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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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V. 6. Wachsthum und Siechthum der Volkswirthschaft.
anweisungen und den 2 Mill. baar, die ihr der Staatsschatz überwiesen
hatte? Rother verlangte darum, daß die Bank einen um 10 Mill. Thlr.
vergrößerten Betriebsfonds erhalten und dafür Noten bis zu demselben
Betrage ausgeben müsse. Praktiker durch und durch, war er vom Regi-
mentsschreiber zum Minister aufgestiegen und mit der Geschäftswelt immer
in Fühlung geblieben. Wie er einst, zum Entsetzen des zünftigen Be-
amtenthums, den Bankier Schickler in die Staatsschuldenverwaltung
berufen hatte, so erklärte er jetzt: die Bankverwaltung bedürfe für ihre
Noten des allgemeinen Vertrauens, für ihre erweiterte Thätigkeit einer
genauen Kenntniß der augenblicklichen Marktverhältnisse; darum müßten
die 10 Mill. durch das Privatcapital aufgebracht und den Inhabern der
Bank-Antheilscheine eine stimmberechtigte Vertretung eingeräumt werden.
Die Bank sollte mithin eine durch einen königlichen Präsidenten geleitete
Staatsanstalt bleiben -- denn einer Privatbank wollte Rother die Depo-
siten der Gerichte nimmermehr anvertrauen -- doch zugleich so unabhängig
gestellt werden, daß sie durch den Ausschuß ihrer kaufmännischen Theil-
haber gefährliche Zumuthungen eines leichtsinnigen Finanzministers jeder-
zeit abweisen konnte.

Rother's Vorschläge erschienen schüchtern, fast ängstlich gegenüber den
Bedürfnissen des so mächtig angeschwollenen Verkehres. Doch ihr Grund-
gedanke war gesund, er entsprach dem volksthümlichen Geiste dieser Monarchie,
die ja immer ihr Bestes geleistet hatte, wenn ihre starke Staatsgewalt
mit den freien Kräften der Nation zusammenwirkte. Gleichwohl erhob sich
von allen Seiten her leidenschaftlicher Widerspruch gegen die Pläne des
Bankpräsidenten. Schön polterte in Briefen, die fast nur noch aus Schimpf-
wörtern bestanden, wider die Unwissenheit, die Anmaßung, die durch Toll-
heit grandiose Verrücktheit des Commis Rother und seiner Juden. Der
Grimmige lebte immer noch in den traurigen Erinnerungen des Jahres
1806; er fürchtete, ein Bataillon Franzosen in Trier würde genügen, um
die 10 Mill. Banknoten sofort zu entwerthen. Andererseits hatte der er-
findungsreiche Bülow-Cummerow den Gedanken einer großen privilegirten,
aber vom Staate unabhängigen Nationalbank aufgebracht, die mit 25 Mill.
Capital ausgerüstet, Hypotheken-, Giro-, Zettelbank, Alles in Allem sein
sollte. Er vertheidigte seinen Plan in zahlreichen Schriften, die er alle durch
die gewandte Feder seines Neffen Killisch v. Horn ausarbeiten ließ, und er-
langte die freudige Zustimmung Rönne's, dem niemals ein Plan zu
nebelhaft war. Auch der Finanzminister Flottwell ließ sich überzeugen, er
war Neuling im Bankwesen, wollte für den Staatshaushalt keine gefähr-
lichen Verpflichtungen übernehmen und hörte gläubig zu, wenn ihm einige
Berliner Börsenmänner Wunderdinge von der geplanten Nationalbank
erzählten. Der König selbst schien anfangs, wie so oft schon, ganz durch
Rönne's feurige Beredsamkeit gewonnen zu sein.

Dem alten Rother ward unheimlich zu Muthe. Er fühlte längst,

V. 6. Wachsthum und Siechthum der Volkswirthſchaft.
anweiſungen und den 2 Mill. baar, die ihr der Staatsſchatz überwieſen
hatte? Rother verlangte darum, daß die Bank einen um 10 Mill. Thlr.
vergrößerten Betriebsfonds erhalten und dafür Noten bis zu demſelben
Betrage ausgeben müſſe. Praktiker durch und durch, war er vom Regi-
mentsſchreiber zum Miniſter aufgeſtiegen und mit der Geſchäftswelt immer
in Fühlung geblieben. Wie er einſt, zum Entſetzen des zünftigen Be-
amtenthums, den Bankier Schickler in die Staatsſchuldenverwaltung
berufen hatte, ſo erklärte er jetzt: die Bankverwaltung bedürfe für ihre
Noten des allgemeinen Vertrauens, für ihre erweiterte Thätigkeit einer
genauen Kenntniß der augenblicklichen Marktverhältniſſe; darum müßten
die 10 Mill. durch das Privatcapital aufgebracht und den Inhabern der
Bank-Antheilſcheine eine ſtimmberechtigte Vertretung eingeräumt werden.
Die Bank ſollte mithin eine durch einen königlichen Präſidenten geleitete
Staatsanſtalt bleiben — denn einer Privatbank wollte Rother die Depo-
ſiten der Gerichte nimmermehr anvertrauen — doch zugleich ſo unabhängig
geſtellt werden, daß ſie durch den Ausſchuß ihrer kaufmänniſchen Theil-
haber gefährliche Zumuthungen eines leichtſinnigen Finanzminiſters jeder-
zeit abweiſen konnte.

Rother’s Vorſchläge erſchienen ſchüchtern, faſt ängſtlich gegenüber den
Bedürfniſſen des ſo mächtig angeſchwollenen Verkehres. Doch ihr Grund-
gedanke war geſund, er entſprach dem volksthümlichen Geiſte dieſer Monarchie,
die ja immer ihr Beſtes geleiſtet hatte, wenn ihre ſtarke Staatsgewalt
mit den freien Kräften der Nation zuſammenwirkte. Gleichwohl erhob ſich
von allen Seiten her leidenſchaftlicher Widerſpruch gegen die Pläne des
Bankpräſidenten. Schön polterte in Briefen, die faſt nur noch aus Schimpf-
wörtern beſtanden, wider die Unwiſſenheit, die Anmaßung, die durch Toll-
heit grandioſe Verrücktheit des Commis Rother und ſeiner Juden. Der
Grimmige lebte immer noch in den traurigen Erinnerungen des Jahres
1806; er fürchtete, ein Bataillon Franzoſen in Trier würde genügen, um
die 10 Mill. Banknoten ſofort zu entwerthen. Andererſeits hatte der er-
findungsreiche Bülow-Cummerow den Gedanken einer großen privilegirten,
aber vom Staate unabhängigen Nationalbank aufgebracht, die mit 25 Mill.
Capital ausgerüſtet, Hypotheken-, Giro-, Zettelbank, Alles in Allem ſein
ſollte. Er vertheidigte ſeinen Plan in zahlreichen Schriften, die er alle durch
die gewandte Feder ſeines Neffen Killiſch v. Horn ausarbeiten ließ, und er-
langte die freudige Zuſtimmung Rönne’s, dem niemals ein Plan zu
nebelhaft war. Auch der Finanzminiſter Flottwell ließ ſich überzeugen, er
war Neuling im Bankweſen, wollte für den Staatshaushalt keine gefähr-
lichen Verpflichtungen übernehmen und hörte gläubig zu, wenn ihm einige
Berliner Börſenmänner Wunderdinge von der geplanten Nationalbank
erzählten. Der König ſelbſt ſchien anfangs, wie ſo oft ſchon, ganz durch
Rönne’s feurige Beredſamkeit gewonnen zu ſein.

Dem alten Rother ward unheimlich zu Muthe. Er fühlte längſt,

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[502/0516] V. 6. Wachsthum und Siechthum der Volkswirthſchaft. anweiſungen und den 2 Mill. baar, die ihr der Staatsſchatz überwieſen hatte? Rother verlangte darum, daß die Bank einen um 10 Mill. Thlr. vergrößerten Betriebsfonds erhalten und dafür Noten bis zu demſelben Betrage ausgeben müſſe. Praktiker durch und durch, war er vom Regi- mentsſchreiber zum Miniſter aufgeſtiegen und mit der Geſchäftswelt immer in Fühlung geblieben. Wie er einſt, zum Entſetzen des zünftigen Be- amtenthums, den Bankier Schickler in die Staatsſchuldenverwaltung berufen hatte, ſo erklärte er jetzt: die Bankverwaltung bedürfe für ihre Noten des allgemeinen Vertrauens, für ihre erweiterte Thätigkeit einer genauen Kenntniß der augenblicklichen Marktverhältniſſe; darum müßten die 10 Mill. durch das Privatcapital aufgebracht und den Inhabern der Bank-Antheilſcheine eine ſtimmberechtigte Vertretung eingeräumt werden. Die Bank ſollte mithin eine durch einen königlichen Präſidenten geleitete Staatsanſtalt bleiben — denn einer Privatbank wollte Rother die Depo- ſiten der Gerichte nimmermehr anvertrauen — doch zugleich ſo unabhängig geſtellt werden, daß ſie durch den Ausſchuß ihrer kaufmänniſchen Theil- haber gefährliche Zumuthungen eines leichtſinnigen Finanzminiſters jeder- zeit abweiſen konnte. Rother’s Vorſchläge erſchienen ſchüchtern, faſt ängſtlich gegenüber den Bedürfniſſen des ſo mächtig angeſchwollenen Verkehres. Doch ihr Grund- gedanke war geſund, er entſprach dem volksthümlichen Geiſte dieſer Monarchie, die ja immer ihr Beſtes geleiſtet hatte, wenn ihre ſtarke Staatsgewalt mit den freien Kräften der Nation zuſammenwirkte. Gleichwohl erhob ſich von allen Seiten her leidenſchaftlicher Widerſpruch gegen die Pläne des Bankpräſidenten. Schön polterte in Briefen, die faſt nur noch aus Schimpf- wörtern beſtanden, wider die Unwiſſenheit, die Anmaßung, die durch Toll- heit grandioſe Verrücktheit des Commis Rother und ſeiner Juden. Der Grimmige lebte immer noch in den traurigen Erinnerungen des Jahres 1806; er fürchtete, ein Bataillon Franzoſen in Trier würde genügen, um die 10 Mill. Banknoten ſofort zu entwerthen. Andererſeits hatte der er- findungsreiche Bülow-Cummerow den Gedanken einer großen privilegirten, aber vom Staate unabhängigen Nationalbank aufgebracht, die mit 25 Mill. Capital ausgerüſtet, Hypotheken-, Giro-, Zettelbank, Alles in Allem ſein ſollte. Er vertheidigte ſeinen Plan in zahlreichen Schriften, die er alle durch die gewandte Feder ſeines Neffen Killiſch v. Horn ausarbeiten ließ, und er- langte die freudige Zuſtimmung Rönne’s, dem niemals ein Plan zu nebelhaft war. Auch der Finanzminiſter Flottwell ließ ſich überzeugen, er war Neuling im Bankweſen, wollte für den Staatshaushalt keine gefähr- lichen Verpflichtungen übernehmen und hörte gläubig zu, wenn ihm einige Berliner Börſenmänner Wunderdinge von der geplanten Nationalbank erzählten. Der König ſelbſt ſchien anfangs, wie ſo oft ſchon, ganz durch Rönne’s feurige Beredſamkeit gewonnen zu ſein. Dem alten Rother ward unheimlich zu Muthe. Er fühlte längſt,

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/516>, abgerufen am 22.11.2024.