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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Die Universität. Das Museum.
gemeinen Sterblichen zu Felde; sie wollte in Schleiermacher's religiösem
Gefühle nur die Willkür des endlichen Subjects, in den Forschungen der
historischen Juristen nur die ideenlose Ueberschätzung der schlechten Wirk-
lichkeit sehen. In den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik gründeten
sich die Hegelianer eine streitbare Partei-Zeitschrift, zur selben Zeit, da
Hengstenberg die Orthodoxen um das Banner seiner Kirchenzeitung sam-
melte; und auch die häßlichen Ränke fehlten nicht, die sich in Deutschland
mit jedem Gelehrtenstreit verschlingen. Dem redefertigsten seiner Schüler,
dem Todfeinde Savigny's F. Gans verschaffte Hegel durch die Gunst des
Ministers einen Lehrstuhl in der juristischen Facultät; ihm selber aber
verweigerten seine Gegner, kleinlich genug, den gebührenden Platz in der
Akademie der Wissenschaften. Zu allen diesen so weit aus einander stre-
benden Parteien der protestantischen Wissenschaft gesellte sich noch eine
rührige kleine Congregation, wie die Liberalen sie nannten: bei der liebens-
würdigen Convertitin Henriette Mendelssohn kamen Jarcke, Philipps und
andere strenge Ultramontane zusammen, deren Einfluß am kronprinzlichen
Hofe schon zuweilen fühlbar wurde.

Unterdessen fuhr der König fort seine Hauptstadt zu schmücken so
weit die knappen Mittel langten; kein Jahr verging, wo er nicht --
immer ganz in der Stille -- ihre Sammlungen vermehrte oder einen
Palast, ein Säulenthor, ein Standbild stiftete. In dieser Zeit wurde
Berlin allmählich eine schöne Stadt, anziehend auch für den Fremden.
Die Bibliothek, die erst unter Humboldt's Verwaltung ein festes Jahres-
einkommen von 3500 Thlr. erhalten hatte, ward endlich reichlicher aus-
gestattet und durch außerordentliche Geschenke des Königs so weit gehoben,
daß sie in die Reihe der großen Büchersammlungen eintrat; mit ihren
älteren Schwestern in München oder Dresden konnte sie sich freilich noch
immer nicht von fern vergleichen. Schinkel erlebte jetzt seine glücklichsten
Tage. Seit ihm der große Wurf des Schauspielhauses gelungen war, ge-
wann er etwas freiere Hand für seine kühnen Pläne, er erbaute die präch-
tige Schloßbrücke, ließ das versumpfte Bett des Flusses umgestalten, so
daß der einzige ästhetische Reiz, den die karge Natur den Berlinern ge-
währt hat, der freie Blick über die Wasserflächen zu seinem Rechte kam;
und aus dem Morastboden hinter dem Lustgarten erhob sich die festlich
heitere Säulenhalle des Museums, ebenso wirksam in ihrer einfachen
Schönheit wie die schwere Masse des Schlosses gegenüber.

Die innere Einrichtung des Museums leitete W. Humboldt, den der
König neuerdings vielfach auszeichnete und zuweilen in seinem Tegel be-
suchte; als seine Gattin starb, suchte Friedrich Wilhelm den Tiefgebeugten
durch diese würdige Beschäftigung zu trösten. Dankbar folgte Humboldt
dem Rufe; seit jenem letzten Schicksalsschlage war aller Spott und alle
Schärfe von ihm gewichen; verklärt von der milden Weisheit des Alters
lebte er nur noch in der Welt der Ideen, und es that ihm wohl, nachdem

Die Univerſität. Das Muſeum.
gemeinen Sterblichen zu Felde; ſie wollte in Schleiermacher’s religiöſem
Gefühle nur die Willkür des endlichen Subjects, in den Forſchungen der
hiſtoriſchen Juriſten nur die ideenloſe Ueberſchätzung der ſchlechten Wirk-
lichkeit ſehen. In den Jahrbüchern für wiſſenſchaftliche Kritik gründeten
ſich die Hegelianer eine ſtreitbare Partei-Zeitſchrift, zur ſelben Zeit, da
Hengſtenberg die Orthodoxen um das Banner ſeiner Kirchenzeitung ſam-
melte; und auch die häßlichen Ränke fehlten nicht, die ſich in Deutſchland
mit jedem Gelehrtenſtreit verſchlingen. Dem redefertigſten ſeiner Schüler,
dem Todfeinde Savigny’s F. Gans verſchaffte Hegel durch die Gunſt des
Miniſters einen Lehrſtuhl in der juriſtiſchen Facultät; ihm ſelber aber
verweigerten ſeine Gegner, kleinlich genug, den gebührenden Platz in der
Akademie der Wiſſenſchaften. Zu allen dieſen ſo weit aus einander ſtre-
benden Parteien der proteſtantiſchen Wiſſenſchaft geſellte ſich noch eine
rührige kleine Congregation, wie die Liberalen ſie nannten: bei der liebens-
würdigen Convertitin Henriette Mendelsſohn kamen Jarcke, Philipps und
andere ſtrenge Ultramontane zuſammen, deren Einfluß am kronprinzlichen
Hofe ſchon zuweilen fühlbar wurde.

Unterdeſſen fuhr der König fort ſeine Hauptſtadt zu ſchmücken ſo
weit die knappen Mittel langten; kein Jahr verging, wo er nicht —
immer ganz in der Stille — ihre Sammlungen vermehrte oder einen
Palaſt, ein Säulenthor, ein Standbild ſtiftete. In dieſer Zeit wurde
Berlin allmählich eine ſchöne Stadt, anziehend auch für den Fremden.
Die Bibliothek, die erſt unter Humboldt’s Verwaltung ein feſtes Jahres-
einkommen von 3500 Thlr. erhalten hatte, ward endlich reichlicher aus-
geſtattet und durch außerordentliche Geſchenke des Königs ſo weit gehoben,
daß ſie in die Reihe der großen Bücherſammlungen eintrat; mit ihren
älteren Schweſtern in München oder Dresden konnte ſie ſich freilich noch
immer nicht von fern vergleichen. Schinkel erlebte jetzt ſeine glücklichſten
Tage. Seit ihm der große Wurf des Schauſpielhauſes gelungen war, ge-
wann er etwas freiere Hand für ſeine kühnen Pläne, er erbaute die präch-
tige Schloßbrücke, ließ das verſumpfte Bett des Fluſſes umgeſtalten, ſo
daß der einzige äſthetiſche Reiz, den die karge Natur den Berlinern ge-
währt hat, der freie Blick über die Waſſerflächen zu ſeinem Rechte kam;
und aus dem Moraſtboden hinter dem Luſtgarten erhob ſich die feſtlich
heitere Säulenhalle des Muſeums, ebenſo wirkſam in ihrer einfachen
Schönheit wie die ſchwere Maſſe des Schloſſes gegenüber.

Die innere Einrichtung des Muſeums leitete W. Humboldt, den der
König neuerdings vielfach auszeichnete und zuweilen in ſeinem Tegel be-
ſuchte; als ſeine Gattin ſtarb, ſuchte Friedrich Wilhelm den Tiefgebeugten
durch dieſe würdige Beſchäftigung zu tröſten. Dankbar folgte Humboldt
dem Rufe; ſeit jenem letzten Schickſalsſchlage war aller Spott und alle
Schärfe von ihm gewichen; verklärt von der milden Weisheit des Alters
lebte er nur noch in der Welt der Ideen, und es that ihm wohl, nachdem

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[429/0445] Die Univerſität. Das Muſeum. gemeinen Sterblichen zu Felde; ſie wollte in Schleiermacher’s religiöſem Gefühle nur die Willkür des endlichen Subjects, in den Forſchungen der hiſtoriſchen Juriſten nur die ideenloſe Ueberſchätzung der ſchlechten Wirk- lichkeit ſehen. In den Jahrbüchern für wiſſenſchaftliche Kritik gründeten ſich die Hegelianer eine ſtreitbare Partei-Zeitſchrift, zur ſelben Zeit, da Hengſtenberg die Orthodoxen um das Banner ſeiner Kirchenzeitung ſam- melte; und auch die häßlichen Ränke fehlten nicht, die ſich in Deutſchland mit jedem Gelehrtenſtreit verſchlingen. Dem redefertigſten ſeiner Schüler, dem Todfeinde Savigny’s F. Gans verſchaffte Hegel durch die Gunſt des Miniſters einen Lehrſtuhl in der juriſtiſchen Facultät; ihm ſelber aber verweigerten ſeine Gegner, kleinlich genug, den gebührenden Platz in der Akademie der Wiſſenſchaften. Zu allen dieſen ſo weit aus einander ſtre- benden Parteien der proteſtantiſchen Wiſſenſchaft geſellte ſich noch eine rührige kleine Congregation, wie die Liberalen ſie nannten: bei der liebens- würdigen Convertitin Henriette Mendelsſohn kamen Jarcke, Philipps und andere ſtrenge Ultramontane zuſammen, deren Einfluß am kronprinzlichen Hofe ſchon zuweilen fühlbar wurde. Unterdeſſen fuhr der König fort ſeine Hauptſtadt zu ſchmücken ſo weit die knappen Mittel langten; kein Jahr verging, wo er nicht — immer ganz in der Stille — ihre Sammlungen vermehrte oder einen Palaſt, ein Säulenthor, ein Standbild ſtiftete. In dieſer Zeit wurde Berlin allmählich eine ſchöne Stadt, anziehend auch für den Fremden. Die Bibliothek, die erſt unter Humboldt’s Verwaltung ein feſtes Jahres- einkommen von 3500 Thlr. erhalten hatte, ward endlich reichlicher aus- geſtattet und durch außerordentliche Geſchenke des Königs ſo weit gehoben, daß ſie in die Reihe der großen Bücherſammlungen eintrat; mit ihren älteren Schweſtern in München oder Dresden konnte ſie ſich freilich noch immer nicht von fern vergleichen. Schinkel erlebte jetzt ſeine glücklichſten Tage. Seit ihm der große Wurf des Schauſpielhauſes gelungen war, ge- wann er etwas freiere Hand für ſeine kühnen Pläne, er erbaute die präch- tige Schloßbrücke, ließ das verſumpfte Bett des Fluſſes umgeſtalten, ſo daß der einzige äſthetiſche Reiz, den die karge Natur den Berlinern ge- währt hat, der freie Blick über die Waſſerflächen zu ſeinem Rechte kam; und aus dem Moraſtboden hinter dem Luſtgarten erhob ſich die feſtlich heitere Säulenhalle des Muſeums, ebenſo wirkſam in ihrer einfachen Schönheit wie die ſchwere Maſſe des Schloſſes gegenüber. Die innere Einrichtung des Muſeums leitete W. Humboldt, den der König neuerdings vielfach auszeichnete und zuweilen in ſeinem Tegel be- ſuchte; als ſeine Gattin ſtarb, ſuchte Friedrich Wilhelm den Tiefgebeugten durch dieſe würdige Beſchäftigung zu tröſten. Dankbar folgte Humboldt dem Rufe; ſeit jenem letzten Schickſalsſchlage war aller Spott und alle Schärfe von ihm gewichen; verklärt von der milden Weisheit des Alters lebte er nur noch in der Welt der Ideen, und es that ihm wohl, nachdem

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/445>, abgerufen am 23.11.2024.