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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Moritz Mohl. Mieg.
dem bestand wenig Freundschaft zwischen den Beamten der beiden König-
reiche; ein Glück nur, daß Schmitz-Grollenburg, der württembergische
Gesandte in München, das Vertrauen König Ludwig's besaß und die
Fäden nicht gänzlich abreißen ließ.

So verging das Jahr in leidiger Verstimmung. Da raffte sich
endlich König Ludwig auf und ließ am Sylvesterabend eine derbe Note
an Schmitz-Grollenburg schreiben: Der süddeutsche Verein sei thatsächlich
aufgelöst, die Wiederaufnahme der preußischen Verhandlungen schlechthin
unvermeidlich. Zugleich kam vom Berliner Hofe eine ernste Mahnung:
wolle man zu Ende gelangen, so müsse statt unbrauchbarer Subalternen
ein fähiger, hochgestellter Staatsmann die Unterhandlungen in Berlin
führen. Der Rath wirkte. Zu Ende Januars 1833 wurde der bairische
Finanzminister v. Mieg als gemeinsamer Bevollmächtigter der beiden
Kronen nach Berlin gesendet: ein Jugendfreund König Ludwig's noch von
den frohen Salzburger Tagen her, ein trefflicher Beamter von großer
Sachkenntniß und seltener Arbeitskraft, die der König nach seiner Weise
bis auf den letzten Tropfen auspreßte -- in der Handespolitik sehr frei
gesinnt, dabei gütig und liebenswürdig, hochgebildet, von feinen gewinnen-
den Formen. Er vermied über Stuttgart zu reisen, weil er der pedan-
tischen Schwerfälligkeit der württembergischen Schreiber mißtraute, sprach
aber unterwegs in Dresden ein, verständigte sich mit den sächsischen Finanz-
männern und erschien am 6. Febr. in der preußischen Hauptstadt. Eichhorn
und Maassen kamen ihm herzlich entgegen; es bewährte sich wieder, wie
Blittersdorff mit ärgerlichem Lobe zu sagen pflegte, "Preußens seltenes
Talent, fremde Staatsmänner in Berlin zu gewinnen." Noch boten sich
der Bedenken viele; allein da Preußen auf seinen erprobten Tarif, seine
festbegründete Zollverwaltung verweisen konnte, so blieb nur übrig, die
im Norden bestehende Ordnung mit einigen Aenderungen anzunehmen.
Preußen verzichtete auf jedes Präcipuum, trotz der Warnungen der Finanz-
partei. Die Einnahmen wurden nach der Kopfzahl vertheilt; nur für die
Schifffahrtsabgaben auf der Oder und Weichsel, die ja gar nicht zur Zoll-
gemeinschaft gehörten, bezog Preußen eine Bauschsumme. Auch der theuerste
Herzenswunsch des bairischen Großmachtsbewußtseins fand Erfüllung:
jeder Staat erhielt das Recht Handelsverträge zu schließen, lediglich die
Verträge mit dem russischen Polen blieben dem preußischen Staate vor-
behalten. Zum Entgelt für so große Zugeständnisse wagte Mieg in
einem Punkte seine Instruktionen zu überschreiten; er bewilligte, daß
die preußische Zollverwaltung des rascheren Uebergangs halber sofort im
Süden provisorisch eingeführt würde, noch bevor die Zollgemeinschaft in
Kraft trat.

Am 4. März wurden die hessischen Bevollmächtigten zur ersten Plenar-
versammlung gerufen, am 22. kam der Vertrag zu Stande: die verbün-
deten Staaten, "in fortgesetzter Fürsorge für die Beförderung der Freiheit

Moritz Mohl. Mieg.
dem beſtand wenig Freundſchaft zwiſchen den Beamten der beiden König-
reiche; ein Glück nur, daß Schmitz-Grollenburg, der württembergiſche
Geſandte in München, das Vertrauen König Ludwig’s beſaß und die
Fäden nicht gänzlich abreißen ließ.

So verging das Jahr in leidiger Verſtimmung. Da raffte ſich
endlich König Ludwig auf und ließ am Sylveſterabend eine derbe Note
an Schmitz-Grollenburg ſchreiben: Der ſüddeutſche Verein ſei thatſächlich
aufgelöſt, die Wiederaufnahme der preußiſchen Verhandlungen ſchlechthin
unvermeidlich. Zugleich kam vom Berliner Hofe eine ernſte Mahnung:
wolle man zu Ende gelangen, ſo müſſe ſtatt unbrauchbarer Subalternen
ein fähiger, hochgeſtellter Staatsmann die Unterhandlungen in Berlin
führen. Der Rath wirkte. Zu Ende Januars 1833 wurde der bairiſche
Finanzminiſter v. Mieg als gemeinſamer Bevollmächtigter der beiden
Kronen nach Berlin geſendet: ein Jugendfreund König Ludwig’s noch von
den frohen Salzburger Tagen her, ein trefflicher Beamter von großer
Sachkenntniß und ſeltener Arbeitskraft, die der König nach ſeiner Weiſe
bis auf den letzten Tropfen auspreßte — in der Handespolitik ſehr frei
geſinnt, dabei gütig und liebenswürdig, hochgebildet, von feinen gewinnen-
den Formen. Er vermied über Stuttgart zu reiſen, weil er der pedan-
tiſchen Schwerfälligkeit der württembergiſchen Schreiber mißtraute, ſprach
aber unterwegs in Dresden ein, verſtändigte ſich mit den ſächſiſchen Finanz-
männern und erſchien am 6. Febr. in der preußiſchen Hauptſtadt. Eichhorn
und Maaſſen kamen ihm herzlich entgegen; es bewährte ſich wieder, wie
Blittersdorff mit ärgerlichem Lobe zu ſagen pflegte, „Preußens ſeltenes
Talent, fremde Staatsmänner in Berlin zu gewinnen.“ Noch boten ſich
der Bedenken viele; allein da Preußen auf ſeinen erprobten Tarif, ſeine
feſtbegründete Zollverwaltung verweiſen konnte, ſo blieb nur übrig, die
im Norden beſtehende Ordnung mit einigen Aenderungen anzunehmen.
Preußen verzichtete auf jedes Präcipuum, trotz der Warnungen der Finanz-
partei. Die Einnahmen wurden nach der Kopfzahl vertheilt; nur für die
Schifffahrtsabgaben auf der Oder und Weichſel, die ja gar nicht zur Zoll-
gemeinſchaft gehörten, bezog Preußen eine Bauſchſumme. Auch der theuerſte
Herzenswunſch des bairiſchen Großmachtsbewußtſeins fand Erfüllung:
jeder Staat erhielt das Recht Handelsverträge zu ſchließen, lediglich die
Verträge mit dem ruſſiſchen Polen blieben dem preußiſchen Staate vor-
behalten. Zum Entgelt für ſo große Zugeſtändniſſe wagte Mieg in
einem Punkte ſeine Inſtruktionen zu überſchreiten; er bewilligte, daß
die preußiſche Zollverwaltung des raſcheren Uebergangs halber ſofort im
Süden proviſoriſch eingeführt würde, noch bevor die Zollgemeinſchaft in
Kraft trat.

Am 4. März wurden die heſſiſchen Bevollmächtigten zur erſten Plenar-
verſammlung gerufen, am 22. kam der Vertrag zu Stande: die verbün-
deten Staaten, „in fortgeſetzter Fürſorge für die Beförderung der Freiheit

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[367/0381] Moritz Mohl. Mieg. dem beſtand wenig Freundſchaft zwiſchen den Beamten der beiden König- reiche; ein Glück nur, daß Schmitz-Grollenburg, der württembergiſche Geſandte in München, das Vertrauen König Ludwig’s beſaß und die Fäden nicht gänzlich abreißen ließ. So verging das Jahr in leidiger Verſtimmung. Da raffte ſich endlich König Ludwig auf und ließ am Sylveſterabend eine derbe Note an Schmitz-Grollenburg ſchreiben: Der ſüddeutſche Verein ſei thatſächlich aufgelöſt, die Wiederaufnahme der preußiſchen Verhandlungen ſchlechthin unvermeidlich. Zugleich kam vom Berliner Hofe eine ernſte Mahnung: wolle man zu Ende gelangen, ſo müſſe ſtatt unbrauchbarer Subalternen ein fähiger, hochgeſtellter Staatsmann die Unterhandlungen in Berlin führen. Der Rath wirkte. Zu Ende Januars 1833 wurde der bairiſche Finanzminiſter v. Mieg als gemeinſamer Bevollmächtigter der beiden Kronen nach Berlin geſendet: ein Jugendfreund König Ludwig’s noch von den frohen Salzburger Tagen her, ein trefflicher Beamter von großer Sachkenntniß und ſeltener Arbeitskraft, die der König nach ſeiner Weiſe bis auf den letzten Tropfen auspreßte — in der Handespolitik ſehr frei geſinnt, dabei gütig und liebenswürdig, hochgebildet, von feinen gewinnen- den Formen. Er vermied über Stuttgart zu reiſen, weil er der pedan- tiſchen Schwerfälligkeit der württembergiſchen Schreiber mißtraute, ſprach aber unterwegs in Dresden ein, verſtändigte ſich mit den ſächſiſchen Finanz- männern und erſchien am 6. Febr. in der preußiſchen Hauptſtadt. Eichhorn und Maaſſen kamen ihm herzlich entgegen; es bewährte ſich wieder, wie Blittersdorff mit ärgerlichem Lobe zu ſagen pflegte, „Preußens ſeltenes Talent, fremde Staatsmänner in Berlin zu gewinnen.“ Noch boten ſich der Bedenken viele; allein da Preußen auf ſeinen erprobten Tarif, ſeine feſtbegründete Zollverwaltung verweiſen konnte, ſo blieb nur übrig, die im Norden beſtehende Ordnung mit einigen Aenderungen anzunehmen. Preußen verzichtete auf jedes Präcipuum, trotz der Warnungen der Finanz- partei. Die Einnahmen wurden nach der Kopfzahl vertheilt; nur für die Schifffahrtsabgaben auf der Oder und Weichſel, die ja gar nicht zur Zoll- gemeinſchaft gehörten, bezog Preußen eine Bauſchſumme. Auch der theuerſte Herzenswunſch des bairiſchen Großmachtsbewußtſeins fand Erfüllung: jeder Staat erhielt das Recht Handelsverträge zu ſchließen, lediglich die Verträge mit dem ruſſiſchen Polen blieben dem preußiſchen Staate vor- behalten. Zum Entgelt für ſo große Zugeſtändniſſe wagte Mieg in einem Punkte ſeine Inſtruktionen zu überſchreiten; er bewilligte, daß die preußiſche Zollverwaltung des raſcheren Uebergangs halber ſofort im Süden proviſoriſch eingeführt würde, noch bevor die Zollgemeinſchaft in Kraft trat. Am 4. März wurden die heſſiſchen Bevollmächtigten zur erſten Plenar- verſammlung gerufen, am 22. kam der Vertrag zu Stande: die verbün- deten Staaten, „in fortgeſetzter Fürſorge für die Beförderung der Freiheit

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/381>, abgerufen am 24.11.2024.