Schulen, die doch grade in Preußen meist Schöpfungen des Staates waren, fast überall unter geistlichen Inspectoren standen, er verlangte für die Kirche sogar ein förmliches Recht der Schulaufsicht, das dem Landrechte widersprach. Mit der mächtigen Hilfe des Hofes wagte auch der katholische Adel Posens und der westlichen Provinzen einen Fuß in den Bügel zu setzen, und nicht lange, so saß er fest im Sattel des Ministeriums; im Palaste Radziwill wurden die meisten Maßregeln der katholischen Abtheilung vor- bereitet.
Also bildete sich bald ein krankhafter, unwahrer Zustand, der früher oder später neue Kämpfe hervorrufen mußte: die grundsätzlich unduld- same Macht der alleinseligmachenden Kirche besaß eine eigene Vertretung mitten im Schooße dieser paritätischen Staatsregierung, die ohne kirchlichen Frieden nicht zu leben vermochte. Einen Nuntius freilich wollte der König keinen Falls in seiner Hauptstadt zulassen, obgleich man im Vatican diesen Wunsch oft sehr lebhaft aussprach.*) Durfte ein evangelischer Monarch einem römischen Priester den Vortritt im diplomatischen Corps einräumen, den der Papst für seine Nuntien überall verlangte? durfte er dulden, daß sich die Unzufriedenen aus allen katholischen Provinzen um den Sendboten Roms schaarten? Solche Fragen drängten sich selbst dem arglosen Fried- rich Wilhelm auf. Den Ausschlag gab, daß er den Plan seiner Bischofs- conferenzen noch immer fest hielt; traten diese erst regelmäßig zusammen, so wurde der Nuntius überflüssig. Darum blieb der König diesmal un- erschütterlich; und als die Zeitungen der beunruhigten Protestanten gleich- wohl beständig von dem kommenden Nuntius redeten, da befahl er hoch erzürnt, diese "abscheulichen Gerüchte Schlag für Schlag zu widerlegen".**)
Bei solcher Luft schoß der Weizen der ultramontanen Partei rasch in Halme. Die letzten Hermesianer wendeten sich noch einmal nach Rom; da Gregor's Nachfolger Pius IX. jedoch das Verdammungsurtheil seines Vorgängers bestätigte, so mußten sie fortan ihre Lehrthätigkeit einstellen. Der Staat konnte sie nur im Besitze ihres Amtes und Einkommens schützen, weil die dogmatische Streitfrage ihn nicht berührte; und so standen denn die beiden Einzigen, die sich nicht unterwarfen, die Professoren Braun und Achterfeldt viele Jahre hindurch in jedem Bonner Lektionskataloge ver- zeichnet mit dem wehmüthigen Zusatze: lectiones nullas habere pergent. Geissel aber begnügte sich nicht mit dem Rechte des Einspruchs, das den Bischöfen bei der Ernennung theologischer Professoren gesetzlich zustand; er behauptete schon bei seinem ersten Berliner Besuche, der Bischof sei befugt den Professoren eine missio canonica zu ertheilen, das will sagen: er wollte diese Staatsbeamten selbst ernennen und dem Staate lediglich erlauben die Besoldungen zu zahlen. Die missio canonica war, wie
*) Brühl's Berichte, 3. Sept. 1840 ff.
**) Entscheidung des Königs auf Thile's Bericht vom 8. März 1847.
Die katholiſche Abtheilung.
Schulen, die doch grade in Preußen meiſt Schöpfungen des Staates waren, faſt überall unter geiſtlichen Inſpectoren ſtanden, er verlangte für die Kirche ſogar ein förmliches Recht der Schulaufſicht, das dem Landrechte widerſprach. Mit der mächtigen Hilfe des Hofes wagte auch der katholiſche Adel Poſens und der weſtlichen Provinzen einen Fuß in den Bügel zu ſetzen, und nicht lange, ſo ſaß er feſt im Sattel des Miniſteriums; im Palaſte Radziwill wurden die meiſten Maßregeln der katholiſchen Abtheilung vor- bereitet.
Alſo bildete ſich bald ein krankhafter, unwahrer Zuſtand, der früher oder ſpäter neue Kämpfe hervorrufen mußte: die grundſätzlich unduld- ſame Macht der alleinſeligmachenden Kirche beſaß eine eigene Vertretung mitten im Schooße dieſer paritätiſchen Staatsregierung, die ohne kirchlichen Frieden nicht zu leben vermochte. Einen Nuntius freilich wollte der König keinen Falls in ſeiner Hauptſtadt zulaſſen, obgleich man im Vatican dieſen Wunſch oft ſehr lebhaft ausſprach.*) Durfte ein evangeliſcher Monarch einem römiſchen Prieſter den Vortritt im diplomatiſchen Corps einräumen, den der Papſt für ſeine Nuntien überall verlangte? durfte er dulden, daß ſich die Unzufriedenen aus allen katholiſchen Provinzen um den Sendboten Roms ſchaarten? Solche Fragen drängten ſich ſelbſt dem argloſen Fried- rich Wilhelm auf. Den Ausſchlag gab, daß er den Plan ſeiner Biſchofs- conferenzen noch immer feſt hielt; traten dieſe erſt regelmäßig zuſammen, ſo wurde der Nuntius überflüſſig. Darum blieb der König diesmal un- erſchütterlich; und als die Zeitungen der beunruhigten Proteſtanten gleich- wohl beſtändig von dem kommenden Nuntius redeten, da befahl er hoch erzürnt, dieſe „abſcheulichen Gerüchte Schlag für Schlag zu widerlegen“.**)
Bei ſolcher Luft ſchoß der Weizen der ultramontanen Partei raſch in Halme. Die letzten Hermeſianer wendeten ſich noch einmal nach Rom; da Gregor’s Nachfolger Pius IX. jedoch das Verdammungsurtheil ſeines Vorgängers beſtätigte, ſo mußten ſie fortan ihre Lehrthätigkeit einſtellen. Der Staat konnte ſie nur im Beſitze ihres Amtes und Einkommens ſchützen, weil die dogmatiſche Streitfrage ihn nicht berührte; und ſo ſtanden denn die beiden Einzigen, die ſich nicht unterwarfen, die Profeſſoren Braun und Achterfeldt viele Jahre hindurch in jedem Bonner Lektionskataloge ver- zeichnet mit dem wehmüthigen Zuſatze: lectiones nullas habere pergent. Geiſſel aber begnügte ſich nicht mit dem Rechte des Einſpruchs, das den Biſchöfen bei der Ernennung theologiſcher Profeſſoren geſetzlich zuſtand; er behauptete ſchon bei ſeinem erſten Berliner Beſuche, der Biſchof ſei befugt den Profeſſoren eine missio canonica zu ertheilen, das will ſagen: er wollte dieſe Staatsbeamten ſelbſt ernennen und dem Staate lediglich erlauben die Beſoldungen zu zahlen. Die missio canonica war, wie
*) Brühl’s Berichte, 3. Sept. 1840 ff.
**) Entſcheidung des Königs auf Thile’s Bericht vom 8. März 1847.
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Die katholiſche Abtheilung.
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ſogar ein förmliches Recht der Schulaufſicht, das dem Landrechte widerſprach.
Mit der mächtigen Hilfe des Hofes wagte auch der katholiſche Adel Poſens
und der weſtlichen Provinzen einen Fuß in den Bügel zu ſetzen, und
nicht lange, ſo ſaß er feſt im Sattel des Miniſteriums; im Palaſte
Radziwill wurden die meiſten Maßregeln der katholiſchen Abtheilung vor-
bereitet.
Alſo bildete ſich bald ein krankhafter, unwahrer Zuſtand, der früher
oder ſpäter neue Kämpfe hervorrufen mußte: die grundſätzlich unduld-
ſame Macht der alleinſeligmachenden Kirche beſaß eine eigene Vertretung
mitten im Schooße dieſer paritätiſchen Staatsregierung, die ohne kirchlichen
Frieden nicht zu leben vermochte. Einen Nuntius freilich wollte der König
keinen Falls in ſeiner Hauptſtadt zulaſſen, obgleich man im Vatican dieſen
Wunſch oft ſehr lebhaft ausſprach. *) Durfte ein evangeliſcher Monarch
einem römiſchen Prieſter den Vortritt im diplomatiſchen Corps einräumen,
den der Papſt für ſeine Nuntien überall verlangte? durfte er dulden, daß
ſich die Unzufriedenen aus allen katholiſchen Provinzen um den Sendboten
Roms ſchaarten? Solche Fragen drängten ſich ſelbſt dem argloſen Fried-
rich Wilhelm auf. Den Ausſchlag gab, daß er den Plan ſeiner Biſchofs-
conferenzen noch immer feſt hielt; traten dieſe erſt regelmäßig zuſammen,
ſo wurde der Nuntius überflüſſig. Darum blieb der König diesmal un-
erſchütterlich; und als die Zeitungen der beunruhigten Proteſtanten gleich-
wohl beſtändig von dem kommenden Nuntius redeten, da befahl er hoch
erzürnt, dieſe „abſcheulichen Gerüchte Schlag für Schlag zu widerlegen“. **)
Bei ſolcher Luft ſchoß der Weizen der ultramontanen Partei raſch
in Halme. Die letzten Hermeſianer wendeten ſich noch einmal nach Rom;
da Gregor’s Nachfolger Pius IX. jedoch das Verdammungsurtheil ſeines
Vorgängers beſtätigte, ſo mußten ſie fortan ihre Lehrthätigkeit einſtellen.
Der Staat konnte ſie nur im Beſitze ihres Amtes und Einkommens ſchützen,
weil die dogmatiſche Streitfrage ihn nicht berührte; und ſo ſtanden denn
die beiden Einzigen, die ſich nicht unterwarfen, die Profeſſoren Braun
und Achterfeldt viele Jahre hindurch in jedem Bonner Lektionskataloge ver-
zeichnet mit dem wehmüthigen Zuſatze: lectiones nullas habere pergent.
Geiſſel aber begnügte ſich nicht mit dem Rechte des Einſpruchs, das den
Biſchöfen bei der Ernennung theologiſcher Profeſſoren geſetzlich zuſtand;
er behauptete ſchon bei ſeinem erſten Berliner Beſuche, der Biſchof ſei
befugt den Profeſſoren eine missio canonica zu ertheilen, das will ſagen:
er wollte dieſe Staatsbeamten ſelbſt ernennen und dem Staate lediglich
erlauben die Beſoldungen zu zahlen. Die missio canonica war, wie
*) Brühl’s Berichte, 3. Sept. 1840 ff.
**) Entſcheidung des Königs auf Thile’s Bericht vom 8. März 1847.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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