noch ein politisches Talent besaß -- den jungen Prinzen Albert -- so bezweifelte er doch niemals, daß jedes Volk sich glücklich schätzen müsse von einem Coburger beherrscht zu werden. Daß sein Haus jemals Unrecht haben könne, kam ihm ebenso wenig in den Sinn wie jenen alten Habs- burgern. Wer das Unglück hatte die Wege der Coburger zu durchkreuzen galt ihm einfach als ein Bösewicht -- so Hardenberg, weil dieser "Treu- lose" die Abtretung des preußischen Henneberg, welche ihm der Herzog von Coburg ohne jeden haltbaren Rechtsgrund zumuthete, gebührender- maßen verweigerte.*)
Der erste Grund zu der neuen Herrlichkeit des ernestinischen Hauses wurde schon während Leopold's Kinderjahren gelegt, als seine Mutter auf einen Wink der Czarin Katharina ihre drei lieblichen Töchter zur gefälligen Auswahl nach Petersburg brachte und der rohe Großfürst Con- stantin der jüngsten Schwester sein Schnupftuch zuwarf. Die friedlose Ehe mußte zwar bald wieder getrennt werden, doch sie bahnte dem Bruder Leopold den Weg in die große Welt. Und als er nun selber erst die englische, dann die französische Prinzessin freite, da hieß es an den Höfen, das sprichwörtliche Hochzeitsglück der Habsburger sei jetzt auf das Cobur- gische Haus übergegangen. Unterdessen heirathete sein Bruder Ferdinand die reiche Erbtochter des Hauses Kohary; ohne Bedenken ließ dieser Sohn des erlauchten Bekennergeschlechtes der Protestanten seine Kinder katholisch taufen, wie auch Leopold's Kinder in Belgien im römischen Glauben erzogen werden mußten. Damit eröffnete sich die tröstliche Aussicht, auch die bigotten iberischen Völker nach Bedarf mit Coburgern zu versorgen. In England aber gelang dem unermüdlichen Ehestifter sein glücklichster Griff. Seine Schwester Victoria, die gute und liebenswürdige Fürstin Wittwe von Leiningen ver- mählte sich mit dem Herzoge von Kent und wurde die Mutter der Thron- folgerin von Großbritannien; so blieb noch möglich, daß die Stellung eines englischen Prinz-Gemahls, welche Leopold einst für sich selbst erhofft, vielleicht doch einem Coburger zufallen konnte. Von großen Gedanken war in dieser Familienpolitik nichts zu spüren; gut bürgerlich ging sie nur darauf aus, die Angehörigen vortheilhaft unterzubringen, obgleich es natürlich nicht an feilen Federn fehlte, welche in Zeitungen und Büchern bewiesen, daß die wahre constitutionelle Freiheit am sichersten unter coburgischem Scepter gedeihe. Zum Heile Europas konnte die große sächsische Hausmacht, welche jetzt so plötzlich wie einst die habsbur- gische in die Höhe schoß, sich nicht wie jene zu einem geschlossenen Welt- reiche ausgestalten. Indeß ward die geheime Wirksamkeit der weitver- zweigten coburgischen Zettelungen und Klitterungen von Jahr zu Jahr stärker, zumal an unseren kleinen Höfen, und sie brachte dem deutschen Volke selten Segen. Dem unsicheren Selbstgefühle der Nation gereichte
*) s. o. II. 480.
Coburgiſche Hauspolitik.
noch ein politiſches Talent beſaß — den jungen Prinzen Albert — ſo bezweifelte er doch niemals, daß jedes Volk ſich glücklich ſchätzen müſſe von einem Coburger beherrſcht zu werden. Daß ſein Haus jemals Unrecht haben könne, kam ihm ebenſo wenig in den Sinn wie jenen alten Habs- burgern. Wer das Unglück hatte die Wege der Coburger zu durchkreuzen galt ihm einfach als ein Böſewicht — ſo Hardenberg, weil dieſer „Treu- loſe“ die Abtretung des preußiſchen Henneberg, welche ihm der Herzog von Coburg ohne jeden haltbaren Rechtsgrund zumuthete, gebührender- maßen verweigerte.*)
Der erſte Grund zu der neuen Herrlichkeit des erneſtiniſchen Hauſes wurde ſchon während Leopold’s Kinderjahren gelegt, als ſeine Mutter auf einen Wink der Czarin Katharina ihre drei lieblichen Töchter zur gefälligen Auswahl nach Petersburg brachte und der rohe Großfürſt Con- ſtantin der jüngſten Schweſter ſein Schnupftuch zuwarf. Die friedloſe Ehe mußte zwar bald wieder getrennt werden, doch ſie bahnte dem Bruder Leopold den Weg in die große Welt. Und als er nun ſelber erſt die engliſche, dann die franzöſiſche Prinzeſſin freite, da hieß es an den Höfen, das ſprichwörtliche Hochzeitsglück der Habsburger ſei jetzt auf das Cobur- giſche Haus übergegangen. Unterdeſſen heirathete ſein Bruder Ferdinand die reiche Erbtochter des Hauſes Kohary; ohne Bedenken ließ dieſer Sohn des erlauchten Bekennergeſchlechtes der Proteſtanten ſeine Kinder katholiſch taufen, wie auch Leopold’s Kinder in Belgien im römiſchen Glauben erzogen werden mußten. Damit eröffnete ſich die tröſtliche Ausſicht, auch die bigotten iberiſchen Völker nach Bedarf mit Coburgern zu verſorgen. In England aber gelang dem unermüdlichen Eheſtifter ſein glücklichſter Griff. Seine Schweſter Victoria, die gute und liebenswürdige Fürſtin Wittwe von Leiningen ver- mählte ſich mit dem Herzoge von Kent und wurde die Mutter der Thron- folgerin von Großbritannien; ſo blieb noch möglich, daß die Stellung eines engliſchen Prinz-Gemahls, welche Leopold einſt für ſich ſelbſt erhofft, vielleicht doch einem Coburger zufallen konnte. Von großen Gedanken war in dieſer Familienpolitik nichts zu ſpüren; gut bürgerlich ging ſie nur darauf aus, die Angehörigen vortheilhaft unterzubringen, obgleich es natürlich nicht an feilen Federn fehlte, welche in Zeitungen und Büchern bewieſen, daß die wahre conſtitutionelle Freiheit am ſicherſten unter coburgiſchem Scepter gedeihe. Zum Heile Europas konnte die große ſächſiſche Hausmacht, welche jetzt ſo plötzlich wie einſt die habsbur- giſche in die Höhe ſchoß, ſich nicht wie jene zu einem geſchloſſenen Welt- reiche ausgeſtalten. Indeß ward die geheime Wirkſamkeit der weitver- zweigten coburgiſchen Zettelungen und Klitterungen von Jahr zu Jahr ſtärker, zumal an unſeren kleinen Höfen, und ſie brachte dem deutſchen Volke ſelten Segen. Dem unſicheren Selbſtgefühle der Nation gereichte
*) ſ. o. II. 480.
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[85/0099]
Coburgiſche Hauspolitik.
noch ein politiſches Talent beſaß — den jungen Prinzen Albert — ſo
bezweifelte er doch niemals, daß jedes Volk ſich glücklich ſchätzen müſſe von
einem Coburger beherrſcht zu werden. Daß ſein Haus jemals Unrecht
haben könne, kam ihm ebenſo wenig in den Sinn wie jenen alten Habs-
burgern. Wer das Unglück hatte die Wege der Coburger zu durchkreuzen
galt ihm einfach als ein Böſewicht — ſo Hardenberg, weil dieſer „Treu-
loſe“ die Abtretung des preußiſchen Henneberg, welche ihm der Herzog
von Coburg ohne jeden haltbaren Rechtsgrund zumuthete, gebührender-
maßen verweigerte. *)
Der erſte Grund zu der neuen Herrlichkeit des erneſtiniſchen Hauſes
wurde ſchon während Leopold’s Kinderjahren gelegt, als ſeine Mutter
auf einen Wink der Czarin Katharina ihre drei lieblichen Töchter zur
gefälligen Auswahl nach Petersburg brachte und der rohe Großfürſt Con-
ſtantin der jüngſten Schweſter ſein Schnupftuch zuwarf. Die friedloſe
Ehe mußte zwar bald wieder getrennt werden, doch ſie bahnte dem Bruder
Leopold den Weg in die große Welt. Und als er nun ſelber erſt die
engliſche, dann die franzöſiſche Prinzeſſin freite, da hieß es an den Höfen,
das ſprichwörtliche Hochzeitsglück der Habsburger ſei jetzt auf das Cobur-
giſche Haus übergegangen. Unterdeſſen heirathete ſein Bruder Ferdinand
die reiche Erbtochter des Hauſes Kohary; ohne Bedenken ließ dieſer Sohn
des erlauchten Bekennergeſchlechtes der Proteſtanten ſeine Kinder katholiſch
taufen, wie auch Leopold’s Kinder in Belgien im römiſchen Glauben erzogen
werden mußten. Damit eröffnete ſich die tröſtliche Ausſicht, auch die bigotten
iberiſchen Völker nach Bedarf mit Coburgern zu verſorgen. In England aber
gelang dem unermüdlichen Eheſtifter ſein glücklichſter Griff. Seine Schweſter
Victoria, die gute und liebenswürdige Fürſtin Wittwe von Leiningen ver-
mählte ſich mit dem Herzoge von Kent und wurde die Mutter der Thron-
folgerin von Großbritannien; ſo blieb noch möglich, daß die Stellung
eines engliſchen Prinz-Gemahls, welche Leopold einſt für ſich ſelbſt erhofft,
vielleicht doch einem Coburger zufallen konnte. Von großen Gedanken
war in dieſer Familienpolitik nichts zu ſpüren; gut bürgerlich ging ſie
nur darauf aus, die Angehörigen vortheilhaft unterzubringen, obgleich
es natürlich nicht an feilen Federn fehlte, welche in Zeitungen und
Büchern bewieſen, daß die wahre conſtitutionelle Freiheit am ſicherſten
unter coburgiſchem Scepter gedeihe. Zum Heile Europas konnte die
große ſächſiſche Hausmacht, welche jetzt ſo plötzlich wie einſt die habsbur-
giſche in die Höhe ſchoß, ſich nicht wie jene zu einem geſchloſſenen Welt-
reiche ausgeſtalten. Indeß ward die geheime Wirkſamkeit der weitver-
zweigten coburgiſchen Zettelungen und Klitterungen von Jahr zu Jahr
ſtärker, zumal an unſeren kleinen Höfen, und ſie brachte dem deutſchen
Volke ſelten Segen. Dem unſicheren Selbſtgefühle der Nation gereichte
*) ſ. o. II. 480.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/99>, abgerufen am 28.11.2024.
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