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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Verhandlung mit Luxemburg.
auch eine bescheidene landständische Verfassung, an deren Entwürfen Hassen-
pflug noch mitgearbeitet hatte*), und da die Landschaft nunmehr von dem
verkleinerten Königreiche der Niederlande weit abgetrennt lag, so beantragte
der König-Großherzog ihre Aufnahme in den Zollverein -- zur Freude
einiger klugen Fabrikanten, zum Entsetzen der mächtigen belgisch-franzö-
sischen Partei, die sich noch immer mit dem wallonischen Luxemburg wieder
zu vereinigen hoffte. Preußens Finanzen und Volkswirthschaft konnten
durch den Anschluß des feindseligen Ländchens durchaus nichts gewinnen;
zumal die Gerber in den Grenzstädten Malmedy und St. Veith fühlten
sich bedroht und klagten so lange, bis ihnen ihr gütiger König eine Geld-
entschädigung zahlen ließ. Nur das deutsche Pflichtgefühl und die politische
Berechnung zwangen den Berliner Hof, sich auf die Verhandlungen ein-
zulassen; denn wies er die luxemburgischen Anträge ab, so schloß sich das
Ländchen entweder dem belgischen Zollwesen an, oder es entstand dicht
vor den Thoren des Zollvereins eine gefährliche Schmugglerfreistatt. Die
Unterhandlungen zogen sich mehr als zwei Jahre hin. Die preußische
Regierung wahrte eifersüchtig die nationale Unabhängigkeit des Zollvereins,
sie wollte einem fremden Fürsten schlechterdings kein Stimmrecht im Rathe
des deutschen Handelsbundes einräumen. Sie bestand darauf, daß Luxem-
burg auf den Zollconferenzen durch Preußen vertreten würde; die Zoll-
direktion des Großherzogthums sollte dem preußischen Finanzministerium
unterstellt, auch ein Theil der Zollämter unter Mitwirkung der Zollvereins-
staaten besetzt werden, da die Deutschen den gänzlich verwilderten luxem-
burgischen Beamten nicht trauten. Auf diese Bedingungen hin ward am
8. Aug. 1841 der Anschlußvertrag abgeschlossen, und verabredetermaßen
kamen sogleich preußische Beamte nach Luxemburg um das neue Zollwesen,
zur Verhinderung von Unterschleifen, plötzlich einzuführen.

Da erhob sich ein völlig unerwarteter Widerstand. Ganz ungleich
seinem nüchternen Vater, war der neue König der Niederlande, Wilhelm II.
ein unruhiger Kopf, phantastisch, erregbar, wetterwendisch, immer mit
hohen Plänen beschäftigt, zugänglich allen Einflüsterungen. Er hatte einst
als Prinz von Oranien in dem zehntägigen Feldzuge die belgischen Re-
bellen zu Paaren getrieben und hoffte noch immer, ihnen dereinst ihren
Raub wieder zu entreißen; darum begünstigte er die Katholiken und ver-
kehrte gern mit belgischen Unzufriedenen; von dem glorreichen achtzig-
jährigen Kriege, der doch die Größe des Hauses Oranien begründet hatte,
wollte er gar nicht reden hören. Mit seinem fast gleichalterigen könig-
lichen Vetter in Berlin war er von Kindesbeinen an innig befreundet.
Friedrich Wilhelm aber behandelte die Oranier nach der alten Ueberliefe-
rung wie preußische Prinzen; er sah in der Theilung der Niederlande
eine den Hohenzollern selber angethane Schmach, und noch in den wirren

*) S. o. IV. 318 f., V. 54.

Verhandlung mit Luxemburg.
auch eine beſcheidene landſtändiſche Verfaſſung, an deren Entwürfen Haſſen-
pflug noch mitgearbeitet hatte*), und da die Landſchaft nunmehr von dem
verkleinerten Königreiche der Niederlande weit abgetrennt lag, ſo beantragte
der König-Großherzog ihre Aufnahme in den Zollverein — zur Freude
einiger klugen Fabrikanten, zum Entſetzen der mächtigen belgiſch-franzö-
ſiſchen Partei, die ſich noch immer mit dem walloniſchen Luxemburg wieder
zu vereinigen hoffte. Preußens Finanzen und Volkswirthſchaft konnten
durch den Anſchluß des feindſeligen Ländchens durchaus nichts gewinnen;
zumal die Gerber in den Grenzſtädten Malmedy und St. Veith fühlten
ſich bedroht und klagten ſo lange, bis ihnen ihr gütiger König eine Geld-
entſchädigung zahlen ließ. Nur das deutſche Pflichtgefühl und die politiſche
Berechnung zwangen den Berliner Hof, ſich auf die Verhandlungen ein-
zulaſſen; denn wies er die luxemburgiſchen Anträge ab, ſo ſchloß ſich das
Ländchen entweder dem belgiſchen Zollweſen an, oder es entſtand dicht
vor den Thoren des Zollvereins eine gefährliche Schmugglerfreiſtatt. Die
Unterhandlungen zogen ſich mehr als zwei Jahre hin. Die preußiſche
Regierung wahrte eiferſüchtig die nationale Unabhängigkeit des Zollvereins,
ſie wollte einem fremden Fürſten ſchlechterdings kein Stimmrecht im Rathe
des deutſchen Handelsbundes einräumen. Sie beſtand darauf, daß Luxem-
burg auf den Zollconferenzen durch Preußen vertreten würde; die Zoll-
direktion des Großherzogthums ſollte dem preußiſchen Finanzminiſterium
unterſtellt, auch ein Theil der Zollämter unter Mitwirkung der Zollvereins-
ſtaaten beſetzt werden, da die Deutſchen den gänzlich verwilderten luxem-
burgiſchen Beamten nicht trauten. Auf dieſe Bedingungen hin ward am
8. Aug. 1841 der Anſchlußvertrag abgeſchloſſen, und verabredetermaßen
kamen ſogleich preußiſche Beamte nach Luxemburg um das neue Zollweſen,
zur Verhinderung von Unterſchleifen, plötzlich einzuführen.

Da erhob ſich ein völlig unerwarteter Widerſtand. Ganz ungleich
ſeinem nüchternen Vater, war der neue König der Niederlande, Wilhelm II.
ein unruhiger Kopf, phantaſtiſch, erregbar, wetterwendiſch, immer mit
hohen Plänen beſchäftigt, zugänglich allen Einflüſterungen. Er hatte einſt
als Prinz von Oranien in dem zehntägigen Feldzuge die belgiſchen Re-
bellen zu Paaren getrieben und hoffte noch immer, ihnen dereinſt ihren
Raub wieder zu entreißen; darum begünſtigte er die Katholiken und ver-
kehrte gern mit belgiſchen Unzufriedenen; von dem glorreichen achtzig-
jährigen Kriege, der doch die Größe des Hauſes Oranien begründet hatte,
wollte er gar nicht reden hören. Mit ſeinem faſt gleichalterigen könig-
lichen Vetter in Berlin war er von Kindesbeinen an innig befreundet.
Friedrich Wilhelm aber behandelte die Oranier nach der alten Ueberliefe-
rung wie preußiſche Prinzen; er ſah in der Theilung der Niederlande
eine den Hohenzollern ſelber angethane Schmach, und noch in den wirren

*) S. o. IV. 318 f., V. 54.
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[437/0451] Verhandlung mit Luxemburg. auch eine beſcheidene landſtändiſche Verfaſſung, an deren Entwürfen Haſſen- pflug noch mitgearbeitet hatte *), und da die Landſchaft nunmehr von dem verkleinerten Königreiche der Niederlande weit abgetrennt lag, ſo beantragte der König-Großherzog ihre Aufnahme in den Zollverein — zur Freude einiger klugen Fabrikanten, zum Entſetzen der mächtigen belgiſch-franzö- ſiſchen Partei, die ſich noch immer mit dem walloniſchen Luxemburg wieder zu vereinigen hoffte. Preußens Finanzen und Volkswirthſchaft konnten durch den Anſchluß des feindſeligen Ländchens durchaus nichts gewinnen; zumal die Gerber in den Grenzſtädten Malmedy und St. Veith fühlten ſich bedroht und klagten ſo lange, bis ihnen ihr gütiger König eine Geld- entſchädigung zahlen ließ. Nur das deutſche Pflichtgefühl und die politiſche Berechnung zwangen den Berliner Hof, ſich auf die Verhandlungen ein- zulaſſen; denn wies er die luxemburgiſchen Anträge ab, ſo ſchloß ſich das Ländchen entweder dem belgiſchen Zollweſen an, oder es entſtand dicht vor den Thoren des Zollvereins eine gefährliche Schmugglerfreiſtatt. Die Unterhandlungen zogen ſich mehr als zwei Jahre hin. Die preußiſche Regierung wahrte eiferſüchtig die nationale Unabhängigkeit des Zollvereins, ſie wollte einem fremden Fürſten ſchlechterdings kein Stimmrecht im Rathe des deutſchen Handelsbundes einräumen. Sie beſtand darauf, daß Luxem- burg auf den Zollconferenzen durch Preußen vertreten würde; die Zoll- direktion des Großherzogthums ſollte dem preußiſchen Finanzminiſterium unterſtellt, auch ein Theil der Zollämter unter Mitwirkung der Zollvereins- ſtaaten beſetzt werden, da die Deutſchen den gänzlich verwilderten luxem- burgiſchen Beamten nicht trauten. Auf dieſe Bedingungen hin ward am 8. Aug. 1841 der Anſchlußvertrag abgeſchloſſen, und verabredetermaßen kamen ſogleich preußiſche Beamte nach Luxemburg um das neue Zollweſen, zur Verhinderung von Unterſchleifen, plötzlich einzuführen. Da erhob ſich ein völlig unerwarteter Widerſtand. Ganz ungleich ſeinem nüchternen Vater, war der neue König der Niederlande, Wilhelm II. ein unruhiger Kopf, phantaſtiſch, erregbar, wetterwendiſch, immer mit hohen Plänen beſchäftigt, zugänglich allen Einflüſterungen. Er hatte einſt als Prinz von Oranien in dem zehntägigen Feldzuge die belgiſchen Re- bellen zu Paaren getrieben und hoffte noch immer, ihnen dereinſt ihren Raub wieder zu entreißen; darum begünſtigte er die Katholiken und ver- kehrte gern mit belgiſchen Unzufriedenen; von dem glorreichen achtzig- jährigen Kriege, der doch die Größe des Hauſes Oranien begründet hatte, wollte er gar nicht reden hören. Mit ſeinem faſt gleichalterigen könig- lichen Vetter in Berlin war er von Kindesbeinen an innig befreundet. Friedrich Wilhelm aber behandelte die Oranier nach der alten Ueberliefe- rung wie preußiſche Prinzen; er ſah in der Theilung der Niederlande eine den Hohenzollern ſelber angethane Schmach, und noch in den wirren *) S. o. IV. 318 f., V. 54.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/451>, abgerufen am 22.11.2024.