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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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XIX. Prinz Wilhelm und Prinzessin Elise Radziwill.
Provinzialstände haben wie Preußen?" -- Das alles unter der feierlichen, dem alten
Soldaten geläufigen Betheuerung: ich spreche meine Ansicht immer frei und offen aus,
ich habe immer die Sache, nie die Person im Auge. -- Nachdem er früherhin erklärt
hatte my perfect satisfaction in all and every point, except in three points,
wagte er jetzt zu behaupten: wenn er gegen Ompteda und Falcke nur zwei Punkte hervor-
gehoben habe, "so werde daraus nie der Schluß gezogen werden können, daß Sie allem
Uebrigen Ihren Beifall gegeben hätten". Am anstößigsten erschien ihm jetzt die Kassen-
vereinigung, die er früher mit so inbrünstigem Danke begrüßt hatte: dadurch werde das
königliche Einkommen abhängig von der Bewilligung der Stände. Vergeblich hielt ihm
Lichtenberg vor, daß die Krone vielmehr erst jetzt durch die Krondotation ein völlig selb-
ständiges Einkommen erhalte. Auch auf seine früheren Einwände kam der Herzog wieder
zurück: Wenn man keine Diäten bewilligt hätte und die Stände wären deshalb nicht
zusammengekommen, "so würde gerade dadurch das Gouvernement die Gelegenheit in
den Händen gehabt haben, die Versammlung nicht ferner zu berufen zu brauchen". Dann
eiferte er noch gegen die Oeffentlichkeit des Landtags sowie gegen die neue Organisation
der Cavallerie und ließ sich auch nicht beruhigen, als Lichtenberg ihm vorstellte, der Land-
tag dürfe ja das Militärbudget nur in Bausch und Bogen bewilligen. Selbst der ehr-
furchtsvolle Geheime Rath vermochte am Schlusse seiner Berichte nur zu sagen: "daß,
wenn der unterthänigst gehorsamst Unterzeichnete überhaupt wagen darf eine Ansicht
über den Eindruck anzudeuten, welche die lange Unterredung auf Se. k. Hoheit hervor-
brachte, derselbe wenigstens kein durchaus ungünstiger zu sein schien."

Damit schließen die Akten. Das Ministerium beruhigte sich bei diesem "schien"
des sanften Lichtenberg und trieb in unbegreiflicher Sorglosigkeit dem Staatsstreiche ent-
gegen. Die welfische Tragikomödie fand nachher ihren würdigen Abschluß, als König
Ernst August seinem Lande eigenmächtig dieselbe Verfassung vom Jahre 1819 wieder auf-
erlegte, welche der Herzog von Cumberland einst als völlig widerrechtlich verworfen hatte.

Dem Staatsgrundgesetze folgte am 19. November 1836 das Hausgesetz für das
königliche Haus. Ueber dessen Entstehung weiß ich nichts Nenes zu berichten. Bekannt
ist nur, daß Dahlmann, der dies Hausgesetz auszuarbeiten hatte, am 21. April 1834
vom Cabinetsministerium die amtliche Mittheilung erhielt: die Zustimmung der voll-
jährigen königlichen Prinzen sei erfolgt. Ebenso bekannt, daß der Herzog von Cumber-
land am 18. December 1835 an Geh. Rath Falcke schrieb: er könne als ehrlicher Mann
das Hausgesetz, das so fest mit dem Staatsgrundgesetze zusammenhänge, für jetzt noch
nicht unterzeichnen: I must have much more aid and advice before I can allow
myself to take so serious a step as you propose me doing.
Da jene Versicherung
des Ministeriums unmöglich ganz grundlos sein kann, so drängt sich unabweisbar die
Vermuthung auf, daß der Herzog beiden Gesetzen gegenüber auf dieselbe Weise verfahren
ist: er hat zuerst in unverbindlicher Form seine Zustimmung gegeben, um nachher --
nicht ehrlich zu protestiren, sondern die Entscheidung ins Ungewisse hinauszuschieben.


XIX. Prinz Wilhelm und Prinzessin Elise Radziwill.
Zu Bd. III. 393. IV. 197.

So lange Kaiser Wilhelm I. lebte, hielt ich für schicklich, über seine unglückliche
Jugendliebe nur das Unentbehrliche zu sagen. Heute trage ich kein Bedenken mehr,
meinen Lesern aus dem Briefe des Prinzen Wilhelm vom 23. Juni 1826 die Stellen
mitzutheilen, welche ich vor Jahren den Tagebüchern des Generals Witzleben entnommen
habe. Diese Herzensgeschichte des Begründers unserer Einheit hat für uns Deutsche

XIX. Prinz Wilhelm und Prinzeſſin Eliſe Radziwill.
Provinzialſtände haben wie Preußen?“ — Das alles unter der feierlichen, dem alten
Soldaten geläufigen Betheuerung: ich ſpreche meine Anſicht immer frei und offen aus,
ich habe immer die Sache, nie die Perſon im Auge. — Nachdem er früherhin erklärt
hatte my perfect satisfaction in all and every point, except in three points,
wagte er jetzt zu behaupten: wenn er gegen Ompteda und Falcke nur zwei Punkte hervor-
gehoben habe, „ſo werde daraus nie der Schluß gezogen werden können, daß Sie allem
Uebrigen Ihren Beifall gegeben hätten“. Am anſtößigſten erſchien ihm jetzt die Kaſſen-
vereinigung, die er früher mit ſo inbrünſtigem Danke begrüßt hatte: dadurch werde das
königliche Einkommen abhängig von der Bewilligung der Stände. Vergeblich hielt ihm
Lichtenberg vor, daß die Krone vielmehr erſt jetzt durch die Krondotation ein völlig ſelb-
ſtändiges Einkommen erhalte. Auch auf ſeine früheren Einwände kam der Herzog wieder
zurück: Wenn man keine Diäten bewilligt hätte und die Stände wären deshalb nicht
zuſammengekommen, „ſo würde gerade dadurch das Gouvernement die Gelegenheit in
den Händen gehabt haben, die Verſammlung nicht ferner zu berufen zu brauchen“. Dann
eiferte er noch gegen die Oeffentlichkeit des Landtags ſowie gegen die neue Organiſation
der Cavallerie und ließ ſich auch nicht beruhigen, als Lichtenberg ihm vorſtellte, der Land-
tag dürfe ja das Militärbudget nur in Bauſch und Bogen bewilligen. Selbſt der ehr-
furchtsvolle Geheime Rath vermochte am Schluſſe ſeiner Berichte nur zu ſagen: „daß,
wenn der unterthänigſt gehorſamſt Unterzeichnete überhaupt wagen darf eine Anſicht
über den Eindruck anzudeuten, welche die lange Unterredung auf Se. k. Hoheit hervor-
brachte, derſelbe wenigſtens kein durchaus ungünſtiger zu ſein ſchien.“

Damit ſchließen die Akten. Das Miniſterium beruhigte ſich bei dieſem „ſchien
des ſanften Lichtenberg und trieb in unbegreiflicher Sorgloſigkeit dem Staatsſtreiche ent-
gegen. Die welfiſche Tragikomödie fand nachher ihren würdigen Abſchluß, als König
Ernſt Auguſt ſeinem Lande eigenmächtig dieſelbe Verfaſſung vom Jahre 1819 wieder auf-
erlegte, welche der Herzog von Cumberland einſt als völlig widerrechtlich verworfen hatte.

Dem Staatsgrundgeſetze folgte am 19. November 1836 das Hausgeſetz für das
königliche Haus. Ueber deſſen Entſtehung weiß ich nichts Nenes zu berichten. Bekannt
iſt nur, daß Dahlmann, der dies Hausgeſetz auszuarbeiten hatte, am 21. April 1834
vom Cabinetsminiſterium die amtliche Mittheilung erhielt: die Zuſtimmung der voll-
jährigen königlichen Prinzen ſei erfolgt. Ebenſo bekannt, daß der Herzog von Cumber-
land am 18. December 1835 an Geh. Rath Falcke ſchrieb: er könne als ehrlicher Mann
das Hausgeſetz, das ſo feſt mit dem Staatsgrundgeſetze zuſammenhänge, für jetzt noch
nicht unterzeichnen: I must have much more aid and advice before I can allow
myself to take so serious a step as you propose me doing.
Da jene Verſicherung
des Miniſteriums unmöglich ganz grundlos ſein kann, ſo drängt ſich unabweisbar die
Vermuthung auf, daß der Herzog beiden Geſetzen gegenüber auf dieſelbe Weiſe verfahren
iſt: er hat zuerſt in unverbindlicher Form ſeine Zuſtimmung gegeben, um nachher —
nicht ehrlich zu proteſtiren, ſondern die Entſcheidung ins Ungewiſſe hinauszuſchieben.


XIX. Prinz Wilhelm und Prinzeſſin Eliſe Radziwill.
Zu Bd. III. 393. IV. 197.

So lange Kaiſer Wilhelm I. lebte, hielt ich für ſchicklich, über ſeine unglückliche
Jugendliebe nur das Unentbehrliche zu ſagen. Heute trage ich kein Bedenken mehr,
meinen Leſern aus dem Briefe des Prinzen Wilhelm vom 23. Juni 1826 die Stellen
mitzutheilen, welche ich vor Jahren den Tagebüchern des Generals Witzleben entnommen
habe. Dieſe Herzensgeſchichte des Begründers unſerer Einheit hat für uns Deutſche

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[738/0752] XIX. Prinz Wilhelm und Prinzeſſin Eliſe Radziwill. Provinzialſtände haben wie Preußen?“ — Das alles unter der feierlichen, dem alten Soldaten geläufigen Betheuerung: ich ſpreche meine Anſicht immer frei und offen aus, ich habe immer die Sache, nie die Perſon im Auge. — Nachdem er früherhin erklärt hatte my perfect satisfaction in all and every point, except in three points, wagte er jetzt zu behaupten: wenn er gegen Ompteda und Falcke nur zwei Punkte hervor- gehoben habe, „ſo werde daraus nie der Schluß gezogen werden können, daß Sie allem Uebrigen Ihren Beifall gegeben hätten“. Am anſtößigſten erſchien ihm jetzt die Kaſſen- vereinigung, die er früher mit ſo inbrünſtigem Danke begrüßt hatte: dadurch werde das königliche Einkommen abhängig von der Bewilligung der Stände. Vergeblich hielt ihm Lichtenberg vor, daß die Krone vielmehr erſt jetzt durch die Krondotation ein völlig ſelb- ſtändiges Einkommen erhalte. Auch auf ſeine früheren Einwände kam der Herzog wieder zurück: Wenn man keine Diäten bewilligt hätte und die Stände wären deshalb nicht zuſammengekommen, „ſo würde gerade dadurch das Gouvernement die Gelegenheit in den Händen gehabt haben, die Verſammlung nicht ferner zu berufen zu brauchen“. Dann eiferte er noch gegen die Oeffentlichkeit des Landtags ſowie gegen die neue Organiſation der Cavallerie und ließ ſich auch nicht beruhigen, als Lichtenberg ihm vorſtellte, der Land- tag dürfe ja das Militärbudget nur in Bauſch und Bogen bewilligen. Selbſt der ehr- furchtsvolle Geheime Rath vermochte am Schluſſe ſeiner Berichte nur zu ſagen: „daß, wenn der unterthänigſt gehorſamſt Unterzeichnete überhaupt wagen darf eine Anſicht über den Eindruck anzudeuten, welche die lange Unterredung auf Se. k. Hoheit hervor- brachte, derſelbe wenigſtens kein durchaus ungünſtiger zu ſein ſchien.“ Damit ſchließen die Akten. Das Miniſterium beruhigte ſich bei dieſem „ſchien“ des ſanften Lichtenberg und trieb in unbegreiflicher Sorgloſigkeit dem Staatsſtreiche ent- gegen. Die welfiſche Tragikomödie fand nachher ihren würdigen Abſchluß, als König Ernſt Auguſt ſeinem Lande eigenmächtig dieſelbe Verfaſſung vom Jahre 1819 wieder auf- erlegte, welche der Herzog von Cumberland einſt als völlig widerrechtlich verworfen hatte. Dem Staatsgrundgeſetze folgte am 19. November 1836 das Hausgeſetz für das königliche Haus. Ueber deſſen Entſtehung weiß ich nichts Nenes zu berichten. Bekannt iſt nur, daß Dahlmann, der dies Hausgeſetz auszuarbeiten hatte, am 21. April 1834 vom Cabinetsminiſterium die amtliche Mittheilung erhielt: die Zuſtimmung der voll- jährigen königlichen Prinzen ſei erfolgt. Ebenſo bekannt, daß der Herzog von Cumber- land am 18. December 1835 an Geh. Rath Falcke ſchrieb: er könne als ehrlicher Mann das Hausgeſetz, das ſo feſt mit dem Staatsgrundgeſetze zuſammenhänge, für jetzt noch nicht unterzeichnen: I must have much more aid and advice before I can allow myself to take so serious a step as you propose me doing. Da jene Verſicherung des Miniſteriums unmöglich ganz grundlos ſein kann, ſo drängt ſich unabweisbar die Vermuthung auf, daß der Herzog beiden Geſetzen gegenüber auf dieſelbe Weiſe verfahren iſt: er hat zuerſt in unverbindlicher Form ſeine Zuſtimmung gegeben, um nachher — nicht ehrlich zu proteſtiren, ſondern die Entſcheidung ins Ungewiſſe hinauszuſchieben. XIX. Prinz Wilhelm und Prinzeſſin Eliſe Radziwill. Zu Bd. III. 393. IV. 197. So lange Kaiſer Wilhelm I. lebte, hielt ich für ſchicklich, über ſeine unglückliche Jugendliebe nur das Unentbehrliche zu ſagen. Heute trage ich kein Bedenken mehr, meinen Leſern aus dem Briefe des Prinzen Wilhelm vom 23. Juni 1826 die Stellen mitzutheilen, welche ich vor Jahren den Tagebüchern des Generals Witzleben entnommen habe. Dieſe Herzensgeſchichte des Begründers unſerer Einheit hat für uns Deutſche

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/752>, abgerufen am 25.04.2024.