Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.Rücktritt des Ministeriums Thiers. Ludwig Philipp weil er sich gegen einen Pariser Straßenaufruhr deckenwollte, Thiers weil er weiter schauend erkannte, was die befestigte Haupt- stadt im Kriegsfalle für die Vertheidigung dieses centralisirten Landes leisten konnte.*) Durch Thiers' volksthümlichen Namen wurde die libe- rale Presse für den anfangs wenig beliebten Plan gewonnen, und nach- dem dies Ziel erreicht war, konnte der König leichten Herzens den un- bequemen Mann fallen lassen. Das neue Friedensministerium war sein eigenstes Werk, und nach alter Gewohnheit suchte er nunmehr die vier Mächte zu einiger Nachgiebigkeit zu bewegen indem er ihnen das Schreck- gespenst der Revolution vorhielt. "Wenn das gegenwärtige Cabinet fällt, so schrieb er, dann gebt Euch keiner Täuschung hin: was dann folgt ist der Krieg um jeden Preis und nachher ein vervollkommnetes 1793."**) Auch sein Schwiegersohn König Leopold bemühte sich eifrig für den Dies emsige Treiben des schlauen Coburgers mußte den vier Mächten *) Werther's d. J. Berichte, 16. 30. Sept. 1840. **) König Ludwig Philipp an König Leopold, 5. Nov. 1840. ***) König Leopold an Metternich, mittgetheilt in Maltzan's Bericht v. 21. Aug. 1840, Bülow's Bericht 21. Aug. 1840. +) König Leopold an Bülow, 3. 7. Nov. 1840.
Rücktritt des Miniſteriums Thiers. Ludwig Philipp weil er ſich gegen einen Pariſer Straßenaufruhr deckenwollte, Thiers weil er weiter ſchauend erkannte, was die befeſtigte Haupt- ſtadt im Kriegsfalle für die Vertheidigung dieſes centraliſirten Landes leiſten konnte.*) Durch Thiers’ volksthümlichen Namen wurde die libe- rale Preſſe für den anfangs wenig beliebten Plan gewonnen, und nach- dem dies Ziel erreicht war, konnte der König leichten Herzens den un- bequemen Mann fallen laſſen. Das neue Friedensminiſterium war ſein eigenſtes Werk, und nach alter Gewohnheit ſuchte er nunmehr die vier Mächte zu einiger Nachgiebigkeit zu bewegen indem er ihnen das Schreck- geſpenſt der Revolution vorhielt. „Wenn das gegenwärtige Cabinet fällt, ſo ſchrieb er, dann gebt Euch keiner Täuſchung hin: was dann folgt iſt der Krieg um jeden Preis und nachher ein vervollkommnetes 1793.“**) Auch ſein Schwiegerſohn König Leopold bemühte ſich eifrig für den Dies emſige Treiben des ſchlauen Coburgers mußte den vier Mächten *) Werther’s d. J. Berichte, 16. 30. Sept. 1840. **) König Ludwig Philipp an König Leopold, 5. Nov. 1840. ***) König Leopold an Metternich, mittgetheilt in Maltzan’s Bericht v. 21. Aug. 1840, Bülow’s Bericht 21. Aug. 1840. †) König Leopold an Bülow, 3. 7. Nov. 1840.
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Rücktritt des Miniſteriums Thiers.
Ludwig Philipp weil er ſich gegen einen Pariſer Straßenaufruhr decken
wollte, Thiers weil er weiter ſchauend erkannte, was die befeſtigte Haupt-
ſtadt im Kriegsfalle für die Vertheidigung dieſes centraliſirten Landes
leiſten konnte. *) Durch Thiers’ volksthümlichen Namen wurde die libe-
rale Preſſe für den anfangs wenig beliebten Plan gewonnen, und nach-
dem dies Ziel erreicht war, konnte der König leichten Herzens den un-
bequemen Mann fallen laſſen. Das neue Friedensminiſterium war ſein
eigenſtes Werk, und nach alter Gewohnheit ſuchte er nunmehr die vier
Mächte zu einiger Nachgiebigkeit zu bewegen indem er ihnen das Schreck-
geſpenſt der Revolution vorhielt. „Wenn das gegenwärtige Cabinet fällt,
ſo ſchrieb er, dann gebt Euch keiner Täuſchung hin: was dann folgt iſt
der Krieg um jeden Preis und nachher ein vervollkommnetes 1793.“ **)
Auch ſein Schwiegerſohn König Leopold bemühte ſich eifrig für den
Frieden. Der hatte den Juli-Vertrag von Haus aus als einen Fehler
betrachtet und ſogleich an Metternich warnend geſchrieben: „Bedenken Sie,
welchen Zündſtoff Sie in die Hände von Lord Ponſonby, Napier und
Anderen dieſes Schlages gelegt haben.“ Auf der Freundſchaft der Weſt-
mächte ruhte ſeine eigene Herrſchaft; und da er richtig erkannte, daß die
Friedensſtörung diesmal von England und Rußland ausging, ſo eilte er
ſchwer beſorgt nach Windſor um ſeine königliche Nichte vor dieſem „mon-
ſtröſen“ Kriege zu warnen, und verſuchte zugleich durch Bülow, der ihm
von lange her nahe ſtand, auf Palmerſton einzuwirken. ***) Sobald das
neue Cabinet in Paris gebildet war, beſchwor er den Preußen (3. Nov.),
die vier Mächte möchten dem franzöſiſchen Hofe eine goldene Brücke
bauen: „Laſſen wir das jetzige Miniſterium fallen, ſo bekommen wir Thiers
als Chef der geſammten Linken ins Miniſterium, der unglückliche König
muß ſich dann unterwerfen, und ein Krieg und Unheil jeder Art iſt un-
fehlbar.“ Noch drängender ſchrieb er vier Tage darauf, „da man ja
natürlich annehmen muß, daß man es mit Downing-Street und nicht
mit Bedlam zu thun hat: Ihre Hand hat mit den trefflichen Traktat
unterzeichnet; ſie muß uns daher auch wieder von den Segnungen dieſes
Traktats befreien, an denen wir Alle ſchlagähnlich darniederliegen. Laſſen
Sie mir das gute jetzige Miniſterium umwerfen, ſo armire ich hier ganz
beſtimmt, und das wird dann Deutſchland auch zum Armiren encoura-
giren.“ †)
Dies emſige Treiben des ſchlauen Coburgers mußte den vier Mächten
hochverdächtig erſcheinen, weil er offenbar nur ſagte was ſein Schwieger-
vater ihm eingab. Sie waren, als ſie einſt in ſo vielen Verträgen,
*) Werther’s d. J. Berichte, 16. 30. Sept. 1840.
**) König Ludwig Philipp an König Leopold, 5. Nov. 1840.
***) König Leopold an Metternich, mittgetheilt in Maltzan’s Bericht v. 21. Aug.
1840, Bülow’s Bericht 21. Aug. 1840.
†) König Leopold an Bülow, 3. 7. Nov. 1840.
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