Prinz Karl und die Minister Wittgenstein, Rochow, Werther betheiligten sich, doch der Ertrag bezifferte sich nur auf 1100 Thaler.*) Bedeutende Zahlungen leistete unter sämmtlichen Monarchen allein König Karl Albert von Sardinien, der sich als der eifrigste aller Legitimisten gebärdete und überdies durch seine dynastischen Interessen mit Don Carlos verbunden war. Die Ostmächte thaten nur nothdürftig was der Anstand zu for- dern schien. Indeß diese schwächliche Hilfe genügte, um ihre Gesinnungen zu verrathen; und als der Carlismus am Boden lag, da jauchzte die libe- rale Welt: die Heilige Allianz sei durch den Bund der vier freien Nationen aufs Haupt geschlagen. --
So trat der feine und scharfe Gegensatz, der seit der Juli-Revolution die preußische von der russischen Politik trennte, in allen Fragen erkenn- bar hervor. Die persönliche Freundschaft der beiden Höfe blieb dabei unverändert. Im Herbst 1834 ging Prinz Wilhelm nach Petersburg, um der Einweihung der Alexandersäule beizuwohnen; gleich darauf kam der Czar mit seinem Thronfolger nach Berlin, wo er, im schlichten Rock die Straßen durchwandernd, durch Leutseligkeit und reiche Einkäufe die Laden- besitzer entzückte. Seinen Schwiegervater überschüttete er mit den gewohn- ten zärtlichen Schmeicheleien und beredete ihn zu einem seltsamen thea- tralischen Unternehmen, das der Quadrupel-Allianz die unverbrüchliche Freundschaft Preußens und Rußlands handgreiflich vor die Augen stellen sollte. Im September 1835 bezogen die russischen und einige tausend Mann preußischer Truppen ein gemeinsames Lager bei Kalisch; ein russi- sches Corps kam zu See nach Danzig um durch Westpreußen nach der polnischen Grenzstadt zu marschiren, und die Danziger ließen am Eingange ihres schönen Rathskellers neben dem Artushofe das lebensgroße Conterfei eines acht Fuß langen moskowitischen Tambourmajors abmalen, der den Europäern die Größe des Czarenreichs veranschaulichen mußte. In Kalisch ging es hoch her. Kaiser und Kaiserin empfingen den König mit kindlicher Ehrfurcht, Nikolaus küßte ihm wiederholt die Hände und die Aermel. Tscherkessen und Kosaken zeigten ihre barbarischen Reiterkünste, ein rus- sisches Grenadierregiment verstand sogar den Parademarsch hüpfend aus- zuführen; prächtige Schmäuse und Feuerwerke wechselten ab mit den kriege- rischen Uebungen. Damit sein Schwiegervater sich ganz zu Hause fühle, hatte der Czar die besten Berliner Schauspieler kommen lassen, und als zum Schluß das Kalischer Schloß erstürmt wurde, erschien die Czarin in hellen Gewändern auf dem Altane um als Friedensengel dem Kampfe Einhalt zu gebieten.
Nachher wurde zu Ehren der Castra Calissiensia Russo-Borussica noch eine Denkmünze geschlagen mit den Bildern der beiden Monarchen und
*) Berliner Berichte der hannöverschen Gesandten v. Münchhausen, 28. Sept. 1837, v. Berger, 30. Oct. 1839.
IV. 8. Stille Jahre.
Prinz Karl und die Miniſter Wittgenſtein, Rochow, Werther betheiligten ſich, doch der Ertrag bezifferte ſich nur auf 1100 Thaler.*) Bedeutende Zahlungen leiſtete unter ſämmtlichen Monarchen allein König Karl Albert von Sardinien, der ſich als der eifrigſte aller Legitimiſten gebärdete und überdies durch ſeine dynaſtiſchen Intereſſen mit Don Carlos verbunden war. Die Oſtmächte thaten nur nothdürftig was der Anſtand zu for- dern ſchien. Indeß dieſe ſchwächliche Hilfe genügte, um ihre Geſinnungen zu verrathen; und als der Carlismus am Boden lag, da jauchzte die libe- rale Welt: die Heilige Allianz ſei durch den Bund der vier freien Nationen aufs Haupt geſchlagen. —
So trat der feine und ſcharfe Gegenſatz, der ſeit der Juli-Revolution die preußiſche von der ruſſiſchen Politik trennte, in allen Fragen erkenn- bar hervor. Die perſönliche Freundſchaft der beiden Höfe blieb dabei unverändert. Im Herbſt 1834 ging Prinz Wilhelm nach Petersburg, um der Einweihung der Alexanderſäule beizuwohnen; gleich darauf kam der Czar mit ſeinem Thronfolger nach Berlin, wo er, im ſchlichten Rock die Straßen durchwandernd, durch Leutſeligkeit und reiche Einkäufe die Laden- beſitzer entzückte. Seinen Schwiegervater überſchüttete er mit den gewohn- ten zärtlichen Schmeicheleien und beredete ihn zu einem ſeltſamen thea- traliſchen Unternehmen, das der Quadrupel-Allianz die unverbrüchliche Freundſchaft Preußens und Rußlands handgreiflich vor die Augen ſtellen ſollte. Im September 1835 bezogen die ruſſiſchen und einige tauſend Mann preußiſcher Truppen ein gemeinſames Lager bei Kaliſch; ein ruſſi- ſches Corps kam zu See nach Danzig um durch Weſtpreußen nach der polniſchen Grenzſtadt zu marſchiren, und die Danziger ließen am Eingange ihres ſchönen Rathskellers neben dem Artushofe das lebensgroße Conterfei eines acht Fuß langen moskowitiſchen Tambourmajors abmalen, der den Europäern die Größe des Czarenreichs veranſchaulichen mußte. In Kaliſch ging es hoch her. Kaiſer und Kaiſerin empfingen den König mit kindlicher Ehrfurcht, Nikolaus küßte ihm wiederholt die Hände und die Aermel. Tſcherkeſſen und Koſaken zeigten ihre barbariſchen Reiterkünſte, ein ruſ- ſiſches Grenadierregiment verſtand ſogar den Parademarſch hüpfend aus- zuführen; prächtige Schmäuſe und Feuerwerke wechſelten ab mit den kriege- riſchen Uebungen. Damit ſein Schwiegervater ſich ganz zu Hauſe fühle, hatte der Czar die beſten Berliner Schauſpieler kommen laſſen, und als zum Schluß das Kaliſcher Schloß erſtürmt wurde, erſchien die Czarin in hellen Gewändern auf dem Altane um als Friedensengel dem Kampfe Einhalt zu gebieten.
Nachher wurde zu Ehren der Castra Calissiensia Russo-Borussica noch eine Denkmünze geſchlagen mit den Bildern der beiden Monarchen und
*) Berliner Berichte der hannöverſchen Geſandten v. Münchhauſen, 28. Sept. 1837, v. Berger, 30. Oct. 1839.
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Prinz Karl und die Miniſter Wittgenſtein, Rochow, Werther betheiligten
ſich, doch der Ertrag bezifferte ſich nur auf 1100 Thaler. *) Bedeutende
Zahlungen leiſtete unter ſämmtlichen Monarchen allein König Karl Albert
von Sardinien, der ſich als der eifrigſte aller Legitimiſten gebärdete und
überdies durch ſeine dynaſtiſchen Intereſſen mit Don Carlos verbunden
war. Die Oſtmächte thaten nur nothdürftig was der Anſtand zu for-
dern ſchien. Indeß dieſe ſchwächliche Hilfe genügte, um ihre Geſinnungen
zu verrathen; und als der Carlismus am Boden lag, da jauchzte die libe-
rale Welt: die Heilige Allianz ſei durch den Bund der vier freien Nationen
aufs Haupt geſchlagen. —
So trat der feine und ſcharfe Gegenſatz, der ſeit der Juli-Revolution
die preußiſche von der ruſſiſchen Politik trennte, in allen Fragen erkenn-
bar hervor. Die perſönliche Freundſchaft der beiden Höfe blieb dabei
unverändert. Im Herbſt 1834 ging Prinz Wilhelm nach Petersburg, um
der Einweihung der Alexanderſäule beizuwohnen; gleich darauf kam der
Czar mit ſeinem Thronfolger nach Berlin, wo er, im ſchlichten Rock die
Straßen durchwandernd, durch Leutſeligkeit und reiche Einkäufe die Laden-
beſitzer entzückte. Seinen Schwiegervater überſchüttete er mit den gewohn-
ten zärtlichen Schmeicheleien und beredete ihn zu einem ſeltſamen thea-
traliſchen Unternehmen, das der Quadrupel-Allianz die unverbrüchliche
Freundſchaft Preußens und Rußlands handgreiflich vor die Augen ſtellen
ſollte. Im September 1835 bezogen die ruſſiſchen und einige tauſend
Mann preußiſcher Truppen ein gemeinſames Lager bei Kaliſch; ein ruſſi-
ſches Corps kam zu See nach Danzig um durch Weſtpreußen nach der
polniſchen Grenzſtadt zu marſchiren, und die Danziger ließen am Eingange
ihres ſchönen Rathskellers neben dem Artushofe das lebensgroße Conterfei
eines acht Fuß langen moskowitiſchen Tambourmajors abmalen, der den
Europäern die Größe des Czarenreichs veranſchaulichen mußte. In Kaliſch
ging es hoch her. Kaiſer und Kaiſerin empfingen den König mit kindlicher
Ehrfurcht, Nikolaus küßte ihm wiederholt die Hände und die Aermel.
Tſcherkeſſen und Koſaken zeigten ihre barbariſchen Reiterkünſte, ein ruſ-
ſiſches Grenadierregiment verſtand ſogar den Parademarſch hüpfend aus-
zuführen; prächtige Schmäuſe und Feuerwerke wechſelten ab mit den kriege-
riſchen Uebungen. Damit ſein Schwiegervater ſich ganz zu Hauſe fühle,
hatte der Czar die beſten Berliner Schauſpieler kommen laſſen, und als
zum Schluß das Kaliſcher Schloß erſtürmt wurde, erſchien die Czarin in
hellen Gewändern auf dem Altane um als Friedensengel dem Kampfe
Einhalt zu gebieten.
Nachher wurde zu Ehren der Castra Calissiensia Russo-Borussica
noch eine Denkmünze geſchlagen mit den Bildern der beiden Monarchen und
*) Berliner Berichte der hannöverſchen Geſandten v. Münchhauſen, 28. Sept. 1837,
v. Berger, 30. Oct. 1839.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/526>, abgerufen am 24.11.2024.
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