dröhnend auf die Marmorstufen stemmte, mit dem Ausrufe: Und so setze ich denn meinen Hirtenstab auf den ewigen Urfelsen, der da ist Christus -- da meinten viele der anwesenden Protestanten, das klänge mehr evan- gelisch-christlich als römisch. Er war tief gläubig, ganz durchglüht von religiöser Empfindung, und dabei ein guter Preuße, der trotz seiner ge- müthlichen Anhänglichkeit an das Baierland den alten königlichen Offizier nie verleugnete und seine Staatstreue auch in schwerer Zeit furchtlos bewährte. Die Branntweinpest unter den oberschlesischen Polen bekämpfte er nicht blos durch Enthaltsamkeitsvereine, sondern durch das allein wirk- same Mittel, durch gesundes Bier, das er von herbeigerufenen bairischen Brauern herstellen ließ; und als die Hungersnoth im Gebirge ausbrach, da waren seine barmherzigen Brüder überall zur Stelle. Nach der Con- fession wurde bei solchen Liebeswerken nie gefragt. Begreiflich daß der König ihn liebte. Wenn er nach Erdmannsdorf kam bat er den Fürst- bischof stets zu Gaste in den engsten Familienkreis, und obwohl Friedrich Wilhelm dem Protestantismus nie untreu werden wollte, so fiel es doch allgemein auf, daß er keinem evangelischen Geistlichen je so viel Ver- ehrung erwies wie diesem katholischen Prälaten.
Die Niederlage der Krone in dem Kirchenstreite erregte unter den Protestanten nicht so allgemeinen Zorn, wie Friedrich Wilhelm selbst ge- fürchtet hatte. Die Staatsgesinnung war noch wenig durchgebildet, das Schlagwort der Kirchenfreiheit übte noch seinen berückenden Zauber; die Liberalen schalten wenig, weil ihre Lieblinge, die Rheinländer zufrieden waren und die Sonne ja noch immer im Westen aufging; dem jungen Radicalismus endlich schienen alle kirchlichen Fragen lächerlich. Indeß fehlte es nicht ganz an warnenden Stimmen. Der treue Arndt, der am Rhein längst heimisch geworden und dort seinen anerzogenen schwedisch- lutherischen Vorurtheilen entwachsen war, sagte doch jetzt in seinem Auf- satze "Ein paar deutsche Notabene" rund heraus: "Die Jesuiten sind wieder da, und sie werden, wie immer, deutsche Liebe und deutsche Treue zerhadern und zersplittern!" Als Graf Anton Stolberg im Mai 1844 die westpreußischen Domänen bereist hatte, gestand er dem Monarchen ehrlich: die katholischen Polen träten hier überall höchst übermüthig auf und sagten laut: heute muß man katholisch sein um bei Hofe etwas zu gelten.*) Auch König Wilhelm von Württemberg zeigte sich besorgt; er erwog mit dem preußischen Gesandten Rochow oftmals die Frage, ob die protestantischen Fürsten Deutschlands nicht unter Preußens Führung zu- sammentreten sollten zur gemeinsamen Wahrung der Rechte ihrer Kirchen- hoheit.
In der That hatte die ultramontane Partei schon fast Alles erreicht was ein paritätischer Staat irgend gewähren konnte. Einer ihrer Hitz-
*) Stolberg's Bericht an den König, 16. Mai 1844.
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
dröhnend auf die Marmorſtufen ſtemmte, mit dem Ausrufe: Und ſo ſetze ich denn meinen Hirtenſtab auf den ewigen Urfelſen, der da iſt Chriſtus — da meinten viele der anweſenden Proteſtanten, das klänge mehr evan- geliſch-chriſtlich als römiſch. Er war tief gläubig, ganz durchglüht von religiöſer Empfindung, und dabei ein guter Preuße, der trotz ſeiner ge- müthlichen Anhänglichkeit an das Baierland den alten königlichen Offizier nie verleugnete und ſeine Staatstreue auch in ſchwerer Zeit furchtlos bewährte. Die Branntweinpeſt unter den oberſchleſiſchen Polen bekämpfte er nicht blos durch Enthaltſamkeitsvereine, ſondern durch das allein wirk- ſame Mittel, durch geſundes Bier, das er von herbeigerufenen bairiſchen Brauern herſtellen ließ; und als die Hungersnoth im Gebirge ausbrach, da waren ſeine barmherzigen Brüder überall zur Stelle. Nach der Con- feſſion wurde bei ſolchen Liebeswerken nie gefragt. Begreiflich daß der König ihn liebte. Wenn er nach Erdmannsdorf kam bat er den Fürſt- biſchof ſtets zu Gaſte in den engſten Familienkreis, und obwohl Friedrich Wilhelm dem Proteſtantismus nie untreu werden wollte, ſo fiel es doch allgemein auf, daß er keinem evangeliſchen Geiſtlichen je ſo viel Ver- ehrung erwies wie dieſem katholiſchen Prälaten.
Die Niederlage der Krone in dem Kirchenſtreite erregte unter den Proteſtanten nicht ſo allgemeinen Zorn, wie Friedrich Wilhelm ſelbſt ge- fürchtet hatte. Die Staatsgeſinnung war noch wenig durchgebildet, das Schlagwort der Kirchenfreiheit übte noch ſeinen berückenden Zauber; die Liberalen ſchalten wenig, weil ihre Lieblinge, die Rheinländer zufrieden waren und die Sonne ja noch immer im Weſten aufging; dem jungen Radicalismus endlich ſchienen alle kirchlichen Fragen lächerlich. Indeß fehlte es nicht ganz an warnenden Stimmen. Der treue Arndt, der am Rhein längſt heimiſch geworden und dort ſeinen anerzogenen ſchwediſch- lutheriſchen Vorurtheilen entwachſen war, ſagte doch jetzt in ſeinem Auf- ſatze „Ein paar deutſche Notabene“ rund heraus: „Die Jeſuiten ſind wieder da, und ſie werden, wie immer, deutſche Liebe und deutſche Treue zerhadern und zerſplittern!“ Als Graf Anton Stolberg im Mai 1844 die weſtpreußiſchen Domänen bereiſt hatte, geſtand er dem Monarchen ehrlich: die katholiſchen Polen träten hier überall höchſt übermüthig auf und ſagten laut: heute muß man katholiſch ſein um bei Hofe etwas zu gelten.*) Auch König Wilhelm von Württemberg zeigte ſich beſorgt; er erwog mit dem preußiſchen Geſandten Rochow oftmals die Frage, ob die proteſtantiſchen Fürſten Deutſchlands nicht unter Preußens Führung zu- ſammentreten ſollten zur gemeinſamen Wahrung der Rechte ihrer Kirchen- hoheit.
In der That hatte die ultramontane Partei ſchon faſt Alles erreicht was ein paritätiſcher Staat irgend gewähren konnte. Einer ihrer Hitz-
*) Stolberg’s Bericht an den König, 16. Mai 1844.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0316"n="302"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">V.</hi> 4. Die Parteiung in der Kirche.</fw><lb/>
dröhnend auf die Marmorſtufen ſtemmte, mit dem Ausrufe: Und ſo ſetze<lb/>
ich denn meinen Hirtenſtab auf den ewigen Urfelſen, der da iſt Chriſtus<lb/>— da meinten viele der anweſenden Proteſtanten, das klänge mehr evan-<lb/>
geliſch-chriſtlich als römiſch. Er war tief gläubig, ganz durchglüht von<lb/>
religiöſer Empfindung, und dabei ein guter Preuße, der trotz ſeiner ge-<lb/>
müthlichen Anhänglichkeit an das Baierland den alten königlichen Offizier<lb/>
nie verleugnete und ſeine Staatstreue auch in ſchwerer Zeit furchtlos<lb/>
bewährte. Die Branntweinpeſt unter den oberſchleſiſchen Polen bekämpfte<lb/>
er nicht blos durch Enthaltſamkeitsvereine, ſondern durch das allein wirk-<lb/>ſame Mittel, durch geſundes Bier, das er von herbeigerufenen bairiſchen<lb/>
Brauern herſtellen ließ; und als die Hungersnoth im Gebirge ausbrach,<lb/>
da waren ſeine barmherzigen Brüder überall zur Stelle. Nach der Con-<lb/>
feſſion wurde bei ſolchen Liebeswerken nie gefragt. Begreiflich daß der<lb/>
König ihn liebte. Wenn er nach Erdmannsdorf kam bat er den Fürſt-<lb/>
biſchof ſtets zu Gaſte in den engſten Familienkreis, und obwohl Friedrich<lb/>
Wilhelm dem Proteſtantismus nie untreu werden wollte, ſo fiel es doch<lb/>
allgemein auf, daß er keinem evangeliſchen Geiſtlichen je ſo viel Ver-<lb/>
ehrung erwies wie dieſem katholiſchen Prälaten.</p><lb/><p>Die Niederlage der Krone in dem Kirchenſtreite erregte unter den<lb/>
Proteſtanten nicht ſo allgemeinen Zorn, wie Friedrich Wilhelm ſelbſt ge-<lb/>
fürchtet hatte. Die Staatsgeſinnung war noch wenig durchgebildet, das<lb/>
Schlagwort der Kirchenfreiheit übte noch ſeinen berückenden Zauber; die<lb/>
Liberalen ſchalten wenig, weil ihre Lieblinge, die Rheinländer zufrieden<lb/>
waren und die Sonne ja noch immer im Weſten aufging; dem jungen<lb/>
Radicalismus endlich ſchienen alle kirchlichen Fragen lächerlich. Indeß<lb/>
fehlte es nicht ganz an warnenden Stimmen. Der treue Arndt, der am<lb/>
Rhein längſt heimiſch geworden und dort ſeinen anerzogenen ſchwediſch-<lb/>
lutheriſchen Vorurtheilen entwachſen war, ſagte doch jetzt in ſeinem Auf-<lb/>ſatze „Ein paar deutſche Notabene“ rund heraus: „Die Jeſuiten ſind<lb/>
wieder da, und ſie werden, wie immer, deutſche Liebe und deutſche Treue<lb/>
zerhadern und zerſplittern!“ Als Graf Anton Stolberg im Mai 1844<lb/>
die weſtpreußiſchen Domänen bereiſt hatte, geſtand er dem Monarchen<lb/>
ehrlich: die katholiſchen Polen träten hier überall höchſt übermüthig auf<lb/>
und ſagten laut: heute muß man katholiſch ſein um bei Hofe etwas zu<lb/>
gelten.<noteplace="foot"n="*)">Stolberg’s Bericht an den König, 16. Mai 1844.</note> Auch König Wilhelm von Württemberg zeigte ſich beſorgt; er<lb/>
erwog mit dem preußiſchen Geſandten Rochow oftmals die Frage, ob die<lb/>
proteſtantiſchen Fürſten Deutſchlands nicht unter Preußens Führung zu-<lb/>ſammentreten ſollten zur gemeinſamen Wahrung der Rechte ihrer Kirchen-<lb/>
hoheit.</p><lb/><p>In der That hatte die ultramontane Partei ſchon faſt Alles erreicht<lb/>
was ein paritätiſcher Staat irgend gewähren konnte. Einer ihrer Hitz-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[302/0316]
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
dröhnend auf die Marmorſtufen ſtemmte, mit dem Ausrufe: Und ſo ſetze
ich denn meinen Hirtenſtab auf den ewigen Urfelſen, der da iſt Chriſtus
— da meinten viele der anweſenden Proteſtanten, das klänge mehr evan-
geliſch-chriſtlich als römiſch. Er war tief gläubig, ganz durchglüht von
religiöſer Empfindung, und dabei ein guter Preuße, der trotz ſeiner ge-
müthlichen Anhänglichkeit an das Baierland den alten königlichen Offizier
nie verleugnete und ſeine Staatstreue auch in ſchwerer Zeit furchtlos
bewährte. Die Branntweinpeſt unter den oberſchleſiſchen Polen bekämpfte
er nicht blos durch Enthaltſamkeitsvereine, ſondern durch das allein wirk-
ſame Mittel, durch geſundes Bier, das er von herbeigerufenen bairiſchen
Brauern herſtellen ließ; und als die Hungersnoth im Gebirge ausbrach,
da waren ſeine barmherzigen Brüder überall zur Stelle. Nach der Con-
feſſion wurde bei ſolchen Liebeswerken nie gefragt. Begreiflich daß der
König ihn liebte. Wenn er nach Erdmannsdorf kam bat er den Fürſt-
biſchof ſtets zu Gaſte in den engſten Familienkreis, und obwohl Friedrich
Wilhelm dem Proteſtantismus nie untreu werden wollte, ſo fiel es doch
allgemein auf, daß er keinem evangeliſchen Geiſtlichen je ſo viel Ver-
ehrung erwies wie dieſem katholiſchen Prälaten.
Die Niederlage der Krone in dem Kirchenſtreite erregte unter den
Proteſtanten nicht ſo allgemeinen Zorn, wie Friedrich Wilhelm ſelbſt ge-
fürchtet hatte. Die Staatsgeſinnung war noch wenig durchgebildet, das
Schlagwort der Kirchenfreiheit übte noch ſeinen berückenden Zauber; die
Liberalen ſchalten wenig, weil ihre Lieblinge, die Rheinländer zufrieden
waren und die Sonne ja noch immer im Weſten aufging; dem jungen
Radicalismus endlich ſchienen alle kirchlichen Fragen lächerlich. Indeß
fehlte es nicht ganz an warnenden Stimmen. Der treue Arndt, der am
Rhein längſt heimiſch geworden und dort ſeinen anerzogenen ſchwediſch-
lutheriſchen Vorurtheilen entwachſen war, ſagte doch jetzt in ſeinem Auf-
ſatze „Ein paar deutſche Notabene“ rund heraus: „Die Jeſuiten ſind
wieder da, und ſie werden, wie immer, deutſche Liebe und deutſche Treue
zerhadern und zerſplittern!“ Als Graf Anton Stolberg im Mai 1844
die weſtpreußiſchen Domänen bereiſt hatte, geſtand er dem Monarchen
ehrlich: die katholiſchen Polen träten hier überall höchſt übermüthig auf
und ſagten laut: heute muß man katholiſch ſein um bei Hofe etwas zu
gelten. *) Auch König Wilhelm von Württemberg zeigte ſich beſorgt; er
erwog mit dem preußiſchen Geſandten Rochow oftmals die Frage, ob die
proteſtantiſchen Fürſten Deutſchlands nicht unter Preußens Führung zu-
ſammentreten ſollten zur gemeinſamen Wahrung der Rechte ihrer Kirchen-
hoheit.
In der That hatte die ultramontane Partei ſchon faſt Alles erreicht
was ein paritätiſcher Staat irgend gewähren konnte. Einer ihrer Hitz-
*) Stolberg’s Bericht an den König, 16. Mai 1844.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/316>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.