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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
oder falsch könne von einer Staats-Entscheidung nicht abhängen". Auf
keinen Fall wollte er sich "einen Eingriff der Staatsgewalt in das Heilig-
thum des Glaubens oder eine Störung der ordnungsmäßigen Bewegung
der vorgesetzten geistlichen Autorität" erlauben.*) Sein getreuer Schmed-
ding betrachtete den Handel sogar mit schlecht verhehlter Schadenfreude und
rieth einem hermesianischen Theologen halb spöttisch, "die Entwicklung dieser
Tragikomödie mit Gelassenheit abzuwarten."**) Daher ließ Altenstein, ob-
gleich das Breve in Preußen noch gar nicht veröffentlicht war, die bethei-
ligten Bonner Professoren bei dem Curator Rehfues zusammenrufen und
ihnen das Versprechen abnehmen, daß sie über Hermes und seine Lehre
in ihren Vorlesungen unverbrüchlich schweigen würden.

Weiter konnte der Staat in seiner Nachgiebigkeit unmöglich gehen.
Der Erzbischof war befugt, das gesammte innere Leben des Bonner Con-
victs, das amtlich als ein Bestandtheil des Kölnischen Priesterseminars ange-
sehen wurde, zu leiten, und wenn er dies Recht ebenso kräftig handhabte
wie sein Vorgänger, so ließ sich die hermesianische Doctrin aus dem theolo-
gischen Unterricht kurzerhand hinausfegen. Droste aber wollte nicht blos
die Lehren, sondern auch die Personen der verhaßten Hermesianer beseitigen.
"Welchen Weg ich einschlage, so schrieb er an Rehfues, darüber bin ich
mit mir noch nicht eins. Das aber steht fest, daß ich das Einschleichen der
die Staaten so sehr beunruhigenden Demagogie in die Kirche nicht dulde
und von allen katholischen Priestern meiner Diöcese, welche Stellung immer
sie einnehmen mögen, in kirchlichen Dingen Gehorsam fordere, weil ich
solchen fordern muß und sie solchen leisten müssen." Als ihn Altenstein
wegen eines belgischen Zeitungsartikels, der nur aus der Kölnischen Kanzlei
herrühren konnte, zur Rede stellte, da erwiderte er grob: "Caplan Michelis
hat Feinde, doch gewiß keine anderen als jene Hermesianer, deren Dünkel
nicht mit seiner Bescheidenheit harmonirt." Es war als ob er Händel
suchte, und der sanftmüthige Minister bemerkte zu dem Schreiben: "dieser
Ton kann sehr weit führen, und es ist daher die Frage was zu thun."***)

Offenbar beabsichtigte der Erzbischof, das Bonner Convict, das die
Theologen doch in einigen Verkehr mit der weltlichen Wissenschaft brachte,
ganz zu zerstören. Früher, schrieb er dem Minister, wurde die Theologie
hier im Kölnischen Seminar gelehrt; "da lernten die Alumnen gewiß nicht
so viel Vernunftbeweise, aber sie lernten Dogmatik, Moral u. s. w., lernten
Theologie, lernten was sie gebrauchen können, und ich danke Gott, daß ich
noch Geistliche aus dieser Zeit in der Erzdiöcese habe."+) Er wollte weder
die Bonner Theologen persönlich vernehmen, wie Rehfues ihm vorschlug,

*) Altenstein an Rehfues, 29. Juni, 27. Oct. 1836, 8. Febr. 1837.
**) Schmedding, 8. März 1836, an einen hermesianischen Geistlichen, dessen Namen
ich nicht kenne.
***) Droste an Rehfues, 6. April 1837; an Altenstein, 16. Dec. 1836.
+) Droste an Altenstein, 22. Dec. 1836.

IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit.
oder falſch könne von einer Staats-Entſcheidung nicht abhängen“. Auf
keinen Fall wollte er ſich „einen Eingriff der Staatsgewalt in das Heilig-
thum des Glaubens oder eine Störung der ordnungsmäßigen Bewegung
der vorgeſetzten geiſtlichen Autorität“ erlauben.*) Sein getreuer Schmed-
ding betrachtete den Handel ſogar mit ſchlecht verhehlter Schadenfreude und
rieth einem hermeſianiſchen Theologen halb ſpöttiſch, „die Entwicklung dieſer
Tragikomödie mit Gelaſſenheit abzuwarten.“**) Daher ließ Altenſtein, ob-
gleich das Breve in Preußen noch gar nicht veröffentlicht war, die bethei-
ligten Bonner Profeſſoren bei dem Curator Rehfues zuſammenrufen und
ihnen das Verſprechen abnehmen, daß ſie über Hermes und ſeine Lehre
in ihren Vorleſungen unverbrüchlich ſchweigen würden.

Weiter konnte der Staat in ſeiner Nachgiebigkeit unmöglich gehen.
Der Erzbiſchof war befugt, das geſammte innere Leben des Bonner Con-
victs, das amtlich als ein Beſtandtheil des Kölniſchen Prieſterſeminars ange-
ſehen wurde, zu leiten, und wenn er dies Recht ebenſo kräftig handhabte
wie ſein Vorgänger, ſo ließ ſich die hermeſianiſche Doctrin aus dem theolo-
giſchen Unterricht kurzerhand hinausfegen. Droſte aber wollte nicht blos
die Lehren, ſondern auch die Perſonen der verhaßten Hermeſianer beſeitigen.
„Welchen Weg ich einſchlage, ſo ſchrieb er an Rehfues, darüber bin ich
mit mir noch nicht eins. Das aber ſteht feſt, daß ich das Einſchleichen der
die Staaten ſo ſehr beunruhigenden Demagogie in die Kirche nicht dulde
und von allen katholiſchen Prieſtern meiner Diöceſe, welche Stellung immer
ſie einnehmen mögen, in kirchlichen Dingen Gehorſam fordere, weil ich
ſolchen fordern muß und ſie ſolchen leiſten müſſen.“ Als ihn Altenſtein
wegen eines belgiſchen Zeitungsartikels, der nur aus der Kölniſchen Kanzlei
herrühren konnte, zur Rede ſtellte, da erwiderte er grob: „Caplan Michelis
hat Feinde, doch gewiß keine anderen als jene Hermeſianer, deren Dünkel
nicht mit ſeiner Beſcheidenheit harmonirt.“ Es war als ob er Händel
ſuchte, und der ſanftmüthige Miniſter bemerkte zu dem Schreiben: „dieſer
Ton kann ſehr weit führen, und es iſt daher die Frage was zu thun.“***)

Offenbar beabſichtigte der Erzbiſchof, das Bonner Convict, das die
Theologen doch in einigen Verkehr mit der weltlichen Wiſſenſchaft brachte,
ganz zu zerſtören. Früher, ſchrieb er dem Miniſter, wurde die Theologie
hier im Kölniſchen Seminar gelehrt; „da lernten die Alumnen gewiß nicht
ſo viel Vernunftbeweiſe, aber ſie lernten Dogmatik, Moral u. ſ. w., lernten
Theologie, lernten was ſie gebrauchen können, und ich danke Gott, daß ich
noch Geiſtliche aus dieſer Zeit in der Erzdiöceſe habe.“†) Er wollte weder
die Bonner Theologen perſönlich vernehmen, wie Rehfues ihm vorſchlug,

*) Altenſtein an Rehfues, 29. Juni, 27. Oct. 1836, 8. Febr. 1837.
**) Schmedding, 8. März 1836, an einen hermeſianiſchen Geiſtlichen, deſſen Namen
ich nicht kenne.
***) Droſte an Rehfues, 6. April 1837; an Altenſtein, 16. Dec. 1836.
†) Droſte an Altenſtein, 22. Dec. 1836.
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[694/0708] IV. 10. Der Kölniſche Biſchofsſtreit. oder falſch könne von einer Staats-Entſcheidung nicht abhängen“. Auf keinen Fall wollte er ſich „einen Eingriff der Staatsgewalt in das Heilig- thum des Glaubens oder eine Störung der ordnungsmäßigen Bewegung der vorgeſetzten geiſtlichen Autorität“ erlauben. *) Sein getreuer Schmed- ding betrachtete den Handel ſogar mit ſchlecht verhehlter Schadenfreude und rieth einem hermeſianiſchen Theologen halb ſpöttiſch, „die Entwicklung dieſer Tragikomödie mit Gelaſſenheit abzuwarten.“ **) Daher ließ Altenſtein, ob- gleich das Breve in Preußen noch gar nicht veröffentlicht war, die bethei- ligten Bonner Profeſſoren bei dem Curator Rehfues zuſammenrufen und ihnen das Verſprechen abnehmen, daß ſie über Hermes und ſeine Lehre in ihren Vorleſungen unverbrüchlich ſchweigen würden. Weiter konnte der Staat in ſeiner Nachgiebigkeit unmöglich gehen. Der Erzbiſchof war befugt, das geſammte innere Leben des Bonner Con- victs, das amtlich als ein Beſtandtheil des Kölniſchen Prieſterſeminars ange- ſehen wurde, zu leiten, und wenn er dies Recht ebenſo kräftig handhabte wie ſein Vorgänger, ſo ließ ſich die hermeſianiſche Doctrin aus dem theolo- giſchen Unterricht kurzerhand hinausfegen. Droſte aber wollte nicht blos die Lehren, ſondern auch die Perſonen der verhaßten Hermeſianer beſeitigen. „Welchen Weg ich einſchlage, ſo ſchrieb er an Rehfues, darüber bin ich mit mir noch nicht eins. Das aber ſteht feſt, daß ich das Einſchleichen der die Staaten ſo ſehr beunruhigenden Demagogie in die Kirche nicht dulde und von allen katholiſchen Prieſtern meiner Diöceſe, welche Stellung immer ſie einnehmen mögen, in kirchlichen Dingen Gehorſam fordere, weil ich ſolchen fordern muß und ſie ſolchen leiſten müſſen.“ Als ihn Altenſtein wegen eines belgiſchen Zeitungsartikels, der nur aus der Kölniſchen Kanzlei herrühren konnte, zur Rede ſtellte, da erwiderte er grob: „Caplan Michelis hat Feinde, doch gewiß keine anderen als jene Hermeſianer, deren Dünkel nicht mit ſeiner Beſcheidenheit harmonirt.“ Es war als ob er Händel ſuchte, und der ſanftmüthige Miniſter bemerkte zu dem Schreiben: „dieſer Ton kann ſehr weit führen, und es iſt daher die Frage was zu thun.“ ***) Offenbar beabſichtigte der Erzbiſchof, das Bonner Convict, das die Theologen doch in einigen Verkehr mit der weltlichen Wiſſenſchaft brachte, ganz zu zerſtören. Früher, ſchrieb er dem Miniſter, wurde die Theologie hier im Kölniſchen Seminar gelehrt; „da lernten die Alumnen gewiß nicht ſo viel Vernunftbeweiſe, aber ſie lernten Dogmatik, Moral u. ſ. w., lernten Theologie, lernten was ſie gebrauchen können, und ich danke Gott, daß ich noch Geiſtliche aus dieſer Zeit in der Erzdiöceſe habe.“ †) Er wollte weder die Bonner Theologen perſönlich vernehmen, wie Rehfues ihm vorſchlug, *) Altenſtein an Rehfues, 29. Juni, 27. Oct. 1836, 8. Febr. 1837. **) Schmedding, 8. März 1836, an einen hermeſianiſchen Geiſtlichen, deſſen Namen ich nicht kenne. ***) Droſte an Rehfues, 6. April 1837; an Altenſtein, 16. Dec. 1836. †) Droſte an Altenſtein, 22. Dec. 1836.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/708>, abgerufen am 18.12.2024.