schen erschien. Erst auf weiten Umwegen gelangte auch der Schlesier Karl Lessing zur historischen Kunst, ein frühreifer, ernster, streng gewissenhafter Künstler, der von dem mannhaften Freimuth seines Großoheims, des Dichters viel geerbt hatte. Sein Bild von dem trauernden Königspaare, das schon weit mehr war als eine gemalte Illustration und den Vergleich mit Uhland's Ballade nicht zu scheuen brauchte, verschaffte ihm zuerst einen Namen; Chamisso sang entzückt:
Ich küsse Dir die Hand, der Greis dem Knaben!
Unbeirrt durch den Beifall, bildete er sich rastlos weiter aus, zunächst als Landschafter. Italien und die Alpen besuchte er niemals, weil er seine Phantasie nicht verwirren und sich die Liebe zu seinen deutschen Mittel- gebirgen nicht verderben wollte. Diese kannte er aus dem Grunde, nament- lich den schwermüthigen Zauber der öden vulkanischen Eifellandschaften, die er durch historische Staffagen zu beleben liebte. Nun erst eröffnete er mit der Hussitenpredigt die Reihe seiner historischen Gemälde, die allesammt bedeutende, dem Gefühle der Gegenwart verständliche Kämpfe behandelten und von den rheinischen Clericalen, ganz mit Unrecht, als protestantische Tendenzbilder verrufen wurden.
Es war das Verdienst dieses kräftigen und wahrhaftigen Mannes, daß die Düsseldorfer Schule nicht in der Kleinmalerei verkam. Auch der Humor fehlte nicht, der dem gefühlsseligen Wesen die Wage hielt. Der Märker Adolf Schrödter verhöhnte die weinerlichen Romantiker in dem Bilde der trauernden Lohgerber, er schuf die Typen des Falstaff und des Don Quixote, wie sie sich seitdem in der deutschen Kunst erhalten haben, und in dem Triumphzuge des Weines faßte er alle die tollen Schwänke zusammen, die sich die jungen Künstler zum Besten gaben, wenn sie auf ihren rheinischen Studienreisen Abends im Goldenen Pfropfenzieher zu Oberwesel beim feurigen Engehöller beisammensaßen. Nach wenigen Jahren zeigte sich aber schon ein Zwiespalt in dem glücklichen Künstlerkreise. Schadow war in Rom zur katholischen Kirche übergetreten und begünstigte mehr und mehr ein neues Nazarenerthum, das technisch geschickter aber noch geistloser war als das alte. Mit diesen süßlichen Madonnenbildern konnte sich der Protestant Lessing unmöglich befreunden; die Zeit nahte heran, da der moderne Rea- lismus sich von den Epigonen der Romantik offen lossagen mußte.
Solche Parteikämpfe waren für das kindliche Gemüth des Westpreußen Eduard Meyerheim kaum vorhanden. Der lebte in Berlin ganz seiner Staffelei und der Musik, wanderte im Sommer in die Berge, nach Thü- ringen oder auf den Harz, und suchte sich dort unter Kleinbürgern und Bauern seine Stoffe. Zarter und weicher als wir heute empfinden, aber frei von falscher Gefühlsseligkeit schilderte er die Anmuth des Herzens, welche das schlichte Volksleben verklärt; seine anheimelnden Bilder wurden den Be- suchern der Ausstellungen bald so unentbehrlich wie die Dorfgeschichten den Lesern. Franz Krüger dagegen bewegte sich ganz auf den Höhen der Ge-
Die Düſſeldorfer Maler. Franz Krüger.
ſchen erſchien. Erſt auf weiten Umwegen gelangte auch der Schleſier Karl Leſſing zur hiſtoriſchen Kunſt, ein frühreifer, ernſter, ſtreng gewiſſenhafter Künſtler, der von dem mannhaften Freimuth ſeines Großoheims, des Dichters viel geerbt hatte. Sein Bild von dem trauernden Königspaare, das ſchon weit mehr war als eine gemalte Illuſtration und den Vergleich mit Uhland’s Ballade nicht zu ſcheuen brauchte, verſchaffte ihm zuerſt einen Namen; Chamiſſo ſang entzückt:
Ich küſſe Dir die Hand, der Greis dem Knaben!
Unbeirrt durch den Beifall, bildete er ſich raſtlos weiter aus, zunächſt als Landſchafter. Italien und die Alpen beſuchte er niemals, weil er ſeine Phantaſie nicht verwirren und ſich die Liebe zu ſeinen deutſchen Mittel- gebirgen nicht verderben wollte. Dieſe kannte er aus dem Grunde, nament- lich den ſchwermüthigen Zauber der öden vulkaniſchen Eifellandſchaften, die er durch hiſtoriſche Staffagen zu beleben liebte. Nun erſt eröffnete er mit der Huſſitenpredigt die Reihe ſeiner hiſtoriſchen Gemälde, die alleſammt bedeutende, dem Gefühle der Gegenwart verſtändliche Kämpfe behandelten und von den rheiniſchen Clericalen, ganz mit Unrecht, als proteſtantiſche Tendenzbilder verrufen wurden.
Es war das Verdienſt dieſes kräftigen und wahrhaftigen Mannes, daß die Düſſeldorfer Schule nicht in der Kleinmalerei verkam. Auch der Humor fehlte nicht, der dem gefühlsſeligen Weſen die Wage hielt. Der Märker Adolf Schrödter verhöhnte die weinerlichen Romantiker in dem Bilde der trauernden Lohgerber, er ſchuf die Typen des Falſtaff und des Don Quixote, wie ſie ſich ſeitdem in der deutſchen Kunſt erhalten haben, und in dem Triumphzuge des Weines faßte er alle die tollen Schwänke zuſammen, die ſich die jungen Künſtler zum Beſten gaben, wenn ſie auf ihren rheiniſchen Studienreiſen Abends im Goldenen Pfropfenzieher zu Oberweſel beim feurigen Engehöller beiſammenſaßen. Nach wenigen Jahren zeigte ſich aber ſchon ein Zwieſpalt in dem glücklichen Künſtlerkreiſe. Schadow war in Rom zur katholiſchen Kirche übergetreten und begünſtigte mehr und mehr ein neues Nazarenerthum, das techniſch geſchickter aber noch geiſtloſer war als das alte. Mit dieſen ſüßlichen Madonnenbildern konnte ſich der Proteſtant Leſſing unmöglich befreunden; die Zeit nahte heran, da der moderne Rea- lismus ſich von den Epigonen der Romantik offen losſagen mußte.
Solche Parteikämpfe waren für das kindliche Gemüth des Weſtpreußen Eduard Meyerheim kaum vorhanden. Der lebte in Berlin ganz ſeiner Staffelei und der Muſik, wanderte im Sommer in die Berge, nach Thü- ringen oder auf den Harz, und ſuchte ſich dort unter Kleinbürgern und Bauern ſeine Stoffe. Zarter und weicher als wir heute empfinden, aber frei von falſcher Gefühlsſeligkeit ſchilderte er die Anmuth des Herzens, welche das ſchlichte Volksleben verklärt; ſeine anheimelnden Bilder wurden den Be- ſuchern der Ausſtellungen bald ſo unentbehrlich wie die Dorfgeſchichten den Leſern. Franz Krüger dagegen bewegte ſich ganz auf den Höhen der Ge-
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Die Düſſeldorfer Maler. Franz Krüger.
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Leſſing zur hiſtoriſchen Kunſt, ein frühreifer, ernſter, ſtreng gewiſſenhafter
Künſtler, der von dem mannhaften Freimuth ſeines Großoheims, des
Dichters viel geerbt hatte. Sein Bild von dem trauernden Königspaare,
das ſchon weit mehr war als eine gemalte Illuſtration und den Vergleich
mit Uhland’s Ballade nicht zu ſcheuen brauchte, verſchaffte ihm zuerſt einen
Namen; Chamiſſo ſang entzückt:
Ich küſſe Dir die Hand, der Greis dem Knaben!
Unbeirrt durch den Beifall, bildete er ſich raſtlos weiter aus, zunächſt als
Landſchafter. Italien und die Alpen beſuchte er niemals, weil er ſeine
Phantaſie nicht verwirren und ſich die Liebe zu ſeinen deutſchen Mittel-
gebirgen nicht verderben wollte. Dieſe kannte er aus dem Grunde, nament-
lich den ſchwermüthigen Zauber der öden vulkaniſchen Eifellandſchaften, die
er durch hiſtoriſche Staffagen zu beleben liebte. Nun erſt eröffnete er mit
der Huſſitenpredigt die Reihe ſeiner hiſtoriſchen Gemälde, die alleſammt
bedeutende, dem Gefühle der Gegenwart verſtändliche Kämpfe behandelten
und von den rheiniſchen Clericalen, ganz mit Unrecht, als proteſtantiſche
Tendenzbilder verrufen wurden.
Es war das Verdienſt dieſes kräftigen und wahrhaftigen Mannes, daß
die Düſſeldorfer Schule nicht in der Kleinmalerei verkam. Auch der Humor
fehlte nicht, der dem gefühlsſeligen Weſen die Wage hielt. Der Märker
Adolf Schrödter verhöhnte die weinerlichen Romantiker in dem Bilde der
trauernden Lohgerber, er ſchuf die Typen des Falſtaff und des Don Quixote,
wie ſie ſich ſeitdem in der deutſchen Kunſt erhalten haben, und in dem
Triumphzuge des Weines faßte er alle die tollen Schwänke zuſammen, die
ſich die jungen Künſtler zum Beſten gaben, wenn ſie auf ihren rheiniſchen
Studienreiſen Abends im Goldenen Pfropfenzieher zu Oberweſel beim
feurigen Engehöller beiſammenſaßen. Nach wenigen Jahren zeigte ſich aber
ſchon ein Zwieſpalt in dem glücklichen Künſtlerkreiſe. Schadow war in Rom
zur katholiſchen Kirche übergetreten und begünſtigte mehr und mehr ein
neues Nazarenerthum, das techniſch geſchickter aber noch geiſtloſer war als
das alte. Mit dieſen ſüßlichen Madonnenbildern konnte ſich der Proteſtant
Leſſing unmöglich befreunden; die Zeit nahte heran, da der moderne Rea-
lismus ſich von den Epigonen der Romantik offen losſagen mußte.
Solche Parteikämpfe waren für das kindliche Gemüth des Weſtpreußen
Eduard Meyerheim kaum vorhanden. Der lebte in Berlin ganz ſeiner
Staffelei und der Muſik, wanderte im Sommer in die Berge, nach Thü-
ringen oder auf den Harz, und ſuchte ſich dort unter Kleinbürgern und
Bauern ſeine Stoffe. Zarter und weicher als wir heute empfinden, aber frei
von falſcher Gefühlsſeligkeit ſchilderte er die Anmuth des Herzens, welche das
ſchlichte Volksleben verklärt; ſeine anheimelnden Bilder wurden den Be-
ſuchern der Ausſtellungen bald ſo unentbehrlich wie die Dorfgeſchichten den
Leſern. Franz Krüger dagegen bewegte ſich ganz auf den Höhen der Ge-
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/473>, abgerufen am 24.11.2024.
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