mächten.*) Nach der Meinung des österreichischen Staatsmannes mußte jetzt ein- für allemal aufgeräumt werden mit den sämmtlichen deutschen Verfassungen neufranzösischen Stiles; der vermessene Staatsstreichsplan seines getreuen Marschall behagte ihm wohl. Maltzahn dagegen hatte gemessenen Befehl, jeden rechtswidrigen Eingriff in die Landesverfassungen zurückzuweisen. Er erklärte: die Vorschriften der Schlußakte genügten vollauf, wenn man sie nur entschlossen handhabe; der Bundestag solle sich begnügen, den Sinn seiner Grundgesetze deutlich auszusprechen und ihre Befolgung den Regierungen nachdrücklich einzuschärfen. Dem Unfug der Presse und der Versammlungen lasse sich steuern, wenn der Bund und die Landesbehörden auf Grund der vorhandenen Gesetze sofort mit strengen Verboten einschritten. Da ein neues organisches Bundesgesetz nur durch einhelligen Beschluß zu Stande kommen konnte, so mußte Metternich dem Preußen schließlich nachgeben**), und man einigte sich über sechs dem Bundestage vorzulegende Artikel, welche im Wesentlichen nichts Neues ent- hielten, sondern nur den bestehenden Gesetzen eine scharfe Auslegung gaben.
Die Sechs Artikel beriefen sich auf das "monarchische Princip" der Art. 57 und 58 der Schlußakte und bestimmten demgemäß: Da die ge- sammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben muß, so sind die deutschen Souveräne verpflichtet, Anträge der Stände, welche dieser Vorschrift widersprechen, zu verwerfen. Ferner dürfen die Landstände den Fürsten weder die zur Führung einer verfassungsmäßigen Regierung erforderlichen Mittel verweigern noch die Bewilligung dieser Summen zur "Durchsetzung anderweiter Wünsche" mißbrauchen -- eine deutliche Antwort auf das Verhalten des badischen Landtags bei der Berathung des Preßgesetzes. Drittens soll die Gesetzgebung der Bundes- staaten der Erfüllung ihrer Bundespflichten keinen Eintrag thun. Um die Landtage zu überwachen und alle Ausschreitungen zur Sprache zu bringen, wird viertens am Bundestage eine besondere Commission eingesetzt. Zum fünften verpflichten sich die Regierungen, jeden Angriff der Landtage auf den Bund zu verhüten. Endlich wird nochmals daran erinnert, daß die Aus- legung der Grundgesetze des Bundes allein der Bundesversammlung zustehe.
Dergestalt hatte Bernstorff dicht vor dem Ende seiner politischen Laufbahn noch einmal den reaktionären Anschlägen des Wiener Hofes den Kern ausgebrochen. Dafür mußte er aber auch auf seine eigenen bescheidenen Reformpläne verzichten. Sein Preßgesetz-Entwurf stieß im preußischen Ministerium selbst auf unbesieglichen Widerstand. Altenstein, der sich die leidige Bundespolitik gern vom Leibe hielt, meinte ärgerlich: mit dem alten Preßgesetze lasse sich sehr wohl auskommen;***) zu streng sei die preußische Censur sicherlich nicht, der russische Gesandte beschwere
*) Nesselrode, Weisung an Tatistschew, 7. Oct. 1831.
**) Tettenborn's Bericht, Wien 3. Jan. 1832.
***) Frankenberg's Bericht, 9. Oct. 1832.
IV. 5. Wiederbefeſtigung der alten Gewalten.
mächten.*) Nach der Meinung des öſterreichiſchen Staatsmannes mußte jetzt ein- für allemal aufgeräumt werden mit den ſämmtlichen deutſchen Verfaſſungen neufranzöſiſchen Stiles; der vermeſſene Staatsſtreichsplan ſeines getreuen Marſchall behagte ihm wohl. Maltzahn dagegen hatte gemeſſenen Befehl, jeden rechtswidrigen Eingriff in die Landesverfaſſungen zurückzuweiſen. Er erklärte: die Vorſchriften der Schlußakte genügten vollauf, wenn man ſie nur entſchloſſen handhabe; der Bundestag ſolle ſich begnügen, den Sinn ſeiner Grundgeſetze deutlich auszuſprechen und ihre Befolgung den Regierungen nachdrücklich einzuſchärfen. Dem Unfug der Preſſe und der Verſammlungen laſſe ſich ſteuern, wenn der Bund und die Landesbehörden auf Grund der vorhandenen Geſetze ſofort mit ſtrengen Verboten einſchritten. Da ein neues organiſches Bundesgeſetz nur durch einhelligen Beſchluß zu Stande kommen konnte, ſo mußte Metternich dem Preußen ſchließlich nachgeben**), und man einigte ſich über ſechs dem Bundestage vorzulegende Artikel, welche im Weſentlichen nichts Neues ent- hielten, ſondern nur den beſtehenden Geſetzen eine ſcharfe Auslegung gaben.
Die Sechs Artikel beriefen ſich auf das „monarchiſche Princip“ der Art. 57 und 58 der Schlußakte und beſtimmten demgemäß: Da die ge- ſammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben muß, ſo ſind die deutſchen Souveräne verpflichtet, Anträge der Stände, welche dieſer Vorſchrift widerſprechen, zu verwerfen. Ferner dürfen die Landſtände den Fürſten weder die zur Führung einer verfaſſungsmäßigen Regierung erforderlichen Mittel verweigern noch die Bewilligung dieſer Summen zur „Durchſetzung anderweiter Wünſche“ mißbrauchen — eine deutliche Antwort auf das Verhalten des badiſchen Landtags bei der Berathung des Preßgeſetzes. Drittens ſoll die Geſetzgebung der Bundes- ſtaaten der Erfüllung ihrer Bundespflichten keinen Eintrag thun. Um die Landtage zu überwachen und alle Ausſchreitungen zur Sprache zu bringen, wird viertens am Bundestage eine beſondere Commiſſion eingeſetzt. Zum fünften verpflichten ſich die Regierungen, jeden Angriff der Landtage auf den Bund zu verhüten. Endlich wird nochmals daran erinnert, daß die Aus- legung der Grundgeſetze des Bundes allein der Bundesverſammlung zuſtehe.
Dergeſtalt hatte Bernſtorff dicht vor dem Ende ſeiner politiſchen Laufbahn noch einmal den reaktionären Anſchlägen des Wiener Hofes den Kern ausgebrochen. Dafür mußte er aber auch auf ſeine eigenen beſcheidenen Reformpläne verzichten. Sein Preßgeſetz-Entwurf ſtieß im preußiſchen Miniſterium ſelbſt auf unbeſieglichen Widerſtand. Altenſtein, der ſich die leidige Bundespolitik gern vom Leibe hielt, meinte ärgerlich: mit dem alten Preßgeſetze laſſe ſich ſehr wohl auskommen;***) zu ſtreng ſei die preußiſche Cenſur ſicherlich nicht, der ruſſiſche Geſandte beſchwere
*) Neſſelrode, Weiſung an Tatiſtſchew, 7. Oct. 1831.
**) Tettenborn’s Bericht, Wien 3. Jan. 1832.
***) Frankenberg’s Bericht, 9. Oct. 1832.
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mächten. *) Nach der Meinung des öſterreichiſchen Staatsmannes mußte
jetzt ein- für allemal aufgeräumt werden mit den ſämmtlichen deutſchen
Verfaſſungen neufranzöſiſchen Stiles; der vermeſſene Staatsſtreichsplan
ſeines getreuen Marſchall behagte ihm wohl. Maltzahn dagegen hatte
gemeſſenen Befehl, jeden rechtswidrigen Eingriff in die Landesverfaſſungen
zurückzuweiſen. Er erklärte: die Vorſchriften der Schlußakte genügten
vollauf, wenn man ſie nur entſchloſſen handhabe; der Bundestag ſolle ſich
begnügen, den Sinn ſeiner Grundgeſetze deutlich auszuſprechen und ihre
Befolgung den Regierungen nachdrücklich einzuſchärfen. Dem Unfug der
Preſſe und der Verſammlungen laſſe ſich ſteuern, wenn der Bund und
die Landesbehörden auf Grund der vorhandenen Geſetze ſofort mit ſtrengen
Verboten einſchritten. Da ein neues organiſches Bundesgeſetz nur durch
einhelligen Beſchluß zu Stande kommen konnte, ſo mußte Metternich dem
Preußen ſchließlich nachgeben **), und man einigte ſich über ſechs dem
Bundestage vorzulegende Artikel, welche im Weſentlichen nichts Neues ent-
hielten, ſondern nur den beſtehenden Geſetzen eine ſcharfe Auslegung gaben.
Die Sechs Artikel beriefen ſich auf das „monarchiſche Princip“ der
Art. 57 und 58 der Schlußakte und beſtimmten demgemäß: Da die ge-
ſammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben
muß, ſo ſind die deutſchen Souveräne verpflichtet, Anträge der Stände,
welche dieſer Vorſchrift widerſprechen, zu verwerfen. Ferner dürfen die
Landſtände den Fürſten weder die zur Führung einer verfaſſungsmäßigen
Regierung erforderlichen Mittel verweigern noch die Bewilligung dieſer
Summen zur „Durchſetzung anderweiter Wünſche“ mißbrauchen — eine
deutliche Antwort auf das Verhalten des badiſchen Landtags bei der
Berathung des Preßgeſetzes. Drittens ſoll die Geſetzgebung der Bundes-
ſtaaten der Erfüllung ihrer Bundespflichten keinen Eintrag thun. Um die
Landtage zu überwachen und alle Ausſchreitungen zur Sprache zu bringen,
wird viertens am Bundestage eine beſondere Commiſſion eingeſetzt. Zum
fünften verpflichten ſich die Regierungen, jeden Angriff der Landtage auf
den Bund zu verhüten. Endlich wird nochmals daran erinnert, daß die Aus-
legung der Grundgeſetze des Bundes allein der Bundesverſammlung zuſtehe.
Dergeſtalt hatte Bernſtorff dicht vor dem Ende ſeiner politiſchen
Laufbahn noch einmal den reaktionären Anſchlägen des Wiener Hofes
den Kern ausgebrochen. Dafür mußte er aber auch auf ſeine eigenen
beſcheidenen Reformpläne verzichten. Sein Preßgeſetz-Entwurf ſtieß im
preußiſchen Miniſterium ſelbſt auf unbeſieglichen Widerſtand. Altenſtein,
der ſich die leidige Bundespolitik gern vom Leibe hielt, meinte ärgerlich:
mit dem alten Preßgeſetze laſſe ſich ſehr wohl auskommen; ***) zu ſtreng
ſei die preußiſche Cenſur ſicherlich nicht, der ruſſiſche Geſandte beſchwere
*) Neſſelrode, Weiſung an Tatiſtſchew, 7. Oct. 1831.
**) Tettenborn’s Bericht, Wien 3. Jan. 1832.
***) Frankenberg’s Bericht, 9. Oct. 1832.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/284>, abgerufen am 23.07.2024.
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