Das Mißgeschick des Dombaus wurde verhängnißvoll auch für die Entwicklung der Berliner Malerei. Mit hellem Frohlocken folgte Peter Cornelius, nachdem er mit seinem wittelsbachischen Gönner gebrochen hatte, dem Rufe Friedrich Wilhelm's; er war auserwählt, die monumentale Malerei an der Spree einzubürgern, die Königsgruft der Hohenzollern, den Campo Santo, der sich neben dem Dome erheben sollte, mit biblischen Fresken auszuschmücken. Hoch begeistert, wie der König selbst, für ein allgemeines evangelisches Christenthum, dachte er hier das christliche Epos, das er in der Münchener Ludwigskirche nur theilweis hatte vollenden können, zum herrlichen Abschluß zu bringen, den apokalyptischen Sagenkreis von den letzten Dingen, die geheimnißvolle Welt, wo Irdisches und Ewiges sich be- rühren, in grandiosen, jedes Christenherz erschütternden Bildern darzustellen. Da ward ihm die Höllenpein, die furchtbarste für einen schöpferischen Geist, Jahr für Jahr nur planen und planen zu müssen, denn die Wände, die er schmücken sollte, blieben unvollendet. Wie konnte es ihn trösten, daß ihm vor dem Brandenburger Thore, neben der lieblichen Villa seines Freundes, des Grafen Athanasius Raczynski ein würdiges Künstlerheim bereitet wurde? daß der König ihn mit Gnaden überschüttete, bei allen Prunkgeschenken und Denkmünzen dieser festlustigen Jahre nach seinem Griffel verlangte? Der jugendliche Schaffensdrang des Siebzigjährigen lechzte nach dem Einen was ihm jetzt das Leben war. Und da nun wie- der Jahre um Jahre in vergeblichem Harren dahingingen, so zeichnete er still entsagend an seinen riesigen Cartons weiter, ohne Hoffnung, nur um der Stimme des eigenen Genius zu gehorchen. Anfangs mit hohen Ehren aufgenommen, lernte er bald den eigenthümlichen demokratischen Geist des Berliner Lebens kennen, der im Grunde gar nichts gelten läßt und zwar junge Talente heilsam stacheln, stolze, gereifte Naturen aber leicht ver- stimmen kann. Auch die wohlweisen Kritiker der Hauptstadt fühlten schnell, daß dieser herrische kleine Mann mit den streng geschlossenen Lippen, den stechenden dunklen Augen unter der schwarzen Perrücke nicht ihres gleichen war, und sie rächten sich nach ihrer Weise durch hämische Angriffe.
Unter allen den mannichfachen Gestalten menschlicher Beschränktheit erscheint keine gedankenreichen Köpfen so unleidlich wie die Dummheit, die Alles am besten weiß; und da diese Form der Dummheit in Berlin vor- herrschte, so wurde die ungemüthliche Stadt dem großen Künster verleidet. Hier fand er weder die schönheitsfrohe Welt seines geliebten Roms, noch die fröhliche Zecherlust der Münchener Kumpanei. Angeekelt durch die Berliner Aufklärung kehrte er im Alter zurück zu strengkatholischen An- schauungen, die er in früheren Tagen überwunden hatte. Unterdessen be- gann die Geschichte über ihn hinwegzuschreiten; die verwandelte Zeit ver- langte mit Recht von den Malern Farbenglanz und Naturwahrheit. Cor- nelius selbst mußte bezweifeln, ob sich unter dem jungen Geschlechte noch Künstler fänden, die seine Cartons je ausführen könnten oder wollten. Also
V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
Das Mißgeſchick des Dombaus wurde verhängnißvoll auch für die Entwicklung der Berliner Malerei. Mit hellem Frohlocken folgte Peter Cornelius, nachdem er mit ſeinem wittelsbachiſchen Gönner gebrochen hatte, dem Rufe Friedrich Wilhelm’s; er war auserwählt, die monumentale Malerei an der Spree einzubürgern, die Königsgruft der Hohenzollern, den Campo Santo, der ſich neben dem Dome erheben ſollte, mit bibliſchen Fresken auszuſchmücken. Hoch begeiſtert, wie der König ſelbſt, für ein allgemeines evangeliſches Chriſtenthum, dachte er hier das chriſtliche Epos, das er in der Münchener Ludwigskirche nur theilweis hatte vollenden können, zum herrlichen Abſchluß zu bringen, den apokalyptiſchen Sagenkreis von den letzten Dingen, die geheimnißvolle Welt, wo Irdiſches und Ewiges ſich be- rühren, in grandioſen, jedes Chriſtenherz erſchütternden Bildern darzuſtellen. Da ward ihm die Höllenpein, die furchtbarſte für einen ſchöpferiſchen Geiſt, Jahr für Jahr nur planen und planen zu müſſen, denn die Wände, die er ſchmücken ſollte, blieben unvollendet. Wie konnte es ihn tröſten, daß ihm vor dem Brandenburger Thore, neben der lieblichen Villa ſeines Freundes, des Grafen Athanaſius Raczynski ein würdiges Künſtlerheim bereitet wurde? daß der König ihn mit Gnaden überſchüttete, bei allen Prunkgeſchenken und Denkmünzen dieſer feſtluſtigen Jahre nach ſeinem Griffel verlangte? Der jugendliche Schaffensdrang des Siebzigjährigen lechzte nach dem Einen was ihm jetzt das Leben war. Und da nun wie- der Jahre um Jahre in vergeblichem Harren dahingingen, ſo zeichnete er ſtill entſagend an ſeinen rieſigen Cartons weiter, ohne Hoffnung, nur um der Stimme des eigenen Genius zu gehorchen. Anfangs mit hohen Ehren aufgenommen, lernte er bald den eigenthümlichen demokratiſchen Geiſt des Berliner Lebens kennen, der im Grunde gar nichts gelten läßt und zwar junge Talente heilſam ſtacheln, ſtolze, gereifte Naturen aber leicht ver- ſtimmen kann. Auch die wohlweiſen Kritiker der Hauptſtadt fühlten ſchnell, daß dieſer herriſche kleine Mann mit den ſtreng geſchloſſenen Lippen, den ſtechenden dunklen Augen unter der ſchwarzen Perrücke nicht ihres gleichen war, und ſie rächten ſich nach ihrer Weiſe durch hämiſche Angriffe.
Unter allen den mannichfachen Geſtalten menſchlicher Beſchränktheit erſcheint keine gedankenreichen Köpfen ſo unleidlich wie die Dummheit, die Alles am beſten weiß; und da dieſe Form der Dummheit in Berlin vor- herrſchte, ſo wurde die ungemüthliche Stadt dem großen Künſter verleidet. Hier fand er weder die ſchönheitsfrohe Welt ſeines geliebten Roms, noch die fröhliche Zecherluſt der Münchener Kumpanei. Angeekelt durch die Berliner Aufklärung kehrte er im Alter zurück zu ſtrengkatholiſchen An- ſchauungen, die er in früheren Tagen überwunden hatte. Unterdeſſen be- gann die Geſchichte über ihn hinwegzuſchreiten; die verwandelte Zeit ver- langte mit Recht von den Malern Farbenglanz und Naturwahrheit. Cor- nelius ſelbſt mußte bezweifeln, ob ſich unter dem jungen Geſchlechte noch Künſtler fänden, die ſeine Cartons je ausführen könnten oder wollten. Alſo
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V. 3. Enttäuſchung und Verwirrung.
Das Mißgeſchick des Dombaus wurde verhängnißvoll auch für die
Entwicklung der Berliner Malerei. Mit hellem Frohlocken folgte Peter
Cornelius, nachdem er mit ſeinem wittelsbachiſchen Gönner gebrochen
hatte, dem Rufe Friedrich Wilhelm’s; er war auserwählt, die monumentale
Malerei an der Spree einzubürgern, die Königsgruft der Hohenzollern,
den Campo Santo, der ſich neben dem Dome erheben ſollte, mit bibliſchen
Fresken auszuſchmücken. Hoch begeiſtert, wie der König ſelbſt, für ein
allgemeines evangeliſches Chriſtenthum, dachte er hier das chriſtliche Epos,
das er in der Münchener Ludwigskirche nur theilweis hatte vollenden können,
zum herrlichen Abſchluß zu bringen, den apokalyptiſchen Sagenkreis von den
letzten Dingen, die geheimnißvolle Welt, wo Irdiſches und Ewiges ſich be-
rühren, in grandioſen, jedes Chriſtenherz erſchütternden Bildern darzuſtellen.
Da ward ihm die Höllenpein, die furchtbarſte für einen ſchöpferiſchen Geiſt,
Jahr für Jahr nur planen und planen zu müſſen, denn die Wände, die
er ſchmücken ſollte, blieben unvollendet. Wie konnte es ihn tröſten, daß
ihm vor dem Brandenburger Thore, neben der lieblichen Villa ſeines
Freundes, des Grafen Athanaſius Raczynski ein würdiges Künſtlerheim
bereitet wurde? daß der König ihn mit Gnaden überſchüttete, bei allen
Prunkgeſchenken und Denkmünzen dieſer feſtluſtigen Jahre nach ſeinem
Griffel verlangte? Der jugendliche Schaffensdrang des Siebzigjährigen
lechzte nach dem Einen was ihm jetzt das Leben war. Und da nun wie-
der Jahre um Jahre in vergeblichem Harren dahingingen, ſo zeichnete er ſtill
entſagend an ſeinen rieſigen Cartons weiter, ohne Hoffnung, nur um der
Stimme des eigenen Genius zu gehorchen. Anfangs mit hohen Ehren
aufgenommen, lernte er bald den eigenthümlichen demokratiſchen Geiſt des
Berliner Lebens kennen, der im Grunde gar nichts gelten läßt und zwar
junge Talente heilſam ſtacheln, ſtolze, gereifte Naturen aber leicht ver-
ſtimmen kann. Auch die wohlweiſen Kritiker der Hauptſtadt fühlten ſchnell,
daß dieſer herriſche kleine Mann mit den ſtreng geſchloſſenen Lippen, den
ſtechenden dunklen Augen unter der ſchwarzen Perrücke nicht ihres gleichen
war, und ſie rächten ſich nach ihrer Weiſe durch hämiſche Angriffe.
Unter allen den mannichfachen Geſtalten menſchlicher Beſchränktheit
erſcheint keine gedankenreichen Köpfen ſo unleidlich wie die Dummheit, die
Alles am beſten weiß; und da dieſe Form der Dummheit in Berlin vor-
herrſchte, ſo wurde die ungemüthliche Stadt dem großen Künſter verleidet.
Hier fand er weder die ſchönheitsfrohe Welt ſeines geliebten Roms, noch
die fröhliche Zecherluſt der Münchener Kumpanei. Angeekelt durch die
Berliner Aufklärung kehrte er im Alter zurück zu ſtrengkatholiſchen An-
ſchauungen, die er in früheren Tagen überwunden hatte. Unterdeſſen be-
gann die Geſchichte über ihn hinwegzuſchreiten; die verwandelte Zeit ver-
langte mit Recht von den Malern Farbenglanz und Naturwahrheit. Cor-
nelius ſelbſt mußte bezweifeln, ob ſich unter dem jungen Geſchlechte noch
Künſtler fänden, die ſeine Cartons je ausführen könnten oder wollten. Alſo
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/232>, abgerufen am 22.11.2024.
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