäischen Gleichgewichts. Unschuldige Leute mochten wohl verwundert fragen: warum denn Europas Gleichgewicht erschüttert werden sollte, wenn der kleine Staat am Sund und Belt von drittehalb auf anderthalb Millionen herabsänke? Wer tiefer blickte, konnte jedoch nicht verkennen, daß die Meinung der großen Höfe ernste Gründe hatte; sie wurzelte nicht blos in der Ruheseligkeit der Zeit, sondern in der allgemeinen Angst vor Deutschlands Erstarken. Das von Dänemark losgerissene Schleswigholstein mußte -- Niemand bezweifelte
*) Platen's Berichte, 6. Juli 1847 ff.
V. 7. Polen und Schleswigholſtein.
hatte, und zeigte hier zum erſten male öffentlich, wie viel bildſamer er war als die anderen Vertrauten König Friedrich Wilhelm’s. Unter allen namhaften deutſchen Rechtsgelehrten wagte nur einer den Dänenkönig zu vertheidigen: Miniſter Kamptz, der alte Demagogenverfolger, deſſen Name ſchon abſchreckend wirken mußte. Der entfaltete in ſeinen „Be- merkungen über den Offenen Brief“ eine reiche, aber ganz verworrene Ge- lehrſamkeit; die Schleswigholſteiner erklärte er kurzweg für Rebellen, und daß Schleswig die Deutſchen gar nichts anging ergab ſich ja ſchon aus der Bundesakte.
Nach dieſem Juriſtenſtreit und den alten Pergamenten fragte die Nation wenig, ſie kannte die Auguſtenburger gar nicht. Was die Deutſchen entflammte war das nationale Selbſtgefühl. Geibel fand wieder das rechte Wort, als er den hohen Sinn des Kampfes dahin zuſammenfaßte:
Wir wollen keine Dänen ſein, Wir wollen Deutſche bleiben.
Und dies Gefühl bekundete ſich in den leidenſchaftlichen Berathungen der kleinen deutſchen Landtage ſo übermächtig, daß ſelbſt die Fürſten ſich ihm nicht ganz entziehen konnten; ihr eigenes Heiligthum, das legitime Dynaſten- recht wurde ja durch Dänemarks Gewaltſtreiche nicht weniger bedroht als die nationale Ehre. Zudem reiſten die holſteiniſchen Prinzen an den Höfen geſchäftig umher; auch die Stände der Herzogthümer ſendeten Tiede- mann und andere Vertrauensmänner zu den kleinen Regierungen um ihnen das Landesrecht der Nordmark an’s Herz zu legen. Beſonders freundlich zeigte ſich, ſeltſam genug, der alte Welfe. Der hatte bei den Lüneburger Manövern des zehnten Bundesarmeecorps ſelbſt mit angehört, wie die holſteiniſchen Soldaten, wenn man ſie Dänen nannte, heftig er- widerten: wir ſind gute Deutſche; er ſchätzte den Auguſtenburger perſönlich hoch und wurde durch ſeinen Berliner Geſandten, den Grafen Platen, deſſen Verwandtſchaft dem holſteiniſchen Adel angehörte, in ſeiner guten Geſinnung beſtärkt.*) Nach Alledem ſchien den Beſchwerden beim Bun- destage ein günſtiger Erfolg ſicher zu ſein.
Ganz anders dachten die großen Mächte. Sie bekannten ſich alle zu dem unverbrüchlichen Glaubensſatze, die Integrität der däniſchen Mon- archie ſei nothwendig für die Erhaltung des europäiſchen Gleichgewichts. Unſchuldige Leute mochten wohl verwundert fragen: warum denn Europas Gleichgewicht erſchüttert werden ſollte, wenn der kleine Staat am Sund und Belt von drittehalb auf anderthalb Millionen herabſänke? Wer tiefer blickte, konnte jedoch nicht verkennen, daß die Meinung der großen Höfe ernſte Gründe hatte; ſie wurzelte nicht blos in der Ruheſeligkeit der Zeit, ſondern in der allgemeinen Angſt vor Deutſchlands Erſtarken. Das von Dänemark losgeriſſene Schleswigholſtein mußte — Niemand bezweifelte
*) Platen’s Berichte, 6. Juli 1847 ff.
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hatte, und zeigte hier zum erſten male öffentlich, wie viel bildſamer er
war als die anderen Vertrauten König Friedrich Wilhelm’s. Unter allen
namhaften deutſchen Rechtsgelehrten wagte nur einer den Dänenkönig
zu vertheidigen: Miniſter Kamptz, der alte Demagogenverfolger, deſſen
Name ſchon abſchreckend wirken mußte. Der entfaltete in ſeinen „Be-
merkungen über den Offenen Brief“ eine reiche, aber ganz verworrene Ge-
lehrſamkeit; die Schleswigholſteiner erklärte er kurzweg für Rebellen, und
daß Schleswig die Deutſchen gar nichts anging ergab ſich ja ſchon aus
der Bundesakte.
Nach dieſem Juriſtenſtreit und den alten Pergamenten fragte die
Nation wenig, ſie kannte die Auguſtenburger gar nicht. Was die Deutſchen
entflammte war das nationale Selbſtgefühl. Geibel fand wieder das
rechte Wort, als er den hohen Sinn des Kampfes dahin zuſammenfaßte:
Wir wollen keine Dänen ſein,
Wir wollen Deutſche bleiben.
Und dies Gefühl bekundete ſich in den leidenſchaftlichen Berathungen der
kleinen deutſchen Landtage ſo übermächtig, daß ſelbſt die Fürſten ſich ihm
nicht ganz entziehen konnten; ihr eigenes Heiligthum, das legitime Dynaſten-
recht wurde ja durch Dänemarks Gewaltſtreiche nicht weniger bedroht als
die nationale Ehre. Zudem reiſten die holſteiniſchen Prinzen an den
Höfen geſchäftig umher; auch die Stände der Herzogthümer ſendeten Tiede-
mann und andere Vertrauensmänner zu den kleinen Regierungen um
ihnen das Landesrecht der Nordmark an’s Herz zu legen. Beſonders
freundlich zeigte ſich, ſeltſam genug, der alte Welfe. Der hatte bei den
Lüneburger Manövern des zehnten Bundesarmeecorps ſelbſt mit angehört,
wie die holſteiniſchen Soldaten, wenn man ſie Dänen nannte, heftig er-
widerten: wir ſind gute Deutſche; er ſchätzte den Auguſtenburger perſönlich
hoch und wurde durch ſeinen Berliner Geſandten, den Grafen Platen,
deſſen Verwandtſchaft dem holſteiniſchen Adel angehörte, in ſeiner guten
Geſinnung beſtärkt. *) Nach Alledem ſchien den Beſchwerden beim Bun-
destage ein günſtiger Erfolg ſicher zu ſein.
Ganz anders dachten die großen Mächte. Sie bekannten ſich alle
zu dem unverbrüchlichen Glaubensſatze, die Integrität der däniſchen Mon-
archie ſei nothwendig für die Erhaltung des europäiſchen Gleichgewichts.
Unſchuldige Leute mochten wohl verwundert fragen: warum denn Europas
Gleichgewicht erſchüttert werden ſollte, wenn der kleine Staat am Sund
und Belt von drittehalb auf anderthalb Millionen herabſänke? Wer tiefer
blickte, konnte jedoch nicht verkennen, daß die Meinung der großen Höfe
ernſte Gründe hatte; ſie wurzelte nicht blos in der Ruheſeligkeit der Zeit,
ſondern in der allgemeinen Angſt vor Deutſchlands Erſtarken. Das von
Dänemark losgeriſſene Schleswigholſtein mußte — Niemand bezweifelte
*) Platen’s Berichte, 6. Juli 1847 ff.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/594>, abgerufen am 26.11.2024.
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