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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Ministerium Wallerstein.
Rast der politischen Gegensätze in breiten Strömen dem Gebiete der exakten
und technischen Bestrebungen sich zuwendend, hat in unserem Staate keine
hemmenden Dämme gefunden."*) In den Geschäften zeigte sich der Fürst
thätig und geschickt, nur daß er es mit der Wahrheit seiner Berichte nicht
immer sehr genau nahm. Als die Cholera in München einzog, hielt er sich
tapfer und erlaubte keinem Beamten von der Stelle zu weichen. Genug,
König Ludwig konnte mit der kürzesten und friedlichsten Ständeversamm-
lung, die er je erlebt, wohl zufrieden sein und ließ zum Abschied einen
Geschichtsthaler prägen mit der kranzgeschmückten Inschrift: "Der Landtag
von 1834. Ehre dem Ehre gebühret." Ueberhaupt hielt Niemand auf der
Welt die Regierung dieses Fürsten für so denkwürdig wie er selbst. In
jedem Jahre pflegte er durchschnittlich zwei historische Münzen auszugeben;
sei es daß ein Handelsvertrag geschlossen oder ein neuer Orden gestiftet
war, sei es daß man Gold in der Donau gefunden hatte, jede bajuvarische
Großthat, auch jedes Denkmal, das er enthüllen ließ, mußte auf geschmack-
vollen Geschichtsthalern verewigt werden.

Trotzdem war König Ludwig keineswegs gemeint, zu den constitutio-
nellen Idealen seiner Jugend zurückzukehren. Die bitteren Erinnerungen
des Landtags von 1831 konnte er nimmer verwinden; die Verfassung war
ihm nur ein nothwendiges Uebel, sein despotischer Eigenwille scheute kaum
noch die Schranken des formalen Rechts. Hatte er einmal einen seiner
Minister, Schenk, dem Widerstande des Landtags geopfert, so sollten sie
fortan alle nur noch die blinden Werkzeuge seines persönlichen Beliebens
sein. Von ihm allein ging Alles aus; darum durften auch die Zeitungen
nicht mehr von dem Könige und der Regierung, wie von zwei getrennten
Mächten reden. Hartnäckig blieb er dabei, daß die Armee ihre nothwen-
digen Ausgaben zum Besten der Walhallen und Obelisken "erübrigen"
mußte. Von den Stabsoffizieren war schon die größere Hälfte nicht mehr
dienstfähig, und trotz der dringenden Vorstellungen des Kriegsministers
verblieb sogar der siebenundachtzigjährige Artillerie-Commandant, der seit
zwei Jahrzehnten kein Pferd mehr bestiegen hatte, auf seinem Posten, ob-
gleich Baiern an General Zoller einen ausgezeichneten Fachmann besaß,
der die junge Waffe der reitenden Artillerie vortrefflich ausbildete. Seit vier-
zehn Jahren hatten die Truppen kein Manöver mehr abgehalten, und als
sie nun endlich zu einem Uebungsheer auf dem Lechfelde versammelt wurden,
da erschien dies Ereigniß so märchenhaft, daß die gute Stadt Augsburg,
nach dem Vorbilde des Königs, eine historische Münze zum ewigen Ge-
dächtniß prägen ließ. Lerchenfeld wurde schon nach Jahresfrist aus dem
Finanzministerium abermals entfernt; er hatte seiner Pflicht gemäß Ein-
spruch erhoben, als der König ohne ihn zu fragen auf Staatskosten einen

*) Fürst v. Oettingen-Wallerstein an den Ausschuß des bairischen polytechnischen
Vereins, 18. Nov. 1838.

Miniſterium Wallerſtein.
Raſt der politiſchen Gegenſätze in breiten Strömen dem Gebiete der exakten
und techniſchen Beſtrebungen ſich zuwendend, hat in unſerem Staate keine
hemmenden Dämme gefunden.“*) In den Geſchäften zeigte ſich der Fürſt
thätig und geſchickt, nur daß er es mit der Wahrheit ſeiner Berichte nicht
immer ſehr genau nahm. Als die Cholera in München einzog, hielt er ſich
tapfer und erlaubte keinem Beamten von der Stelle zu weichen. Genug,
König Ludwig konnte mit der kürzeſten und friedlichſten Ständeverſamm-
lung, die er je erlebt, wohl zufrieden ſein und ließ zum Abſchied einen
Geſchichtsthaler prägen mit der kranzgeſchmückten Inſchrift: „Der Landtag
von 1834. Ehre dem Ehre gebühret.“ Ueberhaupt hielt Niemand auf der
Welt die Regierung dieſes Fürſten für ſo denkwürdig wie er ſelbſt. In
jedem Jahre pflegte er durchſchnittlich zwei hiſtoriſche Münzen auszugeben;
ſei es daß ein Handelsvertrag geſchloſſen oder ein neuer Orden geſtiftet
war, ſei es daß man Gold in der Donau gefunden hatte, jede bajuvariſche
Großthat, auch jedes Denkmal, das er enthüllen ließ, mußte auf geſchmack-
vollen Geſchichtsthalern verewigt werden.

Trotzdem war König Ludwig keineswegs gemeint, zu den conſtitutio-
nellen Idealen ſeiner Jugend zurückzukehren. Die bitteren Erinnerungen
des Landtags von 1831 konnte er nimmer verwinden; die Verfaſſung war
ihm nur ein nothwendiges Uebel, ſein despotiſcher Eigenwille ſcheute kaum
noch die Schranken des formalen Rechts. Hatte er einmal einen ſeiner
Miniſter, Schenk, dem Widerſtande des Landtags geopfert, ſo ſollten ſie
fortan alle nur noch die blinden Werkzeuge ſeines perſönlichen Beliebens
ſein. Von ihm allein ging Alles aus; darum durften auch die Zeitungen
nicht mehr von dem Könige und der Regierung, wie von zwei getrennten
Mächten reden. Hartnäckig blieb er dabei, daß die Armee ihre nothwen-
digen Ausgaben zum Beſten der Walhallen und Obelisken „erübrigen“
mußte. Von den Stabsoffizieren war ſchon die größere Hälfte nicht mehr
dienſtfähig, und trotz der dringenden Vorſtellungen des Kriegsminiſters
verblieb ſogar der ſiebenundachtzigjährige Artillerie-Commandant, der ſeit
zwei Jahrzehnten kein Pferd mehr beſtiegen hatte, auf ſeinem Poſten, ob-
gleich Baiern an General Zoller einen ausgezeichneten Fachmann beſaß,
der die junge Waffe der reitenden Artillerie vortrefflich ausbildete. Seit vier-
zehn Jahren hatten die Truppen kein Manöver mehr abgehalten, und als
ſie nun endlich zu einem Uebungsheer auf dem Lechfelde verſammelt wurden,
da erſchien dies Ereigniß ſo märchenhaft, daß die gute Stadt Augsburg,
nach dem Vorbilde des Königs, eine hiſtoriſche Münze zum ewigen Ge-
dächtniß prägen ließ. Lerchenfeld wurde ſchon nach Jahresfriſt aus dem
Finanzminiſterium abermals entfernt; er hatte ſeiner Pflicht gemäß Ein-
ſpruch erhoben, als der König ohne ihn zu fragen auf Staatskoſten einen

*) Fürſt v. Oettingen-Wallerſtein an den Ausſchuß des bairiſchen polytechniſchen
Vereins, 18. Nov. 1838.
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[633/0647] Miniſterium Wallerſtein. Raſt der politiſchen Gegenſätze in breiten Strömen dem Gebiete der exakten und techniſchen Beſtrebungen ſich zuwendend, hat in unſerem Staate keine hemmenden Dämme gefunden.“ *) In den Geſchäften zeigte ſich der Fürſt thätig und geſchickt, nur daß er es mit der Wahrheit ſeiner Berichte nicht immer ſehr genau nahm. Als die Cholera in München einzog, hielt er ſich tapfer und erlaubte keinem Beamten von der Stelle zu weichen. Genug, König Ludwig konnte mit der kürzeſten und friedlichſten Ständeverſamm- lung, die er je erlebt, wohl zufrieden ſein und ließ zum Abſchied einen Geſchichtsthaler prägen mit der kranzgeſchmückten Inſchrift: „Der Landtag von 1834. Ehre dem Ehre gebühret.“ Ueberhaupt hielt Niemand auf der Welt die Regierung dieſes Fürſten für ſo denkwürdig wie er ſelbſt. In jedem Jahre pflegte er durchſchnittlich zwei hiſtoriſche Münzen auszugeben; ſei es daß ein Handelsvertrag geſchloſſen oder ein neuer Orden geſtiftet war, ſei es daß man Gold in der Donau gefunden hatte, jede bajuvariſche Großthat, auch jedes Denkmal, das er enthüllen ließ, mußte auf geſchmack- vollen Geſchichtsthalern verewigt werden. Trotzdem war König Ludwig keineswegs gemeint, zu den conſtitutio- nellen Idealen ſeiner Jugend zurückzukehren. Die bitteren Erinnerungen des Landtags von 1831 konnte er nimmer verwinden; die Verfaſſung war ihm nur ein nothwendiges Uebel, ſein despotiſcher Eigenwille ſcheute kaum noch die Schranken des formalen Rechts. Hatte er einmal einen ſeiner Miniſter, Schenk, dem Widerſtande des Landtags geopfert, ſo ſollten ſie fortan alle nur noch die blinden Werkzeuge ſeines perſönlichen Beliebens ſein. Von ihm allein ging Alles aus; darum durften auch die Zeitungen nicht mehr von dem Könige und der Regierung, wie von zwei getrennten Mächten reden. Hartnäckig blieb er dabei, daß die Armee ihre nothwen- digen Ausgaben zum Beſten der Walhallen und Obelisken „erübrigen“ mußte. Von den Stabsoffizieren war ſchon die größere Hälfte nicht mehr dienſtfähig, und trotz der dringenden Vorſtellungen des Kriegsminiſters verblieb ſogar der ſiebenundachtzigjährige Artillerie-Commandant, der ſeit zwei Jahrzehnten kein Pferd mehr beſtiegen hatte, auf ſeinem Poſten, ob- gleich Baiern an General Zoller einen ausgezeichneten Fachmann beſaß, der die junge Waffe der reitenden Artillerie vortrefflich ausbildete. Seit vier- zehn Jahren hatten die Truppen kein Manöver mehr abgehalten, und als ſie nun endlich zu einem Uebungsheer auf dem Lechfelde verſammelt wurden, da erſchien dies Ereigniß ſo märchenhaft, daß die gute Stadt Augsburg, nach dem Vorbilde des Königs, eine hiſtoriſche Münze zum ewigen Ge- dächtniß prägen ließ. Lerchenfeld wurde ſchon nach Jahresfriſt aus dem Finanzminiſterium abermals entfernt; er hatte ſeiner Pflicht gemäß Ein- ſpruch erhoben, als der König ohne ihn zu fragen auf Staatskoſten einen *) Fürſt v. Oettingen-Wallerſtein an den Ausſchuß des bairiſchen polytechniſchen Vereins, 18. Nov. 1838.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/647>, abgerufen am 28.11.2024.