verflucht wurde, blieb in den Augen des gläubigen deutschen Katholiken doch immer der heilige Vater. Seinen Weisungen gemäß erklärte Brühl bis zuletzt: nun und nimmermehr dürfe der Erzbischof amtlich zurückkehren. An Thile aber schrieb er traurig: ich bin kein Diplomat, "ich kann mit dem Papste nicht feilschen", ich vermag "den edlen Greis" nicht mehr zu be- drängen, da mein Gewissen ihm Recht giebt. *) So reiste er zum zweiten male heim, wieder ohne Ergebniß.
Der König, der schon während der Verhandlungen mehrmals ge- schwankt hatte, fühlte sich schmerzlich überrascht; er meinte: die Vorschläge des römischen Stuhls "erfordern eine sehr reife Prüfung, zumal der Consequenzen meines Nein's." Nun kam auch noch ein Brief von seinem Oheim, dem Prinzen Heinrich, der sich seit langen Jahren tief in die römische Welt eingelebt hatte und bei Vielen, wohl mit Unrecht, für einen ge- heimen Katholiken galt. Der kranke Prinz schrieb in seiner munteren, geist- reichen Weise: das sei doch das Einfachste von der Welt, wenn Droste für einen Tag nach Köln käme und sich dann sogleich fortscheren müßte. **) Nach qualvoller Ueberlegung entschloß sich der König, auch der letzten Zumuthung des Vaticans zu willfahren. Er wollte wirklich erlauben, daß die rheinischen Ultramontanen auf dem Grabe seines edlen Vaters einen Tag hindurch ihre Triumphtänze abhielten. Droste sollte zur Bischofsweihe zurückkehren, und Brühl erhielt Befehl, mit neuen Weisungen versehen, zum dritten male nach Rom zu gehen. ***)
Und noch eine neue Anmaßung des Papstes ließ der Monarch sich bieten. Eben jetzt, zu Ende Aprils, war der wackere Kölnische Generalvicar Hüsgen gestorben, der in diesen schweren Uebergangsjahren die provisorische Ver- waltung des Erzbisthums zur vollen Zufriedenheit des alten wie des neuen Königs geführt hatte. Das Domcapitel fragte zunächst beim Ober- präsidenten an, ob Droste wieder eintreten oder bei der Wiederbesetzung des Generalvicariats mitwirken dürfe. Auf die verneinende Antwort wurde die Neuwahl vollzogen, ganz in der nämlichen Weise wie 1837 nach Droste's Wegführung, und der neue Generalvicar Canonicus Müller, ein würdiger, friedfertiger geistlicher Herr gleich seinem Vorgänger, erhielt von Seiten des Oberpräsidenten die Bestätigung. Der Papst aber sah in diesem Verfahren frevelhaften Ungehorsam, denn nicht einmal für die kurze Zeit bis zur nahen Ausgleichung wollte er dem vermaledeiten Dom- capitel die provisorische Verwaltung, die er doch bisher geduldet hatte, erlauben. Er erklärte die Wahl für nichtig und ernannte seinerseits den Canonicus Iven, den einzigen Ultramontanen im Domcapitel, der sich allein der Wahl enthalten hatte und dafür auch das besondere Lob
*) Brühl's Berichte, 26. Dec. 1840 bis 1. Mai 1841.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 13. Mai; Prinz Heinrich an den König, 24. April 1841.
***) Thile an Brühl, 21. Mai, 22. Juni 1841.
Nachgiebigkeit der Krone.
verflucht wurde, blieb in den Augen des gläubigen deutſchen Katholiken doch immer der heilige Vater. Seinen Weiſungen gemäß erklärte Brühl bis zuletzt: nun und nimmermehr dürfe der Erzbiſchof amtlich zurückkehren. An Thile aber ſchrieb er traurig: ich bin kein Diplomat, „ich kann mit dem Papſte nicht feilſchen“, ich vermag „den edlen Greis“ nicht mehr zu be- drängen, da mein Gewiſſen ihm Recht giebt. *) So reiſte er zum zweiten male heim, wieder ohne Ergebniß.
Der König, der ſchon während der Verhandlungen mehrmals ge- ſchwankt hatte, fühlte ſich ſchmerzlich überraſcht; er meinte: die Vorſchläge des römiſchen Stuhls „erfordern eine ſehr reife Prüfung, zumal der Conſequenzen meines Nein’s.“ Nun kam auch noch ein Brief von ſeinem Oheim, dem Prinzen Heinrich, der ſich ſeit langen Jahren tief in die römiſche Welt eingelebt hatte und bei Vielen, wohl mit Unrecht, für einen ge- heimen Katholiken galt. Der kranke Prinz ſchrieb in ſeiner munteren, geiſt- reichen Weiſe: das ſei doch das Einfachſte von der Welt, wenn Droſte für einen Tag nach Köln käme und ſich dann ſogleich fortſcheren müßte. **) Nach qualvoller Ueberlegung entſchloß ſich der König, auch der letzten Zumuthung des Vaticans zu willfahren. Er wollte wirklich erlauben, daß die rheiniſchen Ultramontanen auf dem Grabe ſeines edlen Vaters einen Tag hindurch ihre Triumphtänze abhielten. Droſte ſollte zur Biſchofsweihe zurückkehren, und Brühl erhielt Befehl, mit neuen Weiſungen verſehen, zum dritten male nach Rom zu gehen. ***)
Und noch eine neue Anmaßung des Papſtes ließ der Monarch ſich bieten. Eben jetzt, zu Ende Aprils, war der wackere Kölniſche Generalvicar Hüsgen geſtorben, der in dieſen ſchweren Uebergangsjahren die proviſoriſche Ver- waltung des Erzbisthums zur vollen Zufriedenheit des alten wie des neuen Königs geführt hatte. Das Domcapitel fragte zunächſt beim Ober- präſidenten an, ob Droſte wieder eintreten oder bei der Wiederbeſetzung des Generalvicariats mitwirken dürfe. Auf die verneinende Antwort wurde die Neuwahl vollzogen, ganz in der nämlichen Weiſe wie 1837 nach Droſte’s Wegführung, und der neue Generalvicar Canonicus Müller, ein würdiger, friedfertiger geiſtlicher Herr gleich ſeinem Vorgänger, erhielt von Seiten des Oberpräſidenten die Beſtätigung. Der Papſt aber ſah in dieſem Verfahren frevelhaften Ungehorſam, denn nicht einmal für die kurze Zeit bis zur nahen Ausgleichung wollte er dem vermaledeiten Dom- capitel die proviſoriſche Verwaltung, die er doch bisher geduldet hatte, erlauben. Er erklärte die Wahl für nichtig und ernannte ſeinerſeits den Canonicus Iven, den einzigen Ultramontanen im Domcapitel, der ſich allein der Wahl enthalten hatte und dafür auch das beſondere Lob
*) Brühl’s Berichte, 26. Dec. 1840 bis 1. Mai 1841.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 13. Mai; Prinz Heinrich an den König, 24. April 1841.
***) Thile an Brühl, 21. Mai, 22. Juni 1841.
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Nachgiebigkeit der Krone.
verflucht wurde, blieb in den Augen des gläubigen deutſchen Katholiken
doch immer der heilige Vater. Seinen Weiſungen gemäß erklärte Brühl
bis zuletzt: nun und nimmermehr dürfe der Erzbiſchof amtlich zurückkehren.
An Thile aber ſchrieb er traurig: ich bin kein Diplomat, „ich kann mit dem
Papſte nicht feilſchen“, ich vermag „den edlen Greis“ nicht mehr zu be-
drängen, da mein Gewiſſen ihm Recht giebt. *) So reiſte er zum zweiten
male heim, wieder ohne Ergebniß.
Der König, der ſchon während der Verhandlungen mehrmals ge-
ſchwankt hatte, fühlte ſich ſchmerzlich überraſcht; er meinte: die Vorſchläge
des römiſchen Stuhls „erfordern eine ſehr reife Prüfung, zumal der
Conſequenzen meines Nein’s.“ Nun kam auch noch ein Brief von
ſeinem Oheim, dem Prinzen Heinrich, der ſich ſeit langen Jahren tief in die
römiſche Welt eingelebt hatte und bei Vielen, wohl mit Unrecht, für einen ge-
heimen Katholiken galt. Der kranke Prinz ſchrieb in ſeiner munteren, geiſt-
reichen Weiſe: das ſei doch das Einfachſte von der Welt, wenn Droſte für
einen Tag nach Köln käme und ſich dann ſogleich fortſcheren müßte. **) Nach
qualvoller Ueberlegung entſchloß ſich der König, auch der letzten Zumuthung
des Vaticans zu willfahren. Er wollte wirklich erlauben, daß die rheiniſchen
Ultramontanen auf dem Grabe ſeines edlen Vaters einen Tag hindurch
ihre Triumphtänze abhielten. Droſte ſollte zur Biſchofsweihe zurückkehren,
und Brühl erhielt Befehl, mit neuen Weiſungen verſehen, zum dritten
male nach Rom zu gehen. ***)
Und noch eine neue Anmaßung des Papſtes ließ der Monarch ſich bieten.
Eben jetzt, zu Ende Aprils, war der wackere Kölniſche Generalvicar Hüsgen
geſtorben, der in dieſen ſchweren Uebergangsjahren die proviſoriſche Ver-
waltung des Erzbisthums zur vollen Zufriedenheit des alten wie des
neuen Königs geführt hatte. Das Domcapitel fragte zunächſt beim Ober-
präſidenten an, ob Droſte wieder eintreten oder bei der Wiederbeſetzung
des Generalvicariats mitwirken dürfe. Auf die verneinende Antwort wurde
die Neuwahl vollzogen, ganz in der nämlichen Weiſe wie 1837 nach
Droſte’s Wegführung, und der neue Generalvicar Canonicus Müller, ein
würdiger, friedfertiger geiſtlicher Herr gleich ſeinem Vorgänger, erhielt von
Seiten des Oberpräſidenten die Beſtätigung. Der Papſt aber ſah in
dieſem Verfahren frevelhaften Ungehorſam, denn nicht einmal für die
kurze Zeit bis zur nahen Ausgleichung wollte er dem vermaledeiten Dom-
capitel die proviſoriſche Verwaltung, die er doch bisher geduldet hatte,
erlauben. Er erklärte die Wahl für nichtig und ernannte ſeinerſeits
den Canonicus Iven, den einzigen Ultramontanen im Domcapitel, der
ſich allein der Wahl enthalten hatte und dafür auch das beſondere Lob
*) Brühl’s Berichte, 26. Dec. 1840 bis 1. Mai 1841.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 13. Mai; Prinz Heinrich an den König,
24. April 1841.
***) Thile an Brühl, 21. Mai, 22. Juni 1841.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/299>, abgerufen am 22.11.2024.
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