lichte sein Amtsgenosse, der Jurist Nic. Falck, eine gründliche rechtshisto- rische Untersuchung über das Verhältniß Schleswigs zu Dänemark und Holstein -- denn "Unkunde der Geschichte ist das Grab aller Verfassun- gen." Auch er war ein Mann des historischen Rechts, noch bedachtsamer als Dahlmann, dem königlichen Hause mit kindlicher Treue zugethan, durchaus kein Freund der liberalen Doctrinen. An diese Führer schloß sich die Mehrzahl der Kieler Gelehrten an, Dahlmann's Schwager Hege- wisch, Pfaff, Twesten und Andere; die Eingewanderten blieben hinter den Eingeborenen nicht zurück, ihnen allen war das schöne Grenzland rasch zur Heimath geworden. Die Kieler Blätter, der literarische Sammelplatz der Universität, brachten in rascher Folge Aufsätze über die Sprachver- hältnisse, über die Matrikel, über das rechtmäßige Steuerwesen des Landes, scharfe Erwiderungen auf dänische Angriffe, und so begann bereits der literarische Streit zwischen den beiden Hochschulen Kiel und Kopenhagen, der die politischen Kämpfe Schleswigholsteins einleitete. Nachher gab Dahlmann auch die köstliche Ditmarscher Chronik des alten Pfarrherrn Neocorus heraus um seine Landsleute zu erinnern an die Heldenkämpfe dieser "Schweizer der Ebene" und an den alten Holstenspruch "welk ein edel Kleinot und grote Herrlichkeit de leve Frieheit were."
Mittlerweile war Dahlmann zum Sekretär der Ritterschaft ernannt, Falck von den nichtadlichen Grundbesitzern zum Rechtsconsulenten er- wählt worden. Die Gelehrten traten in Verbindung mit den Grund- herren, und man verständigte sich leicht, obgleich sich in den letzten Jahr- zehnten zwischen Adel und Bürgerthum zuweilen Mißhelligkeiten gezeigt hatten, die in der Voß-Stolbergischen Fehde ihren Widerhall fanden. Dem Kreise dieser Ahlefeldt, Holstein, Brockdorff, Moltke, Rumohr, Rantzau war die Engherzigkeit des Junkerthums fremd. Sie wußten alle, daß eine ver- altete Verfassung, die ein volles Drittheil des Landes, selbst die Städte Altona und Glückstadt, ganz von der ständischen Vertretung ausschloß, nicht einfach wiederhergestellt werden konnte; sie wollten auf die Bevorzugung des Adels bei der Besteuerung gern verzichten und waren bereit eine allge- meine Landesvertretung für beide Herzogthümer gemeinsam anzuerkennen. Indeß hielten sie fest an dem guten Grundsatze: Vorrechte sollen zwar dem Rechte weichen, aber auch nur dem Rechte. Nur wenn der König-Herzog ihre Privilegien und damit die Untrennbarkeit der Herzogthümer anerkannte, war eine rechtmäßige Fortbildung des Verfassungsrechts möglich. Schon zur Zeit des Wiener Congresses hatte die Ritterschaft den König durch Niebuhr's Freund, den Grafen Adam Moltke um die Einberufung "eines den Zeitumständen angemessenen Landtags" ersuchen lassen. Auf wieder- holte Bitten gewährte dann Friedrich VI. der Ritterschaft mindestens die bisher immer hinausgeschobene Bestätigung ihrer Privilegien (17. August 1816), aber die Bestätigung erfolgte in zwei verschiedenen Urkunden, für Schleswig und für Holstein besonders.
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Dahlmann und die Ritterſchaft.
lichte ſein Amtsgenoſſe, der Juriſt Nic. Falck, eine gründliche rechtshiſto- riſche Unterſuchung über das Verhältniß Schleswigs zu Dänemark und Holſtein — denn „Unkunde der Geſchichte iſt das Grab aller Verfaſſun- gen.“ Auch er war ein Mann des hiſtoriſchen Rechts, noch bedachtſamer als Dahlmann, dem königlichen Hauſe mit kindlicher Treue zugethan, durchaus kein Freund der liberalen Doctrinen. An dieſe Führer ſchloß ſich die Mehrzahl der Kieler Gelehrten an, Dahlmann’s Schwager Hege- wiſch, Pfaff, Tweſten und Andere; die Eingewanderten blieben hinter den Eingeborenen nicht zurück, ihnen allen war das ſchöne Grenzland raſch zur Heimath geworden. Die Kieler Blätter, der literariſche Sammelplatz der Univerſität, brachten in raſcher Folge Aufſätze über die Sprachver- hältniſſe, über die Matrikel, über das rechtmäßige Steuerweſen des Landes, ſcharfe Erwiderungen auf däniſche Angriffe, und ſo begann bereits der literariſche Streit zwiſchen den beiden Hochſchulen Kiel und Kopenhagen, der die politiſchen Kämpfe Schleswigholſteins einleitete. Nachher gab Dahlmann auch die köſtliche Ditmarſcher Chronik des alten Pfarrherrn Neocorus heraus um ſeine Landsleute zu erinnern an die Heldenkämpfe dieſer „Schweizer der Ebene“ und an den alten Holſtenſpruch „welk ein edel Kleinot und grote Herrlichkeit de leve Frieheit were.“
Mittlerweile war Dahlmann zum Sekretär der Ritterſchaft ernannt, Falck von den nichtadlichen Grundbeſitzern zum Rechtsconſulenten er- wählt worden. Die Gelehrten traten in Verbindung mit den Grund- herren, und man verſtändigte ſich leicht, obgleich ſich in den letzten Jahr- zehnten zwiſchen Adel und Bürgerthum zuweilen Mißhelligkeiten gezeigt hatten, die in der Voß-Stolbergiſchen Fehde ihren Widerhall fanden. Dem Kreiſe dieſer Ahlefeldt, Holſtein, Brockdorff, Moltke, Rumohr, Rantzau war die Engherzigkeit des Junkerthums fremd. Sie wußten alle, daß eine ver- altete Verfaſſung, die ein volles Drittheil des Landes, ſelbſt die Städte Altona und Glückſtadt, ganz von der ſtändiſchen Vertretung ausſchloß, nicht einfach wiederhergeſtellt werden konnte; ſie wollten auf die Bevorzugung des Adels bei der Beſteuerung gern verzichten und waren bereit eine allge- meine Landesvertretung für beide Herzogthümer gemeinſam anzuerkennen. Indeß hielten ſie feſt an dem guten Grundſatze: Vorrechte ſollen zwar dem Rechte weichen, aber auch nur dem Rechte. Nur wenn der König-Herzog ihre Privilegien und damit die Untrennbarkeit der Herzogthümer anerkannte, war eine rechtmäßige Fortbildung des Verfaſſungsrechts möglich. Schon zur Zeit des Wiener Congreſſes hatte die Ritterſchaft den König durch Niebuhr’s Freund, den Grafen Adam Moltke um die Einberufung „eines den Zeitumſtänden angemeſſenen Landtags“ erſuchen laſſen. Auf wieder- holte Bitten gewährte dann Friedrich VI. der Ritterſchaft mindeſtens die bisher immer hinausgeſchobene Beſtätigung ihrer Privilegien (17. Auguſt 1816), aber die Beſtätigung erfolgte in zwei verſchiedenen Urkunden, für Schleswig und für Holſtein beſonders.
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Dahlmann und die Ritterſchaft.
lichte ſein Amtsgenoſſe, der Juriſt Nic. Falck, eine gründliche rechtshiſto-
riſche Unterſuchung über das Verhältniß Schleswigs zu Dänemark und
Holſtein — denn „Unkunde der Geſchichte iſt das Grab aller Verfaſſun-
gen.“ Auch er war ein Mann des hiſtoriſchen Rechts, noch bedachtſamer
als Dahlmann, dem königlichen Hauſe mit kindlicher Treue zugethan,
durchaus kein Freund der liberalen Doctrinen. An dieſe Führer ſchloß
ſich die Mehrzahl der Kieler Gelehrten an, Dahlmann’s Schwager Hege-
wiſch, Pfaff, Tweſten und Andere; die Eingewanderten blieben hinter den
Eingeborenen nicht zurück, ihnen allen war das ſchöne Grenzland raſch
zur Heimath geworden. Die Kieler Blätter, der literariſche Sammelplatz
der Univerſität, brachten in raſcher Folge Aufſätze über die Sprachver-
hältniſſe, über die Matrikel, über das rechtmäßige Steuerweſen des Landes,
ſcharfe Erwiderungen auf däniſche Angriffe, und ſo begann bereits der
literariſche Streit zwiſchen den beiden Hochſchulen Kiel und Kopenhagen,
der die politiſchen Kämpfe Schleswigholſteins einleitete. Nachher gab
Dahlmann auch die köſtliche Ditmarſcher Chronik des alten Pfarrherrn
Neocorus heraus um ſeine Landsleute zu erinnern an die Heldenkämpfe
dieſer „Schweizer der Ebene“ und an den alten Holſtenſpruch „welk ein
edel Kleinot und grote Herrlichkeit de leve Frieheit were.“
Mittlerweile war Dahlmann zum Sekretär der Ritterſchaft ernannt,
Falck von den nichtadlichen Grundbeſitzern zum Rechtsconſulenten er-
wählt worden. Die Gelehrten traten in Verbindung mit den Grund-
herren, und man verſtändigte ſich leicht, obgleich ſich in den letzten Jahr-
zehnten zwiſchen Adel und Bürgerthum zuweilen Mißhelligkeiten gezeigt
hatten, die in der Voß-Stolbergiſchen Fehde ihren Widerhall fanden. Dem
Kreiſe dieſer Ahlefeldt, Holſtein, Brockdorff, Moltke, Rumohr, Rantzau war
die Engherzigkeit des Junkerthums fremd. Sie wußten alle, daß eine ver-
altete Verfaſſung, die ein volles Drittheil des Landes, ſelbſt die Städte
Altona und Glückſtadt, ganz von der ſtändiſchen Vertretung ausſchloß, nicht
einfach wiederhergeſtellt werden konnte; ſie wollten auf die Bevorzugung
des Adels bei der Beſteuerung gern verzichten und waren bereit eine allge-
meine Landesvertretung für beide Herzogthümer gemeinſam anzuerkennen.
Indeß hielten ſie feſt an dem guten Grundſatze: Vorrechte ſollen zwar dem
Rechte weichen, aber auch nur dem Rechte. Nur wenn der König-Herzog
ihre Privilegien und damit die Untrennbarkeit der Herzogthümer anerkannte,
war eine rechtmäßige Fortbildung des Verfaſſungsrechts möglich. Schon
zur Zeit des Wiener Congreſſes hatte die Ritterſchaft den König durch
Niebuhr’s Freund, den Grafen Adam Moltke um die Einberufung „eines
den Zeitumſtänden angemeſſenen Landtags“ erſuchen laſſen. Auf wieder-
holte Bitten gewährte dann Friedrich VI. der Ritterſchaft mindeſtens die
bisher immer hinausgeſchobene Beſtätigung ihrer Privilegien (17. Auguſt
1816), aber die Beſtätigung erfolgte in zwei verſchiedenen Urkunden, für
Schleswig und für Holſtein beſonders.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/611>, abgerufen am 16.07.2024.
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