mit Oesterreich. Schärfer befragt, verlangte er für Oesterreich wesent- liche Vergünstigungen, so die Herabsetzung der Zölle auf das böhmische Eisen; irgend nennenswerthe Gegenleistungen hatte er nicht zu bieten.
Eine Denkschrift, welche Münch dem König von Baiern insgeheim überreichte, zeigt alle Charakterzüge der k. k. Handelspolitik: maßlose staats- wirthschaftliche Unwissenheit, gänzlichen Mangel an positiven Gedanken und daneben eine dreiste Pfiffigkeit, die nicht ohne Geschick auf die per- sönlichen Schwächen König Ludwig's baut. Da wird bewiesen, wie die bairische Industrie und die Mainschifffahrt durch den Zollverein noth- wendig vernichtet werden müssen: -- Baierns Fabriken nahmen aber erst seit dem Berliner Vertrage von 1829 einen neuen Aufschwung. Des- gleichen, daß Süddeutschland bekanntlich weit mehr consumire als der Norden; daher werde Baiern in einem Zollvereine beständig an Preußen herauszahlen müssen; und welche schreckliche Theuerung drohe in den wohl- feilen Guldenländern einzureißen, sobald man den Verkehr mit den Thaler- ländern frei gebe! List's alter Genosse Miller von Immenstadt, dem die oberdeutschen Kronen ein Gutachten über die Denkschrift abforderten, be- merkte zu diesem Satze: "Nichts beweist schlagender, wie wenig man über die Mittel verlegen ist, wenn man sich zum Zwecke macht zu täuschen." Dann führt Münch aus: Preußen besitze keinen eigentlichen Handel; Zoll- sätze wie die preußischen seien mit schwunghaftem Handel unvereinbar; Baiern dagegen könne bald durch den Donau-Main-Canal den gesammten Durchfuhrhandel zwischen England und dem Schwarzen Meere an sich ziehen und zum einzigen Vermittler des wichtigen griechischen Verkehrs mit dem Westen werden. -- Eben in jenen Tagen standen die helleni- schen Träume König Ludwig's in ihrer Blüthe; und wie sollte der Fürst, der als glücklicherer Nachfolger Karl's des Großen den welthistorischen Wasserweg zwischen Main und Donau erbaute, die ungeheure Bedeutung des bairisch-griechischen Handels verkennen? Freilich der Bau des Lud- wigs-Canals wurde erst ein Jahrzehnt später beendigt, und die Donau in Oesterreich war weder ganz frei noch wirklich schiffbar. Darum schienen die lockenden Aussichten, welche Münch eröffnete, dem Könige von Baiern doch allzu unsicher; er verhandelte weiter mit dem Oesterreicher, ließ aber zugleich die Unterhandlungen in Berlin nicht abreißen. Vollends die po- litischen Warnungen der österreichischen Denkschrift mußten in München und Stuttgart verwundertes Kopfschütteln erregen. Münch versicherte, der Zollverein arbeite den Demagogen in die Hände, sei "das beste Mittel die Regierungen überflüssig zu machen" -- und fast im selben Augen- blicke verschworen sich zu Pforzheim die Liberalen gegen die Handelspolitik des preußischen Absolutismus.*) Sobald die Nachricht einlief, daß Mieg
*) Münch, Denkschrift über einen bairisch-österreichischen Handelsvertrag. "Be- merkungen" dazu vom Obersteuerrath von Miller (durch Fahnenberg dem Karlsruher Hofe mitgetheilt, 1. März 1833).
Oeſterreichs Gegenbeſtrebungen.
mit Oeſterreich. Schärfer befragt, verlangte er für Oeſterreich weſent- liche Vergünſtigungen, ſo die Herabſetzung der Zölle auf das böhmiſche Eiſen; irgend nennenswerthe Gegenleiſtungen hatte er nicht zu bieten.
Eine Denkſchrift, welche Münch dem König von Baiern insgeheim überreichte, zeigt alle Charakterzüge der k. k. Handelspolitik: maßloſe ſtaats- wirthſchaftliche Unwiſſenheit, gänzlichen Mangel an poſitiven Gedanken und daneben eine dreiſte Pfiffigkeit, die nicht ohne Geſchick auf die per- ſönlichen Schwächen König Ludwig’s baut. Da wird bewieſen, wie die bairiſche Induſtrie und die Mainſchifffahrt durch den Zollverein noth- wendig vernichtet werden müſſen: — Baierns Fabriken nahmen aber erſt ſeit dem Berliner Vertrage von 1829 einen neuen Aufſchwung. Des- gleichen, daß Süddeutſchland bekanntlich weit mehr conſumire als der Norden; daher werde Baiern in einem Zollvereine beſtändig an Preußen herauszahlen müſſen; und welche ſchreckliche Theuerung drohe in den wohl- feilen Guldenländern einzureißen, ſobald man den Verkehr mit den Thaler- ländern frei gebe! Liſt’s alter Genoſſe Miller von Immenſtadt, dem die oberdeutſchen Kronen ein Gutachten über die Denkſchrift abforderten, be- merkte zu dieſem Satze: „Nichts beweiſt ſchlagender, wie wenig man über die Mittel verlegen iſt, wenn man ſich zum Zwecke macht zu täuſchen.“ Dann führt Münch aus: Preußen beſitze keinen eigentlichen Handel; Zoll- ſätze wie die preußiſchen ſeien mit ſchwunghaftem Handel unvereinbar; Baiern dagegen könne bald durch den Donau-Main-Canal den geſammten Durchfuhrhandel zwiſchen England und dem Schwarzen Meere an ſich ziehen und zum einzigen Vermittler des wichtigen griechiſchen Verkehrs mit dem Weſten werden. — Eben in jenen Tagen ſtanden die helleni- ſchen Träume König Ludwig’s in ihrer Blüthe; und wie ſollte der Fürſt, der als glücklicherer Nachfolger Karl’s des Großen den welthiſtoriſchen Waſſerweg zwiſchen Main und Donau erbaute, die ungeheure Bedeutung des bairiſch-griechiſchen Handels verkennen? Freilich der Bau des Lud- wigs-Canals wurde erſt ein Jahrzehnt ſpäter beendigt, und die Donau in Oeſterreich war weder ganz frei noch wirklich ſchiffbar. Darum ſchienen die lockenden Ausſichten, welche Münch eröffnete, dem Könige von Baiern doch allzu unſicher; er verhandelte weiter mit dem Oeſterreicher, ließ aber zugleich die Unterhandlungen in Berlin nicht abreißen. Vollends die po- litiſchen Warnungen der öſterreichiſchen Denkſchrift mußten in München und Stuttgart verwundertes Kopfſchütteln erregen. Münch verſicherte, der Zollverein arbeite den Demagogen in die Hände, ſei „das beſte Mittel die Regierungen überflüſſig zu machen“ — und faſt im ſelben Augen- blicke verſchworen ſich zu Pforzheim die Liberalen gegen die Handelspolitik des preußiſchen Abſolutismus.*) Sobald die Nachricht einlief, daß Mieg
*) Münch, Denkſchrift über einen bairiſch-öſterreichiſchen Handelsvertrag. „Be- merkungen“ dazu vom Oberſteuerrath von Miller (durch Fahnenberg dem Karlsruher Hofe mitgetheilt, 1. März 1833).
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Oeſterreichs Gegenbeſtrebungen.
mit Oeſterreich. Schärfer befragt, verlangte er für Oeſterreich weſent-
liche Vergünſtigungen, ſo die Herabſetzung der Zölle auf das böhmiſche
Eiſen; irgend nennenswerthe Gegenleiſtungen hatte er nicht zu bieten.
Eine Denkſchrift, welche Münch dem König von Baiern insgeheim
überreichte, zeigt alle Charakterzüge der k. k. Handelspolitik: maßloſe ſtaats-
wirthſchaftliche Unwiſſenheit, gänzlichen Mangel an poſitiven Gedanken
und daneben eine dreiſte Pfiffigkeit, die nicht ohne Geſchick auf die per-
ſönlichen Schwächen König Ludwig’s baut. Da wird bewieſen, wie die
bairiſche Induſtrie und die Mainſchifffahrt durch den Zollverein noth-
wendig vernichtet werden müſſen: — Baierns Fabriken nahmen aber erſt
ſeit dem Berliner Vertrage von 1829 einen neuen Aufſchwung. Des-
gleichen, daß Süddeutſchland bekanntlich weit mehr conſumire als der
Norden; daher werde Baiern in einem Zollvereine beſtändig an Preußen
herauszahlen müſſen; und welche ſchreckliche Theuerung drohe in den wohl-
feilen Guldenländern einzureißen, ſobald man den Verkehr mit den Thaler-
ländern frei gebe! Liſt’s alter Genoſſe Miller von Immenſtadt, dem die
oberdeutſchen Kronen ein Gutachten über die Denkſchrift abforderten, be-
merkte zu dieſem Satze: „Nichts beweiſt ſchlagender, wie wenig man über
die Mittel verlegen iſt, wenn man ſich zum Zwecke macht zu täuſchen.“
Dann führt Münch aus: Preußen beſitze keinen eigentlichen Handel; Zoll-
ſätze wie die preußiſchen ſeien mit ſchwunghaftem Handel unvereinbar;
Baiern dagegen könne bald durch den Donau-Main-Canal den geſammten
Durchfuhrhandel zwiſchen England und dem Schwarzen Meere an ſich
ziehen und zum einzigen Vermittler des wichtigen griechiſchen Verkehrs
mit dem Weſten werden. — Eben in jenen Tagen ſtanden die helleni-
ſchen Träume König Ludwig’s in ihrer Blüthe; und wie ſollte der Fürſt,
der als glücklicherer Nachfolger Karl’s des Großen den welthiſtoriſchen
Waſſerweg zwiſchen Main und Donau erbaute, die ungeheure Bedeutung
des bairiſch-griechiſchen Handels verkennen? Freilich der Bau des Lud-
wigs-Canals wurde erſt ein Jahrzehnt ſpäter beendigt, und die Donau
in Oeſterreich war weder ganz frei noch wirklich ſchiffbar. Darum ſchienen
die lockenden Ausſichten, welche Münch eröffnete, dem Könige von Baiern
doch allzu unſicher; er verhandelte weiter mit dem Oeſterreicher, ließ aber
zugleich die Unterhandlungen in Berlin nicht abreißen. Vollends die po-
litiſchen Warnungen der öſterreichiſchen Denkſchrift mußten in München
und Stuttgart verwundertes Kopfſchütteln erregen. Münch verſicherte,
der Zollverein arbeite den Demagogen in die Hände, ſei „das beſte Mittel
die Regierungen überflüſſig zu machen“ — und faſt im ſelben Augen-
blicke verſchworen ſich zu Pforzheim die Liberalen gegen die Handelspolitik
des preußiſchen Abſolutismus. *) Sobald die Nachricht einlief, daß Mieg
*) Münch, Denkſchrift über einen bairiſch-öſterreichiſchen Handelsvertrag. „Be-
merkungen“ dazu vom Oberſteuerrath von Miller (durch Fahnenberg dem Karlsruher
Hofe mitgetheilt, 1. März 1833).
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/397>, abgerufen am 24.11.2024.
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