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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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XX. Preußen und das Bundeskriegswesen 1831.
drei Heere gebildet würden: ein preußisch-norddeutsches an der Mosel, ein süddeutsches,
durch preußische Truppen verstärkt, am Ober- und Mittelrhein, dazu ein österreichisches
Heer in Schwaben. Diese Vorschläge gingen über alle älteren Forderungen Preußens
sehr weit hinaus. Drangen sie durch, so wurde das nördliche Bundesheer unmittelbar,
das mittlere wenigstens mittelbar preußischem Befehle unterstellt, und Oesterreich mußte
sich mit der bescheidenen Rolle einer Hilfsmacht begnügen, während Preußen bei den
früheren Verhandlungen über das Bundeskriegswesen immer nur die Zweitheilung des
Bundesheeres gefordert hatte, so daß Oesterreich die süddeutschen, Preußen die nord-
deutschen Truppen führen sollte. Aber diese neue starke Zumuthung war rein militärisch,
sie wurde ohne jeden politischen Hintergedanken ausgesprochen, sie bezog sich nur auf den
möglichen nächsten Feldzug; und da Metternich selbst bezweifelte, ob Oesterreich an dem
deutschen Kriege wirksamen Antheil nehmen könne, so kam er anfangs den Vorschlägen
Röder's freundlich entgegen. Gleich ihm auch Graf Gyulay mitsammt dem Hofkriegs-
rathe. Nur auf die Ernennung eines Bundesfeldherrn wollte Metternich nicht gern ver-
zichten; aber auch diesen Gedanken hielt er nicht fest, weil der alte Erzherzog Karl, dem
man diese Würde zudachte, wenig geneigt war, ein so peinliches Amt zu übernehmen.
Erst als Feldmarschallleutnant Langenau, vor Zeiten Preußens geschworener Wider-
sacher am Bundestage, zu den Berathungen zugezogen wurde, da erst begannen die
Oesterreicher sich mißtrauisch zu zeigen. Langenau verlangte die Bildung zweier Bundes-
heere unter dem Oberbefehle Oesterreichs und Preußens. Auch dies war schon ein großes
Zugeständniß, da der Wiener Hof früherhin den Plänen des militärischen Dualismus
immer insgeheim widerstrebt hatte.

Während die Wiener Verhandlungen also ohne Entscheidung sich hinzogen und
Fürst Schönburg noch immer unthätig in der Hofburg weilte, entschloß sich König Friedrich
Wilhelm, unmittelbar mit den süddeutschen Bundesgenossen zu unterhandeln. General
Rühle von Lilienstern wurde im Februar nach München, dann zu den anderen Höfen
des Oberlandes gesendet und dort überall sehr herzlich aufgenommen. Man brauchte
Norddeutschlands Waffenhilfe, man mußte bei den schwebenden Zollvereinsverhandlungen
auf Preußens Freundschaft rechnen; überdies hofften Baiern und Baden, ihren Spon-
heimer Erbfolgestreit durch die Vermittelung des Berliner Hofes auszutragen. König
Ludwig von Baiern schrieb glückselig nach Berlin (17. März): "Ew. Kön. Maj. muß ich
die durch General Rühle von Lilienstern's Sendung mir verursachte Freude ausdrücken,
der ich bald nach der vorjährigen Pariser Revolution schon Rücksprache mit Preußen zu
nehmen gewünscht hatte. Ich kenne kein Nord- und kein Süd-Teutschland, nur Teutsch-
land ... bin der Ueberzeugung, daß blos in festem Anschließen an Preußen Heil zu
finden ist. Meiner Ansicht nach haben beide Länder (was fast bei keinem anderen der
Fall) in nichts entgegengesetzte Interessen, sondern gemeinsame Richtung." Die süd-
deutschen Höfe waren mit der Bildung von drei Heeren ganz einverstanden. Sie hielten
namentlich für unerläßlich, daß ihre Truppen nach dem Maine zu ihren Rückzug nehmen
müßten, nicht nach dem Lech, wie Langenau vorschlug; denn sie mißtrauten allesammt
der Leistungsfähigkeit, manche sogar dem guten Willen Oesterreichs und hatten die bösen
Erfahrungen der Revolutionskriege noch in frischer Erinnerung. Sie beschlossen, dem
Feldmarschall Wrede den Befehl über das bairische und das achte Bundesarmeecorps an-
zuvertrauen; sie thaten auch einiges, um diesem achten Corps eine etwas gleichmäßigere
Ordnung zu geben, und beriethen sich vertraulich über Einzelheiten des möglichen Feld-
zugsplanes. Aber dabei blieb es auch: ernstlich zu rüsten wagten sie nicht, während
Oesterreich jetzt eifrig sein Heer zu verstärken anfing, der größte Theil des preußischen
Heeres schon zur Bewachung der belgischen wie der polnischen Grenze aufgeboten war.

Mittlerweile begann die Stimmung in der Hofburg etwas gereizt zu werden, und
dieser Unmuth war nicht ganz grundlos. Gewiß hatte Oesterreich allein durch seine
Saumseligkeit das einseitige Vorgehen Preußens verschuldet. Aber der Bund der drei
großen Ostmächte bildete nun einmal den Grundstein der europäischen Politik Preußens;

XX. Preußen und das Bundeskriegsweſen 1831.
drei Heere gebildet würden: ein preußiſch-norddeutſches an der Moſel, ein ſüddeutſches,
durch preußiſche Truppen verſtärkt, am Ober- und Mittelrhein, dazu ein öſterreichiſches
Heer in Schwaben. Dieſe Vorſchläge gingen über alle älteren Forderungen Preußens
ſehr weit hinaus. Drangen ſie durch, ſo wurde das nördliche Bundesheer unmittelbar,
das mittlere wenigſtens mittelbar preußiſchem Befehle unterſtellt, und Oeſterreich mußte
ſich mit der beſcheidenen Rolle einer Hilfsmacht begnügen, während Preußen bei den
früheren Verhandlungen über das Bundeskriegsweſen immer nur die Zweitheilung des
Bundesheeres gefordert hatte, ſo daß Oeſterreich die ſüddeutſchen, Preußen die nord-
deutſchen Truppen führen ſollte. Aber dieſe neue ſtarke Zumuthung war rein militäriſch,
ſie wurde ohne jeden politiſchen Hintergedanken ausgeſprochen, ſie bezog ſich nur auf den
möglichen nächſten Feldzug; und da Metternich ſelbſt bezweifelte, ob Oeſterreich an dem
deutſchen Kriege wirkſamen Antheil nehmen könne, ſo kam er anfangs den Vorſchlägen
Röder’s freundlich entgegen. Gleich ihm auch Graf Gyulay mitſammt dem Hofkriegs-
rathe. Nur auf die Ernennung eines Bundesfeldherrn wollte Metternich nicht gern ver-
zichten; aber auch dieſen Gedanken hielt er nicht feſt, weil der alte Erzherzog Karl, dem
man dieſe Würde zudachte, wenig geneigt war, ein ſo peinliches Amt zu übernehmen.
Erſt als Feldmarſchallleutnant Langenau, vor Zeiten Preußens geſchworener Wider-
ſacher am Bundestage, zu den Berathungen zugezogen wurde, da erſt begannen die
Oeſterreicher ſich mißtrauiſch zu zeigen. Langenau verlangte die Bildung zweier Bundes-
heere unter dem Oberbefehle Oeſterreichs und Preußens. Auch dies war ſchon ein großes
Zugeſtändniß, da der Wiener Hof früherhin den Plänen des militäriſchen Dualismus
immer insgeheim widerſtrebt hatte.

Während die Wiener Verhandlungen alſo ohne Entſcheidung ſich hinzogen und
Fürſt Schönburg noch immer unthätig in der Hofburg weilte, entſchloß ſich König Friedrich
Wilhelm, unmittelbar mit den ſüddeutſchen Bundesgenoſſen zu unterhandeln. General
Rühle von Lilienſtern wurde im Februar nach München, dann zu den anderen Höfen
des Oberlandes geſendet und dort überall ſehr herzlich aufgenommen. Man brauchte
Norddeutſchlands Waffenhilfe, man mußte bei den ſchwebenden Zollvereinsverhandlungen
auf Preußens Freundſchaft rechnen; überdies hofften Baiern und Baden, ihren Spon-
heimer Erbfolgeſtreit durch die Vermittelung des Berliner Hofes auszutragen. König
Ludwig von Baiern ſchrieb glückſelig nach Berlin (17. März): „Ew. Kön. Maj. muß ich
die durch General Rühle von Lilienſtern’s Sendung mir verurſachte Freude ausdrücken,
der ich bald nach der vorjährigen Pariſer Revolution ſchon Rückſprache mit Preußen zu
nehmen gewünſcht hatte. Ich kenne kein Nord- und kein Süd-Teutſchland, nur Teutſch-
land … bin der Ueberzeugung, daß blos in feſtem Anſchließen an Preußen Heil zu
finden iſt. Meiner Anſicht nach haben beide Länder (was faſt bei keinem anderen der
Fall) in nichts entgegengeſetzte Intereſſen, ſondern gemeinſame Richtung.“ Die ſüd-
deutſchen Höfe waren mit der Bildung von drei Heeren ganz einverſtanden. Sie hielten
namentlich für unerläßlich, daß ihre Truppen nach dem Maine zu ihren Rückzug nehmen
müßten, nicht nach dem Lech, wie Langenau vorſchlug; denn ſie mißtrauten alleſammt
der Leiſtungsfähigkeit, manche ſogar dem guten Willen Oeſterreichs und hatten die böſen
Erfahrungen der Revolutionskriege noch in friſcher Erinnerung. Sie beſchloſſen, dem
Feldmarſchall Wrede den Befehl über das bairiſche und das achte Bundesarmeecorps an-
zuvertrauen; ſie thaten auch einiges, um dieſem achten Corps eine etwas gleichmäßigere
Ordnung zu geben, und beriethen ſich vertraulich über Einzelheiten des möglichen Feld-
zugsplanes. Aber dabei blieb es auch: ernſtlich zu rüſten wagten ſie nicht, während
Oeſterreich jetzt eifrig ſein Heer zu verſtärken anfing, der größte Theil des preußiſchen
Heeres ſchon zur Bewachung der belgiſchen wie der polniſchen Grenze aufgeboten war.

Mittlerweile begann die Stimmung in der Hofburg etwas gereizt zu werden, und
dieſer Unmuth war nicht ganz grundlos. Gewiß hatte Oeſterreich allein durch ſeine
Saumſeligkeit das einſeitige Vorgehen Preußens verſchuldet. Aber der Bund der drei
großen Oſtmächte bildete nun einmal den Grundſtein der europäiſchen Politik Preußens;

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[742/0756] XX. Preußen und das Bundeskriegsweſen 1831. drei Heere gebildet würden: ein preußiſch-norddeutſches an der Moſel, ein ſüddeutſches, durch preußiſche Truppen verſtärkt, am Ober- und Mittelrhein, dazu ein öſterreichiſches Heer in Schwaben. Dieſe Vorſchläge gingen über alle älteren Forderungen Preußens ſehr weit hinaus. Drangen ſie durch, ſo wurde das nördliche Bundesheer unmittelbar, das mittlere wenigſtens mittelbar preußiſchem Befehle unterſtellt, und Oeſterreich mußte ſich mit der beſcheidenen Rolle einer Hilfsmacht begnügen, während Preußen bei den früheren Verhandlungen über das Bundeskriegsweſen immer nur die Zweitheilung des Bundesheeres gefordert hatte, ſo daß Oeſterreich die ſüddeutſchen, Preußen die nord- deutſchen Truppen führen ſollte. Aber dieſe neue ſtarke Zumuthung war rein militäriſch, ſie wurde ohne jeden politiſchen Hintergedanken ausgeſprochen, ſie bezog ſich nur auf den möglichen nächſten Feldzug; und da Metternich ſelbſt bezweifelte, ob Oeſterreich an dem deutſchen Kriege wirkſamen Antheil nehmen könne, ſo kam er anfangs den Vorſchlägen Röder’s freundlich entgegen. Gleich ihm auch Graf Gyulay mitſammt dem Hofkriegs- rathe. Nur auf die Ernennung eines Bundesfeldherrn wollte Metternich nicht gern ver- zichten; aber auch dieſen Gedanken hielt er nicht feſt, weil der alte Erzherzog Karl, dem man dieſe Würde zudachte, wenig geneigt war, ein ſo peinliches Amt zu übernehmen. Erſt als Feldmarſchallleutnant Langenau, vor Zeiten Preußens geſchworener Wider- ſacher am Bundestage, zu den Berathungen zugezogen wurde, da erſt begannen die Oeſterreicher ſich mißtrauiſch zu zeigen. Langenau verlangte die Bildung zweier Bundes- heere unter dem Oberbefehle Oeſterreichs und Preußens. Auch dies war ſchon ein großes Zugeſtändniß, da der Wiener Hof früherhin den Plänen des militäriſchen Dualismus immer insgeheim widerſtrebt hatte. Während die Wiener Verhandlungen alſo ohne Entſcheidung ſich hinzogen und Fürſt Schönburg noch immer unthätig in der Hofburg weilte, entſchloß ſich König Friedrich Wilhelm, unmittelbar mit den ſüddeutſchen Bundesgenoſſen zu unterhandeln. General Rühle von Lilienſtern wurde im Februar nach München, dann zu den anderen Höfen des Oberlandes geſendet und dort überall ſehr herzlich aufgenommen. Man brauchte Norddeutſchlands Waffenhilfe, man mußte bei den ſchwebenden Zollvereinsverhandlungen auf Preußens Freundſchaft rechnen; überdies hofften Baiern und Baden, ihren Spon- heimer Erbfolgeſtreit durch die Vermittelung des Berliner Hofes auszutragen. König Ludwig von Baiern ſchrieb glückſelig nach Berlin (17. März): „Ew. Kön. Maj. muß ich die durch General Rühle von Lilienſtern’s Sendung mir verurſachte Freude ausdrücken, der ich bald nach der vorjährigen Pariſer Revolution ſchon Rückſprache mit Preußen zu nehmen gewünſcht hatte. Ich kenne kein Nord- und kein Süd-Teutſchland, nur Teutſch- land … bin der Ueberzeugung, daß blos in feſtem Anſchließen an Preußen Heil zu finden iſt. Meiner Anſicht nach haben beide Länder (was faſt bei keinem anderen der Fall) in nichts entgegengeſetzte Intereſſen, ſondern gemeinſame Richtung.“ Die ſüd- deutſchen Höfe waren mit der Bildung von drei Heeren ganz einverſtanden. Sie hielten namentlich für unerläßlich, daß ihre Truppen nach dem Maine zu ihren Rückzug nehmen müßten, nicht nach dem Lech, wie Langenau vorſchlug; denn ſie mißtrauten alleſammt der Leiſtungsfähigkeit, manche ſogar dem guten Willen Oeſterreichs und hatten die böſen Erfahrungen der Revolutionskriege noch in friſcher Erinnerung. Sie beſchloſſen, dem Feldmarſchall Wrede den Befehl über das bairiſche und das achte Bundesarmeecorps an- zuvertrauen; ſie thaten auch einiges, um dieſem achten Corps eine etwas gleichmäßigere Ordnung zu geben, und beriethen ſich vertraulich über Einzelheiten des möglichen Feld- zugsplanes. Aber dabei blieb es auch: ernſtlich zu rüſten wagten ſie nicht, während Oeſterreich jetzt eifrig ſein Heer zu verſtärken anfing, der größte Theil des preußiſchen Heeres ſchon zur Bewachung der belgiſchen wie der polniſchen Grenze aufgeboten war. Mittlerweile begann die Stimmung in der Hofburg etwas gereizt zu werden, und dieſer Unmuth war nicht ganz grundlos. Gewiß hatte Oeſterreich allein durch ſeine Saumſeligkeit das einſeitige Vorgehen Preußens verſchuldet. Aber der Bund der drei großen Oſtmächte bildete nun einmal den Grundſtein der europäiſchen Politik Preußens;

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/756>, abgerufen am 19.04.2024.