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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Preußische Bank. Friese.

Nur der neue Bankpräsident Friese verzweifelte nicht. Einer der
freiesten Köpfe aus Schrötter's ostpreußischer Beamtenschule, hatte Friese
einst unter Stein, unter Dohna, unter Hardenberg fast bei allen Ver-
waltungsreformen mitgewirkt, nachher als Mitglied von Stein's Central-
verwaltung die deutschen Kleinstaaten genau kennen gelernt, dann wäh-
rend der Occupation das verwickelte Finanzwesen des Königreichs Sachsen
geleitet und soeben endlich die schwierige Auseinandersetzung mit dem
Dresdener Hofe zu Stande gebracht. Obwohl er nicht zu Hardenberg's
engerem Kreise gehörte, stand er doch den constitutionellen Plänen des
Kanzlers unter allen hohen Beamten am nächsten; er hoffte mit Zuver-
sicht auf das politische und wirthschaftliche Erstarken des Bürgerthums,
das er als den Kern der Nation betrachtete, und wollte an seinem Theile
bei diesem großen Umschwung mitwirken; er traute sich's zu, diese ver-
kommene Bank ihrem ursprünglichen volkswirthschaftlichen Berufe zurück-
zugeben. Bei einiger Kühnheit hätte der Staat wohl wagen können, die
Bank mit einem Stammkapitale, das ihr immer gefehlt hatte, auszustatten,
aber das Mißtrauen gegen ihre Lebenskraft war noch unüberwindlich, und
eine Erhöhung der Staatsschuld schien nicht rathsam. Die Bank wurde
also vollständig von dem Finanzministerium abgesondert, zwar durch Staats-
beamte verwaltet, doch ausschließlich auf ihre eigenen Mittel angewiesen;
und nun galt es, ein Menschenalter hindurch ohne eigenes Vermögen zu
wirthschaften, mit einem Deficit, das dem Publikum streng verborgen
bleiben mußte, denn die Enthüllung des wirklichen Zustandes ihrer soge-
nannten Activa wäre, in diesen ersten Jahren mindestens, ihr sicherer
Untergang gewesen.

Friese ließ sofort das geschlossene Lombardgeschäft wieder eröffnen,
knüpfte mit der neuen Corporation der Berliner Kaufmannschaft, die so-
eben (1820) an der Stelle der beiden altväterischen Kaufmannsgilden
entstanden war, Geschäftsverbindungen an, ließ in den Provinzen nach
und nach neun Bankcontore und Commanditen errichten; er beschränkte
sich wesentlich auf bankmäßige Geschäfte, Depositen, Lombards, Wechsel-
discontirung, so daß die Bank ihre Forderungen jederzeit leicht realisiren
konnte, und wahrte ihr streng den Charakter einer Handelsanstalt. Da
die Seehandlung die Creditgeschäfte des Staates zu besorgen hatte, so
verweigerte die Bank dem Finanzminister grundsätzlich jeden Vorschuß und
stand mit ihm nur dadurch in Verbindung, daß sie zur Verstärkung ihrer
Baarvorräthe die Einziehung der Ueberschüsse aus den Staatskassen über-
nahm. Der Erfolg dieses neuen, klug und gewissenhaft geleiteten kauf-
männischen Verkehrs übertraf alle Erwartungen. Der Geschäftsumsatz
der Bank, der im Jahre 1818 noch nicht 44 Millionen betragen hatte,
überstieg im Jahre 1829 bereits 232 Millionen; in derselben Zeit hob
sich ihr Baarvorrath von 938,000 Thlr. auf 5,3 Millionen und die Ge-
sammtsumme ihrer leicht realisirbaren Activa von etwas über 1 Mill.

Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 6
Preußiſche Bank. Frieſe.

Nur der neue Bankpräſident Frieſe verzweifelte nicht. Einer der
freieſten Köpfe aus Schrötter’s oſtpreußiſcher Beamtenſchule, hatte Frieſe
einſt unter Stein, unter Dohna, unter Hardenberg faſt bei allen Ver-
waltungsreformen mitgewirkt, nachher als Mitglied von Stein’s Central-
verwaltung die deutſchen Kleinſtaaten genau kennen gelernt, dann wäh-
rend der Occupation das verwickelte Finanzweſen des Königreichs Sachſen
geleitet und ſoeben endlich die ſchwierige Auseinanderſetzung mit dem
Dresdener Hofe zu Stande gebracht. Obwohl er nicht zu Hardenberg’s
engerem Kreiſe gehörte, ſtand er doch den conſtitutionellen Plänen des
Kanzlers unter allen hohen Beamten am nächſten; er hoffte mit Zuver-
ſicht auf das politiſche und wirthſchaftliche Erſtarken des Bürgerthums,
das er als den Kern der Nation betrachtete, und wollte an ſeinem Theile
bei dieſem großen Umſchwung mitwirken; er traute ſich’s zu, dieſe ver-
kommene Bank ihrem urſprünglichen volkswirthſchaftlichen Berufe zurück-
zugeben. Bei einiger Kühnheit hätte der Staat wohl wagen können, die
Bank mit einem Stammkapitale, das ihr immer gefehlt hatte, auszuſtatten,
aber das Mißtrauen gegen ihre Lebenskraft war noch unüberwindlich, und
eine Erhöhung der Staatsſchuld ſchien nicht rathſam. Die Bank wurde
alſo vollſtändig von dem Finanzminiſterium abgeſondert, zwar durch Staats-
beamte verwaltet, doch ausſchließlich auf ihre eigenen Mittel angewieſen;
und nun galt es, ein Menſchenalter hindurch ohne eigenes Vermögen zu
wirthſchaften, mit einem Deficit, das dem Publikum ſtreng verborgen
bleiben mußte, denn die Enthüllung des wirklichen Zuſtandes ihrer ſoge-
nannten Activa wäre, in dieſen erſten Jahren mindeſtens, ihr ſicherer
Untergang geweſen.

Frieſe ließ ſofort das geſchloſſene Lombardgeſchäft wieder eröffnen,
knüpfte mit der neuen Corporation der Berliner Kaufmannſchaft, die ſo-
eben (1820) an der Stelle der beiden altväteriſchen Kaufmannsgilden
entſtanden war, Geſchäftsverbindungen an, ließ in den Provinzen nach
und nach neun Bankcontore und Commanditen errichten; er beſchränkte
ſich weſentlich auf bankmäßige Geſchäfte, Depoſiten, Lombards, Wechſel-
discontirung, ſo daß die Bank ihre Forderungen jederzeit leicht realiſiren
konnte, und wahrte ihr ſtreng den Charakter einer Handelsanſtalt. Da
die Seehandlung die Creditgeſchäfte des Staates zu beſorgen hatte, ſo
verweigerte die Bank dem Finanzminiſter grundſätzlich jeden Vorſchuß und
ſtand mit ihm nur dadurch in Verbindung, daß ſie zur Verſtärkung ihrer
Baarvorräthe die Einziehung der Ueberſchüſſe aus den Staatskaſſen über-
nahm. Der Erfolg dieſes neuen, klug und gewiſſenhaft geleiteten kauf-
männiſchen Verkehrs übertraf alle Erwartungen. Der Geſchäftsumſatz
der Bank, der im Jahre 1818 noch nicht 44 Millionen betragen hatte,
überſtieg im Jahre 1829 bereits 232 Millionen; in derſelben Zeit hob
ſich ihr Baarvorrath von 938,000 Thlr. auf 5,3 Millionen und die Ge-
ſammtſumme ihrer leicht realiſirbaren Activa von etwas über 1 Mill.

Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 6
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[81/0097] Preußiſche Bank. Frieſe. Nur der neue Bankpräſident Frieſe verzweifelte nicht. Einer der freieſten Köpfe aus Schrötter’s oſtpreußiſcher Beamtenſchule, hatte Frieſe einſt unter Stein, unter Dohna, unter Hardenberg faſt bei allen Ver- waltungsreformen mitgewirkt, nachher als Mitglied von Stein’s Central- verwaltung die deutſchen Kleinſtaaten genau kennen gelernt, dann wäh- rend der Occupation das verwickelte Finanzweſen des Königreichs Sachſen geleitet und ſoeben endlich die ſchwierige Auseinanderſetzung mit dem Dresdener Hofe zu Stande gebracht. Obwohl er nicht zu Hardenberg’s engerem Kreiſe gehörte, ſtand er doch den conſtitutionellen Plänen des Kanzlers unter allen hohen Beamten am nächſten; er hoffte mit Zuver- ſicht auf das politiſche und wirthſchaftliche Erſtarken des Bürgerthums, das er als den Kern der Nation betrachtete, und wollte an ſeinem Theile bei dieſem großen Umſchwung mitwirken; er traute ſich’s zu, dieſe ver- kommene Bank ihrem urſprünglichen volkswirthſchaftlichen Berufe zurück- zugeben. Bei einiger Kühnheit hätte der Staat wohl wagen können, die Bank mit einem Stammkapitale, das ihr immer gefehlt hatte, auszuſtatten, aber das Mißtrauen gegen ihre Lebenskraft war noch unüberwindlich, und eine Erhöhung der Staatsſchuld ſchien nicht rathſam. Die Bank wurde alſo vollſtändig von dem Finanzminiſterium abgeſondert, zwar durch Staats- beamte verwaltet, doch ausſchließlich auf ihre eigenen Mittel angewieſen; und nun galt es, ein Menſchenalter hindurch ohne eigenes Vermögen zu wirthſchaften, mit einem Deficit, das dem Publikum ſtreng verborgen bleiben mußte, denn die Enthüllung des wirklichen Zuſtandes ihrer ſoge- nannten Activa wäre, in dieſen erſten Jahren mindeſtens, ihr ſicherer Untergang geweſen. Frieſe ließ ſofort das geſchloſſene Lombardgeſchäft wieder eröffnen, knüpfte mit der neuen Corporation der Berliner Kaufmannſchaft, die ſo- eben (1820) an der Stelle der beiden altväteriſchen Kaufmannsgilden entſtanden war, Geſchäftsverbindungen an, ließ in den Provinzen nach und nach neun Bankcontore und Commanditen errichten; er beſchränkte ſich weſentlich auf bankmäßige Geſchäfte, Depoſiten, Lombards, Wechſel- discontirung, ſo daß die Bank ihre Forderungen jederzeit leicht realiſiren konnte, und wahrte ihr ſtreng den Charakter einer Handelsanſtalt. Da die Seehandlung die Creditgeſchäfte des Staates zu beſorgen hatte, ſo verweigerte die Bank dem Finanzminiſter grundſätzlich jeden Vorſchuß und ſtand mit ihm nur dadurch in Verbindung, daß ſie zur Verſtärkung ihrer Baarvorräthe die Einziehung der Ueberſchüſſe aus den Staatskaſſen über- nahm. Der Erfolg dieſes neuen, klug und gewiſſenhaft geleiteten kauf- männiſchen Verkehrs übertraf alle Erwartungen. Der Geſchäftsumſatz der Bank, der im Jahre 1818 noch nicht 44 Millionen betragen hatte, überſtieg im Jahre 1829 bereits 232 Millionen; in derſelben Zeit hob ſich ihr Baarvorrath von 938,000 Thlr. auf 5,3 Millionen und die Ge- ſammtſumme ihrer leicht realiſirbaren Activa von etwas über 1 Mill. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 6

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/97>, abgerufen am 22.11.2024.