trennt von dem Lande der Philister." Unablässig pries er den neuen "Bürgerkönig ohne Hofetikette, ohne Edelknaben, ohne Courtisanen, ohne Kuppler, ohne diamantene Trinkgelder und sonstige Herrlichkeiten"; aber auch die "Bergprediger, welche von der Höhe des Convents zu Paris ein dreifarbiges Evangelium herabpredigten, in Uebereinstimmung mit der An- sicht jenes älteren Bergpredigers"; und dann wieder den großen Napoleon, der im Freiheitskriege nur der Macht der Dummheit unterlag, was aber wenig schadete, weil "die Franzosen sogar durch ihre Niederlagen ihre Gegner in Schatten zu stellen wissen". Derweil er unter seinen Fenstern den Pariser Pöbel brüllen hörte: "Warschau ist gefallen, Tod den Russen, Krieg den Preußen!" -- versicherte er dreist, nur die Feinde der Demokratie hetzten die nationalen Vorurtheile auf, der französische Patriotismus um- fasse das gesammte Land der Civilisation mit seiner Liebe, der deutsche ziehe das Herz zusammen wie Leder.
Zugleich gebärdete er sich als politischer Flüchtling und sprach weiner- lich von seinem Exile, während er in Wahrheit allein durch seine Genuß- sucht und seine französischen Neigungen in Paris zurückgehalten wurde. Bald sank er noch tiefer und verkaufte sich dem französischen Hofe; er erbat und empfing viele Jahre hindurch einen Gehalt aus den geheimen Fonds. Zum Danke fuhr er fort sein Vaterland zu begeifern, aber die höhnischen Ausfälle gegen Ludwig Philipp, die er sich früherhin zu- weilen erlaubt, hörten auf. Als er darauf eine Zeitschrift gründen wollte, die auf den Absatz in Preußen berechnet war, wendete er sich durch Varn- hagen's Vermittlung an die preußische Regierung um heilig zu betheuern, wie dankbar er Preußens Verdienste um das Bastardsvolk seiner rheinischen Heimath anerkenne; die Rheinländer, diese Belgier, die alle Fehler der Deutschen aber keine Tugend der Franzosen besäßen, seien erst durch Preußen wieder zu Deutschen geworden. Im Berliner Ministerium wür- digte man diese Versicherungen nach Gebühr, und sobald Heine erfuhr, daß sein Gesuch vergeblich sei, schimpfte er sogleich wieder nach alter Ge- wohnheit auf die "Berliner Ukasuisten und Knutologen", und rief die rheinischen Bogenschützen auf, den häßlichen schwarzen Adler von der Stange zu schießen. Die deutschen Liberalen aber ließen sich in ihrer Bewunderung nicht stören, als im Jahre 1848 das geheime zwischen Guizot und Heine abgeschlossene Handelsgeschäft endlich an den Tag kam; der entlarvte Söld- ling Frankreichs blieb ihnen nach wie vor ein Apostel deutscher Freiheit, und wer etwa noch schüchtern zu behaupten wagte, die Grundsätze der Ehre und der Rechtschaffenheit müßten doch wohl auch für Heine gelten, wurde von der herrschenden Literatenschule als ein geistloser Mensch ab- gefertigt.
Etwas mehr greifbaren Inhalt boten die leichten Plaudereien, mit denen Heine die Pariser über die Geschichte der deutschen Religion, Philosophie und Literatur zu belehren suchte; hier war der Schüler Hegel's doch nicht so
IV. 7. Das Junge Deutſchland.
trennt von dem Lande der Philiſter.“ Unabläſſig pries er den neuen „Bürgerkönig ohne Hofetikette, ohne Edelknaben, ohne Courtiſanen, ohne Kuppler, ohne diamantene Trinkgelder und ſonſtige Herrlichkeiten“; aber auch die „Bergprediger, welche von der Höhe des Convents zu Paris ein dreifarbiges Evangelium herabpredigten, in Uebereinſtimmung mit der An- ſicht jenes älteren Bergpredigers“; und dann wieder den großen Napoleon, der im Freiheitskriege nur der Macht der Dummheit unterlag, was aber wenig ſchadete, weil „die Franzoſen ſogar durch ihre Niederlagen ihre Gegner in Schatten zu ſtellen wiſſen“. Derweil er unter ſeinen Fenſtern den Pariſer Pöbel brüllen hörte: „Warſchau iſt gefallen, Tod den Ruſſen, Krieg den Preußen!“ — verſicherte er dreiſt, nur die Feinde der Demokratie hetzten die nationalen Vorurtheile auf, der franzöſiſche Patriotismus um- faſſe das geſammte Land der Civiliſation mit ſeiner Liebe, der deutſche ziehe das Herz zuſammen wie Leder.
Zugleich gebärdete er ſich als politiſcher Flüchtling und ſprach weiner- lich von ſeinem Exile, während er in Wahrheit allein durch ſeine Genuß- ſucht und ſeine franzöſiſchen Neigungen in Paris zurückgehalten wurde. Bald ſank er noch tiefer und verkaufte ſich dem franzöſiſchen Hofe; er erbat und empfing viele Jahre hindurch einen Gehalt aus den geheimen Fonds. Zum Danke fuhr er fort ſein Vaterland zu begeifern, aber die höhniſchen Ausfälle gegen Ludwig Philipp, die er ſich früherhin zu- weilen erlaubt, hörten auf. Als er darauf eine Zeitſchrift gründen wollte, die auf den Abſatz in Preußen berechnet war, wendete er ſich durch Varn- hagen’s Vermittlung an die preußiſche Regierung um heilig zu betheuern, wie dankbar er Preußens Verdienſte um das Baſtardsvolk ſeiner rheiniſchen Heimath anerkenne; die Rheinländer, dieſe Belgier, die alle Fehler der Deutſchen aber keine Tugend der Franzoſen beſäßen, ſeien erſt durch Preußen wieder zu Deutſchen geworden. Im Berliner Miniſterium wür- digte man dieſe Verſicherungen nach Gebühr, und ſobald Heine erfuhr, daß ſein Geſuch vergeblich ſei, ſchimpfte er ſogleich wieder nach alter Ge- wohnheit auf die „Berliner Ukaſuiſten und Knutologen“, und rief die rheiniſchen Bogenſchützen auf, den häßlichen ſchwarzen Adler von der Stange zu ſchießen. Die deutſchen Liberalen aber ließen ſich in ihrer Bewunderung nicht ſtören, als im Jahre 1848 das geheime zwiſchen Guizot und Heine abgeſchloſſene Handelsgeſchäft endlich an den Tag kam; der entlarvte Söld- ling Frankreichs blieb ihnen nach wie vor ein Apoſtel deutſcher Freiheit, und wer etwa noch ſchüchtern zu behaupten wagte, die Grundſätze der Ehre und der Rechtſchaffenheit müßten doch wohl auch für Heine gelten, wurde von der herrſchenden Literatenſchule als ein geiſtloſer Menſch ab- gefertigt.
Etwas mehr greifbaren Inhalt boten die leichten Plaudereien, mit denen Heine die Pariſer über die Geſchichte der deutſchen Religion, Philoſophie und Literatur zu belehren ſuchte; hier war der Schüler Hegel’s doch nicht ſo
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trennt von dem Lande der Philiſter.“ Unabläſſig pries er den neuen
„Bürgerkönig ohne Hofetikette, ohne Edelknaben, ohne Courtiſanen, ohne
Kuppler, ohne diamantene Trinkgelder und ſonſtige Herrlichkeiten“; aber
auch die „Bergprediger, welche von der Höhe des Convents zu Paris ein
dreifarbiges Evangelium herabpredigten, in Uebereinſtimmung mit der An-
ſicht jenes älteren Bergpredigers“; und dann wieder den großen Napoleon,
der im Freiheitskriege nur der Macht der Dummheit unterlag, was aber
wenig ſchadete, weil „die Franzoſen ſogar durch ihre Niederlagen ihre
Gegner in Schatten zu ſtellen wiſſen“. Derweil er unter ſeinen Fenſtern
den Pariſer Pöbel brüllen hörte: „Warſchau iſt gefallen, Tod den Ruſſen,
Krieg den Preußen!“ — verſicherte er dreiſt, nur die Feinde der Demokratie
hetzten die nationalen Vorurtheile auf, der franzöſiſche Patriotismus um-
faſſe das geſammte Land der Civiliſation mit ſeiner Liebe, der deutſche
ziehe das Herz zuſammen wie Leder.
Zugleich gebärdete er ſich als politiſcher Flüchtling und ſprach weiner-
lich von ſeinem Exile, während er in Wahrheit allein durch ſeine Genuß-
ſucht und ſeine franzöſiſchen Neigungen in Paris zurückgehalten wurde.
Bald ſank er noch tiefer und verkaufte ſich dem franzöſiſchen Hofe; er
erbat und empfing viele Jahre hindurch einen Gehalt aus den geheimen
Fonds. Zum Danke fuhr er fort ſein Vaterland zu begeifern, aber
die höhniſchen Ausfälle gegen Ludwig Philipp, die er ſich früherhin zu-
weilen erlaubt, hörten auf. Als er darauf eine Zeitſchrift gründen wollte,
die auf den Abſatz in Preußen berechnet war, wendete er ſich durch Varn-
hagen’s Vermittlung an die preußiſche Regierung um heilig zu betheuern,
wie dankbar er Preußens Verdienſte um das Baſtardsvolk ſeiner rheiniſchen
Heimath anerkenne; die Rheinländer, dieſe Belgier, die alle Fehler der
Deutſchen aber keine Tugend der Franzoſen beſäßen, ſeien erſt durch
Preußen wieder zu Deutſchen geworden. Im Berliner Miniſterium wür-
digte man dieſe Verſicherungen nach Gebühr, und ſobald Heine erfuhr,
daß ſein Geſuch vergeblich ſei, ſchimpfte er ſogleich wieder nach alter Ge-
wohnheit auf die „Berliner Ukaſuiſten und Knutologen“, und rief die
rheiniſchen Bogenſchützen auf, den häßlichen ſchwarzen Adler von der Stange
zu ſchießen. Die deutſchen Liberalen aber ließen ſich in ihrer Bewunderung
nicht ſtören, als im Jahre 1848 das geheime zwiſchen Guizot und Heine
abgeſchloſſene Handelsgeſchäft endlich an den Tag kam; der entlarvte Söld-
ling Frankreichs blieb ihnen nach wie vor ein Apoſtel deutſcher Freiheit,
und wer etwa noch ſchüchtern zu behaupten wagte, die Grundſätze der
Ehre und der Rechtſchaffenheit müßten doch wohl auch für Heine gelten,
wurde von der herrſchenden Literatenſchule als ein geiſtloſer Menſch ab-
gefertigt.
Etwas mehr greifbaren Inhalt boten die leichten Plaudereien, mit denen
Heine die Pariſer über die Geſchichte der deutſchen Religion, Philoſophie und
Literatur zu belehren ſuchte; hier war der Schüler Hegel’s doch nicht ſo
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/434>, abgerufen am 24.11.2024.
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