der König kein Wort der Rüge, er, der die Demagogen vor seinem Bilde knieen ließ. Unterdeß wurde die Schimpferei des Zander'schen Blattes so unfläthig, daß der preußische Gesandte sich ernstlich beschweren mußte.*) Als alle Vorstellungen vergeblich blieben, beschloß der preußische Hof, beim Bundestage das Verbot der Neuen Würzburger Zeitung zu beantragen, und er gewann auch in vertraulichen Vorbesprechungen die Zustimmung sämmtlicher Bundesregierungen zu diesem, nach Lage der Gesetzgebung durchaus berechtigten Antrage. Nun erst lenkte Baiern ein. Im Juni 1838 erklärte der Gesandte Graf Luxburg, ein verständiger Diplomat, der zu Berlin in verdientem Ansehen stand und sich jetzt seines eigenen Hofes im Stillen schämte: König Ludwig verdamme "das undeutsche und nichts- würdige Treiben" des Redacteurs Ernst Zander und habe "den freiwilligen Entschluß" gefaßt, ihn von dem Blatte zu entfernen.**) Die Zeitung selbst wurde nicht verboten.
Werther beruhigte sich bei dieser halb spöttischen Genugthuung. Er wußte nicht, was auch der Gesandte Graf Dönhoff erst nach Monaten erfuhr,***) daß Minister Abel gleichzeitig ein vertrauliches Entschuldigungs- schreiben an die bairischen Bischöfe richtete. Da hieß es: die Neue Würz- burger Zeitung habe durch ihre Haltung in dem Kölner Streite sich den allgemeinen Beifall aller Gutgesinnten erworben, der katholischen Kirche wesentliche und dankenswerthe Dienste geleistet; nur durch Zander's Schmäh- artikel sei die Regierung zum Einschreiten gezwungen worden. Gleichwohl werde der König unerschütterlich bei seinen kirchlichen Grundsätzen ver- harren. "Allerhöchstdessen Name wird in der Geschichte fort und fort neben jenem seines großen Vorvordern Max I. erglänzen, und es werden späte Enkel noch segnend ihre Dankgebete zu dem Ewigen dafür empor- senden, daß er seiner heiligen Kirche in den Zeiten hoher Bedrängniß zum zweiten male einen Schirmherrn aus dem Wittelsbacher Stamme gegeben, der für ihr gutes Recht mit unerschüttertem Muthe eingestanden ist und die Vertheidiger derselben um sich geschaart, ermuthiget, gekräftiget und sieg- reich zum Ziele geführt hat." So war jetzt wirklich die Gesinnung König Ludwig's. Umsonst hielten der verständige Thronfolger und die Königin Wittwe dem verblendeten Fürsten vor, was es auf sich habe, die blutigen Schatten der finstersten Zeit deutscher Geschichte heraufzubeschwören.+) Die preußischen Staatsmänner aber waren peinlich überrascht, als ihr Kron- prinz Friedrich Wilhelm, sobald der Streit wegen der Würzburger Zeitung nothdürftig beigelegt war, den bairischen Hof in Kreuth besuchte -- eine
*) Dönhoff's Berichte, 2. 4. Dec. 1837, 12. März 1838.
**) Luxburg an Werther, 18. Juni; Werther an Luxburg, 17. Juni, an Otterstedt, 18. Juni 1838.
***) Dönhoff's Bericht, 5. März 1839.
+) Dönhoff's Berichte, 13. April 1838 ff.
IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit.
der König kein Wort der Rüge, er, der die Demagogen vor ſeinem Bilde knieen ließ. Unterdeß wurde die Schimpferei des Zander’ſchen Blattes ſo unfläthig, daß der preußiſche Geſandte ſich ernſtlich beſchweren mußte.*) Als alle Vorſtellungen vergeblich blieben, beſchloß der preußiſche Hof, beim Bundestage das Verbot der Neuen Würzburger Zeitung zu beantragen, und er gewann auch in vertraulichen Vorbeſprechungen die Zuſtimmung ſämmtlicher Bundesregierungen zu dieſem, nach Lage der Geſetzgebung durchaus berechtigten Antrage. Nun erſt lenkte Baiern ein. Im Juni 1838 erklärte der Geſandte Graf Luxburg, ein verſtändiger Diplomat, der zu Berlin in verdientem Anſehen ſtand und ſich jetzt ſeines eigenen Hofes im Stillen ſchämte: König Ludwig verdamme „das undeutſche und nichts- würdige Treiben“ des Redacteurs Ernſt Zander und habe „den freiwilligen Entſchluß“ gefaßt, ihn von dem Blatte zu entfernen.**) Die Zeitung ſelbſt wurde nicht verboten.
Werther beruhigte ſich bei dieſer halb ſpöttiſchen Genugthuung. Er wußte nicht, was auch der Geſandte Graf Dönhoff erſt nach Monaten erfuhr,***) daß Miniſter Abel gleichzeitig ein vertrauliches Entſchuldigungs- ſchreiben an die bairiſchen Biſchöfe richtete. Da hieß es: die Neue Würz- burger Zeitung habe durch ihre Haltung in dem Kölner Streite ſich den allgemeinen Beifall aller Gutgeſinnten erworben, der katholiſchen Kirche weſentliche und dankenswerthe Dienſte geleiſtet; nur durch Zander’s Schmäh- artikel ſei die Regierung zum Einſchreiten gezwungen worden. Gleichwohl werde der König unerſchütterlich bei ſeinen kirchlichen Grundſätzen ver- harren. „Allerhöchſtdeſſen Name wird in der Geſchichte fort und fort neben jenem ſeines großen Vorvordern Max I. erglänzen, und es werden ſpäte Enkel noch ſegnend ihre Dankgebete zu dem Ewigen dafür empor- ſenden, daß er ſeiner heiligen Kirche in den Zeiten hoher Bedrängniß zum zweiten male einen Schirmherrn aus dem Wittelsbacher Stamme gegeben, der für ihr gutes Recht mit unerſchüttertem Muthe eingeſtanden iſt und die Vertheidiger derſelben um ſich geſchaart, ermuthiget, gekräftiget und ſieg- reich zum Ziele geführt hat.“ So war jetzt wirklich die Geſinnung König Ludwig’s. Umſonſt hielten der verſtändige Thronfolger und die Königin Wittwe dem verblendeten Fürſten vor, was es auf ſich habe, die blutigen Schatten der finſterſten Zeit deutſcher Geſchichte heraufzubeſchwören.†) Die preußiſchen Staatsmänner aber waren peinlich überraſcht, als ihr Kron- prinz Friedrich Wilhelm, ſobald der Streit wegen der Würzburger Zeitung nothdürftig beigelegt war, den bairiſchen Hof in Kreuth beſuchte — eine
*) Dönhoff’s Berichte, 2. 4. Dec. 1837, 12. März 1838.
**) Luxburg an Werther, 18. Juni; Werther an Luxburg, 17. Juni, an Otterſtedt, 18. Juni 1838.
***) Dönhoff’s Bericht, 5. März 1839.
†) Dönhoff’s Berichte, 13. April 1838 ff.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0736"n="722"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">IV.</hi> 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit.</fw><lb/>
der König kein Wort der Rüge, er, der die Demagogen vor ſeinem Bilde<lb/>
knieen ließ. Unterdeß wurde die Schimpferei des Zander’ſchen Blattes ſo<lb/>
unfläthig, daß der preußiſche Geſandte ſich ernſtlich beſchweren mußte.<noteplace="foot"n="*)">Dönhoff’s Berichte, 2. 4. Dec. 1837, 12. März 1838.</note><lb/>
Als alle Vorſtellungen vergeblich blieben, beſchloß der preußiſche Hof, beim<lb/>
Bundestage das Verbot der Neuen Würzburger Zeitung zu beantragen,<lb/>
und er gewann auch in vertraulichen Vorbeſprechungen die Zuſtimmung<lb/>ſämmtlicher Bundesregierungen zu dieſem, nach Lage der Geſetzgebung<lb/>
durchaus berechtigten Antrage. Nun erſt lenkte Baiern ein. Im Juni 1838<lb/>
erklärte der Geſandte Graf Luxburg, ein verſtändiger Diplomat, der zu<lb/>
Berlin in verdientem Anſehen ſtand und ſich jetzt ſeines eigenen Hofes<lb/>
im Stillen ſchämte: König Ludwig verdamme „das undeutſche und nichts-<lb/>
würdige Treiben“ des Redacteurs Ernſt Zander und habe „den freiwilligen<lb/>
Entſchluß“ gefaßt, ihn von dem Blatte zu entfernen.<noteplace="foot"n="**)">Luxburg an Werther, 18. Juni; Werther an Luxburg, 17. Juni, an Otterſtedt,<lb/>
18. Juni 1838.</note> Die Zeitung ſelbſt<lb/>
wurde nicht verboten.</p><lb/><p>Werther beruhigte ſich bei dieſer halb ſpöttiſchen Genugthuung. Er<lb/>
wußte nicht, was auch der Geſandte Graf Dönhoff erſt nach Monaten<lb/>
erfuhr,<noteplace="foot"n="***)">Dönhoff’s Bericht, 5. März 1839.</note> daß Miniſter Abel gleichzeitig ein vertrauliches Entſchuldigungs-<lb/>ſchreiben an die bairiſchen Biſchöfe richtete. Da hieß es: die Neue Würz-<lb/>
burger Zeitung habe durch ihre Haltung in dem Kölner Streite ſich den<lb/>
allgemeinen Beifall aller Gutgeſinnten erworben, der katholiſchen Kirche<lb/>
weſentliche und dankenswerthe Dienſte geleiſtet; nur durch Zander’s Schmäh-<lb/>
artikel ſei die Regierung zum Einſchreiten gezwungen worden. Gleichwohl<lb/>
werde der König unerſchütterlich bei ſeinen kirchlichen Grundſätzen ver-<lb/>
harren. „Allerhöchſtdeſſen Name wird in der Geſchichte fort und fort<lb/>
neben jenem ſeines großen Vorvordern Max <hirendition="#aq">I.</hi> erglänzen, und es werden<lb/>ſpäte Enkel noch ſegnend ihre Dankgebete zu dem Ewigen dafür empor-<lb/>ſenden, daß er ſeiner heiligen Kirche in den Zeiten hoher Bedrängniß zum<lb/>
zweiten male einen Schirmherrn aus dem Wittelsbacher Stamme gegeben,<lb/>
der für ihr gutes Recht mit unerſchüttertem Muthe eingeſtanden iſt und<lb/>
die Vertheidiger derſelben um ſich geſchaart, ermuthiget, gekräftiget und ſieg-<lb/>
reich zum Ziele geführt hat.“ So war jetzt wirklich die Geſinnung König<lb/>
Ludwig’s. Umſonſt hielten der verſtändige Thronfolger und die Königin<lb/>
Wittwe dem verblendeten Fürſten vor, was es auf ſich habe, die blutigen<lb/>
Schatten der finſterſten Zeit deutſcher Geſchichte heraufzubeſchwören.<noteplace="foot"n="†)">Dönhoff’s Berichte, 13. April 1838 ff.</note> Die<lb/>
preußiſchen Staatsmänner aber waren peinlich überraſcht, als ihr Kron-<lb/>
prinz Friedrich Wilhelm, ſobald der Streit wegen der Würzburger Zeitung<lb/>
nothdürftig beigelegt war, den bairiſchen Hof in Kreuth beſuchte — eine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[722/0736]
IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit.
der König kein Wort der Rüge, er, der die Demagogen vor ſeinem Bilde
knieen ließ. Unterdeß wurde die Schimpferei des Zander’ſchen Blattes ſo
unfläthig, daß der preußiſche Geſandte ſich ernſtlich beſchweren mußte. *)
Als alle Vorſtellungen vergeblich blieben, beſchloß der preußiſche Hof, beim
Bundestage das Verbot der Neuen Würzburger Zeitung zu beantragen,
und er gewann auch in vertraulichen Vorbeſprechungen die Zuſtimmung
ſämmtlicher Bundesregierungen zu dieſem, nach Lage der Geſetzgebung
durchaus berechtigten Antrage. Nun erſt lenkte Baiern ein. Im Juni 1838
erklärte der Geſandte Graf Luxburg, ein verſtändiger Diplomat, der zu
Berlin in verdientem Anſehen ſtand und ſich jetzt ſeines eigenen Hofes
im Stillen ſchämte: König Ludwig verdamme „das undeutſche und nichts-
würdige Treiben“ des Redacteurs Ernſt Zander und habe „den freiwilligen
Entſchluß“ gefaßt, ihn von dem Blatte zu entfernen. **) Die Zeitung ſelbſt
wurde nicht verboten.
Werther beruhigte ſich bei dieſer halb ſpöttiſchen Genugthuung. Er
wußte nicht, was auch der Geſandte Graf Dönhoff erſt nach Monaten
erfuhr, ***) daß Miniſter Abel gleichzeitig ein vertrauliches Entſchuldigungs-
ſchreiben an die bairiſchen Biſchöfe richtete. Da hieß es: die Neue Würz-
burger Zeitung habe durch ihre Haltung in dem Kölner Streite ſich den
allgemeinen Beifall aller Gutgeſinnten erworben, der katholiſchen Kirche
weſentliche und dankenswerthe Dienſte geleiſtet; nur durch Zander’s Schmäh-
artikel ſei die Regierung zum Einſchreiten gezwungen worden. Gleichwohl
werde der König unerſchütterlich bei ſeinen kirchlichen Grundſätzen ver-
harren. „Allerhöchſtdeſſen Name wird in der Geſchichte fort und fort
neben jenem ſeines großen Vorvordern Max I. erglänzen, und es werden
ſpäte Enkel noch ſegnend ihre Dankgebete zu dem Ewigen dafür empor-
ſenden, daß er ſeiner heiligen Kirche in den Zeiten hoher Bedrängniß zum
zweiten male einen Schirmherrn aus dem Wittelsbacher Stamme gegeben,
der für ihr gutes Recht mit unerſchüttertem Muthe eingeſtanden iſt und
die Vertheidiger derſelben um ſich geſchaart, ermuthiget, gekräftiget und ſieg-
reich zum Ziele geführt hat.“ So war jetzt wirklich die Geſinnung König
Ludwig’s. Umſonſt hielten der verſtändige Thronfolger und die Königin
Wittwe dem verblendeten Fürſten vor, was es auf ſich habe, die blutigen
Schatten der finſterſten Zeit deutſcher Geſchichte heraufzubeſchwören. †) Die
preußiſchen Staatsmänner aber waren peinlich überraſcht, als ihr Kron-
prinz Friedrich Wilhelm, ſobald der Streit wegen der Würzburger Zeitung
nothdürftig beigelegt war, den bairiſchen Hof in Kreuth beſuchte — eine
*) Dönhoff’s Berichte, 2. 4. Dec. 1837, 12. März 1838.
**) Luxburg an Werther, 18. Juni; Werther an Luxburg, 17. Juni, an Otterſtedt,
18. Juni 1838.
***) Dönhoff’s Bericht, 5. März 1839.
†) Dönhoff’s Berichte, 13. April 1838 ff.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 722. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/736>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.