ein Schreiben, das, ohne bestimmte Zusagen zu geben, doch mindestens die Hoffnung erweckte, Preußen und Oesterreich würden "als die ersten Glieder des Deutschen Bundes in geschlossener Stellung auftreten". Auch dies blieben nur leere Worte, die Verhandlungen rückten nicht von der Stelle. Schon waren vier Monate seit dem Julivertrage verflossen, Frank- reichs Rüstungen wurden immer gefährlicher, die Kriegsdrohungen der Pariser Presse immer lauter, und noch war für Deutschlands Vertheidi- gung nur das Eine geschehen, daß Preußen seine rheinischen Festungen in der Stille ausrüstete, die Mobilmachung des Heeres vorbereitete.
Alles wartete auf den neuen König, und nun endlich sah er ein, daß er, die Ehrfurcht von dem k. k. Erzhause überwindend, selber die Vorhand übernehmen mußte. Am 16. Novbr. erschienen in Wien General Grol- man, Preußens angesehenster Heerführer, und Oberst Radowitz, der unter- wegs den sächsischen Hof besucht hatte. Derweil die auswärtigen Diplo- maten noch ihre Anstalten trafen um die erwarteten langwierigen Ver- handlungen zu belauschen, wurden die beiden Preußen schon nach zwei Tagen mit General Ficquelmont handelseins. Grolman's heldenhafter Gradsinn und Radowitz's umfassende Sachkenntniß ergänzten einander sehr glücklich. Sie setzten durch, daß jener preußische Kriegsplan vom Jahre 1831, der damals so peinliche Berathungen veranlaßt hatte, jetzt wieder aufgenommen wurde.*) Nur wollte man diesmal kühner ver- fahren und im Kriegsfalle sogleich zum Angriff schreiten. Also ein preu- ßisch-norddeutsches Heer abwärts von Mainz; ein süddeutsches, durch preußische Truppen verstärkt, am Oberrhein, endlich in Oberschwaben eine österreichische Reserve-Armee, deren Stärke Ficquelmont auf 150,000 Mann anschlug.**) Diesen zuversichtlichen Zahlenangaben traute Grolman freilich ebenso wenig wie den Prahlereien Metternich's, der den kleinen deutschen Gesandten beharrlich versicherte, Oesterreich sei vollkommen gerüstet; der Ge- neral wußte nur zu wohl, in welchem elenden Zustande sich das k. k. Heer befand, und wie dringend Radetzky, immer vergeblich, um Verstärkung mindestens der italienischen Armee flehte.***) Indessen zog er vor keinen Widerspruch zu erheben. Ihm genügte, daß die Hofburg, im Gefühl ihrer Ohnmacht, den Oberbefehl über die deutschen Kleinstaaten thatsäch- lich an Preußen überließ, auch auf den alten Lieblingsplan des k. k. Hof- kriegsraths, auf den Zug durch die Schweiz nicht mehr zurückkam Von der lächerlichen Bundeskriegsverfassung war ohnehin, wie immer in Zeiten der Gefahr, gar nicht mehr die Rede.
Da die günstigen Nachrichten vom orientalischen Kriegsschauplatze den Muth der Hofburg mittlerweile etwas gehoben hatten, so beschlossen die
ein Schreiben, das, ohne beſtimmte Zuſagen zu geben, doch mindeſtens die Hoffnung erweckte, Preußen und Oeſterreich würden „als die erſten Glieder des Deutſchen Bundes in geſchloſſener Stellung auftreten“. Auch dies blieben nur leere Worte, die Verhandlungen rückten nicht von der Stelle. Schon waren vier Monate ſeit dem Julivertrage verfloſſen, Frank- reichs Rüſtungen wurden immer gefährlicher, die Kriegsdrohungen der Pariſer Preſſe immer lauter, und noch war für Deutſchlands Vertheidi- gung nur das Eine geſchehen, daß Preußen ſeine rheiniſchen Feſtungen in der Stille ausrüſtete, die Mobilmachung des Heeres vorbereitete.
Alles wartete auf den neuen König, und nun endlich ſah er ein, daß er, die Ehrfurcht von dem k. k. Erzhauſe überwindend, ſelber die Vorhand übernehmen mußte. Am 16. Novbr. erſchienen in Wien General Grol- man, Preußens angeſehenſter Heerführer, und Oberſt Radowitz, der unter- wegs den ſächſiſchen Hof beſucht hatte. Derweil die auswärtigen Diplo- maten noch ihre Anſtalten trafen um die erwarteten langwierigen Ver- handlungen zu belauſchen, wurden die beiden Preußen ſchon nach zwei Tagen mit General Ficquelmont handelseins. Grolman’s heldenhafter Gradſinn und Radowitz’s umfaſſende Sachkenntniß ergänzten einander ſehr glücklich. Sie ſetzten durch, daß jener preußiſche Kriegsplan vom Jahre 1831, der damals ſo peinliche Berathungen veranlaßt hatte, jetzt wieder aufgenommen wurde.*) Nur wollte man diesmal kühner ver- fahren und im Kriegsfalle ſogleich zum Angriff ſchreiten. Alſo ein preu- ßiſch-norddeutſches Heer abwärts von Mainz; ein ſüddeutſches, durch preußiſche Truppen verſtärkt, am Oberrhein, endlich in Oberſchwaben eine öſterreichiſche Reſerve-Armee, deren Stärke Ficquelmont auf 150,000 Mann anſchlug.**) Dieſen zuverſichtlichen Zahlenangaben traute Grolman freilich ebenſo wenig wie den Prahlereien Metternich’s, der den kleinen deutſchen Geſandten beharrlich verſicherte, Oeſterreich ſei vollkommen gerüſtet; der Ge- neral wußte nur zu wohl, in welchem elenden Zuſtande ſich das k. k. Heer befand, und wie dringend Radetzky, immer vergeblich, um Verſtärkung mindeſtens der italieniſchen Armee flehte.***) Indeſſen zog er vor keinen Widerſpruch zu erheben. Ihm genügte, daß die Hofburg, im Gefühl ihrer Ohnmacht, den Oberbefehl über die deutſchen Kleinſtaaten thatſäch- lich an Preußen überließ, auch auf den alten Lieblingsplan des k. k. Hof- kriegsraths, auf den Zug durch die Schweiz nicht mehr zurückkam Von der lächerlichen Bundeskriegsverfaſſung war ohnehin, wie immer in Zeiten der Gefahr, gar nicht mehr die Rede.
Da die günſtigen Nachrichten vom orientaliſchen Kriegsſchauplatze den Muth der Hofburg mittlerweile etwas gehoben hatten, ſo beſchloſſen die
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V. 2. Die Kriegsgefahr.
ein Schreiben, das, ohne beſtimmte Zuſagen zu geben, doch mindeſtens
die Hoffnung erweckte, Preußen und Oeſterreich würden „als die erſten
Glieder des Deutſchen Bundes in geſchloſſener Stellung auftreten“. Auch
dies blieben nur leere Worte, die Verhandlungen rückten nicht von der
Stelle. Schon waren vier Monate ſeit dem Julivertrage verfloſſen, Frank-
reichs Rüſtungen wurden immer gefährlicher, die Kriegsdrohungen der
Pariſer Preſſe immer lauter, und noch war für Deutſchlands Vertheidi-
gung nur das Eine geſchehen, daß Preußen ſeine rheiniſchen Feſtungen
in der Stille ausrüſtete, die Mobilmachung des Heeres vorbereitete.
Alles wartete auf den neuen König, und nun endlich ſah er ein, daß
er, die Ehrfurcht von dem k. k. Erzhauſe überwindend, ſelber die Vorhand
übernehmen mußte. Am 16. Novbr. erſchienen in Wien General Grol-
man, Preußens angeſehenſter Heerführer, und Oberſt Radowitz, der unter-
wegs den ſächſiſchen Hof beſucht hatte. Derweil die auswärtigen Diplo-
maten noch ihre Anſtalten trafen um die erwarteten langwierigen Ver-
handlungen zu belauſchen, wurden die beiden Preußen ſchon nach zwei
Tagen mit General Ficquelmont handelseins. Grolman’s heldenhafter
Gradſinn und Radowitz’s umfaſſende Sachkenntniß ergänzten einander
ſehr glücklich. Sie ſetzten durch, daß jener preußiſche Kriegsplan vom
Jahre 1831, der damals ſo peinliche Berathungen veranlaßt hatte, jetzt
wieder aufgenommen wurde. *) Nur wollte man diesmal kühner ver-
fahren und im Kriegsfalle ſogleich zum Angriff ſchreiten. Alſo ein preu-
ßiſch-norddeutſches Heer abwärts von Mainz; ein ſüddeutſches, durch
preußiſche Truppen verſtärkt, am Oberrhein, endlich in Oberſchwaben eine
öſterreichiſche Reſerve-Armee, deren Stärke Ficquelmont auf 150,000 Mann
anſchlug. **) Dieſen zuverſichtlichen Zahlenangaben traute Grolman freilich
ebenſo wenig wie den Prahlereien Metternich’s, der den kleinen deutſchen
Geſandten beharrlich verſicherte, Oeſterreich ſei vollkommen gerüſtet; der Ge-
neral wußte nur zu wohl, in welchem elenden Zuſtande ſich das k. k. Heer
befand, und wie dringend Radetzky, immer vergeblich, um Verſtärkung
mindeſtens der italieniſchen Armee flehte. ***) Indeſſen zog er vor keinen
Widerſpruch zu erheben. Ihm genügte, daß die Hofburg, im Gefühl
ihrer Ohnmacht, den Oberbefehl über die deutſchen Kleinſtaaten thatſäch-
lich an Preußen überließ, auch auf den alten Lieblingsplan des k. k. Hof-
kriegsraths, auf den Zug durch die Schweiz nicht mehr zurückkam Von
der lächerlichen Bundeskriegsverfaſſung war ohnehin, wie immer in Zeiten
der Gefahr, gar nicht mehr die Rede.
Da die günſtigen Nachrichten vom orientaliſchen Kriegsſchauplatze den
Muth der Hofburg mittlerweile etwas gehoben hatten, ſo beſchloſſen die
*) S. o. IV. 214. 740.
**) Werther, Weiſung an Liebermann, 3. Dec. Maltzan’s Berichte, 20. 24. Nov.
1840.
***) Maltzan’s Bericht 24. Dec. 1840.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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