geführt hatte, erhielt er nicht nur Verzeihung; der König befahl sogar den Druck der Arbeit und schrieb selber das Vorwort. Was Wunder, daß er also mit Gnaden und Ehren überschüttet noch selbstgefälliger als sonst ins Leben blickte. Er vermaß sich die Frage der gemischten Ehen mit Leichtigkeit zu lösen; hatte ihm doch der Papst feierlich versprochen, die Wirren am Rhein sollten bald ein Ende nehmen. Im Vertrauen auf diese Zusage gab er den Rath: Graf Spiegel möge den heiligen Stuhl um Dispensation bitten, er selber aber wolle im Namen des Königs dies Gesuch unterstützen und den Papst zu einer Entscheidung bewegen, welche dem Staatsgesetze den Gehorsam des Clerus sichere. Die Bischöfe des Westens gingen gern auf diesen Vorschlag ein; sie fühlten sich alle durch den Gegensatz der weltlichen und der geistlichen Gesetzgebung schwer bedrängt und hießen es hochwillkommen, wenn der Papst zu einer Aus- gleichung bewogen wurde, die nach kirchlicher Anschauung nur von Rom ausgehen konnte.*)
Also ward auf Bunsen's Rath zum ersten Male ein gefahrvoller Weg betreten, den man unter Hardenberg's Regiment noch klug ver- mieden hatte: die Krone verhandelte mit dem heiligen Stuhle über den Umfang ihrer Hoheitsrechte, denn am Ende lief der Streit doch darauf hinaus, ob das Gesetz des Staates gelten solle oder nicht. Auf solchem Wege ließ sich eine redliche Ausgleichung nimmer erreichen, obwohl die Curie damals der empfangenen Wohlthaten noch eingedenk und der Krone Preußen keineswegs feindlich gesinnt war. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, Papst Leo XII. starb darüber, und erst als der König mit scharfen Maßregeln gegen die widersetzlichen rheinischen Priester drohte, erließ Leo's Nachfolger Pius VIII. am 25. März 1830 ein Breve an die Bischöfe der Kölner Erzdiöcese, das von Bunsen als ein großer Sieg der preu- ßischen Staatskunst gefeiert wurde und dem hoffnungsvollen Unterhändler daheim reiche Lobsprüche eintrug. In Wahrheit hatte die Curie in diesem seltsamen Aktenstücke den ganzen Wortschwall ihrer eintönigen Rhetorik auf- geboten um über den eigentlichen Streitpunkt wenig oder nichts zu sagen. Der Papst gewährte zwar den bisher abgeschlossenen gemischten Ehen seine Verzeihung und gestattete, solche unerlaubte Ehen auch in Zukunft als giltig anzusehen; doch er verbot zugleich den Priestern unbedingt, diese von der Kirche verabscheuten Verbindungen einzusegnen, wenn nicht ge- nügende Bürgschaften für die katholische Erziehung der Kinder vorlägen. Alsdann fügte er -- erzählend, nicht befehlend -- hinzu: bisher sei an einigen Orten des Rheinlands, in Jülich-Cleve-Berg, den Pfarrern ge- stattet worden, bei der Abschließung gemischter Ehen die sogenannte passive Assistenz zu leisten. Ob dieser mildere Brauch auch fernerhin gelten, ob
*) Schreiben an Bunsen: von Hommer, 16. Dec. 1827, von Spiegel, 8. Aug. 1828, 8. Juli 1829, von Caspar Max Droste, Bischof von Münster, 27. Dec. 1827.
Das Breve über die Miſch-Ehen.
geführt hatte, erhielt er nicht nur Verzeihung; der König befahl ſogar den Druck der Arbeit und ſchrieb ſelber das Vorwort. Was Wunder, daß er alſo mit Gnaden und Ehren überſchüttet noch ſelbſtgefälliger als ſonſt ins Leben blickte. Er vermaß ſich die Frage der gemiſchten Ehen mit Leichtigkeit zu löſen; hatte ihm doch der Papſt feierlich verſprochen, die Wirren am Rhein ſollten bald ein Ende nehmen. Im Vertrauen auf dieſe Zuſage gab er den Rath: Graf Spiegel möge den heiligen Stuhl um Dispenſation bitten, er ſelber aber wolle im Namen des Königs dies Geſuch unterſtützen und den Papſt zu einer Entſcheidung bewegen, welche dem Staatsgeſetze den Gehorſam des Clerus ſichere. Die Biſchöfe des Weſtens gingen gern auf dieſen Vorſchlag ein; ſie fühlten ſich alle durch den Gegenſatz der weltlichen und der geiſtlichen Geſetzgebung ſchwer bedrängt und hießen es hochwillkommen, wenn der Papſt zu einer Aus- gleichung bewogen wurde, die nach kirchlicher Anſchauung nur von Rom ausgehen konnte.*)
Alſo ward auf Bunſen’s Rath zum erſten Male ein gefahrvoller Weg betreten, den man unter Hardenberg’s Regiment noch klug ver- mieden hatte: die Krone verhandelte mit dem heiligen Stuhle über den Umfang ihrer Hoheitsrechte, denn am Ende lief der Streit doch darauf hinaus, ob das Geſetz des Staates gelten ſolle oder nicht. Auf ſolchem Wege ließ ſich eine redliche Ausgleichung nimmer erreichen, obwohl die Curie damals der empfangenen Wohlthaten noch eingedenk und der Krone Preußen keineswegs feindlich geſinnt war. Die Verhandlungen zogen ſich in die Länge, Papſt Leo XII. ſtarb darüber, und erſt als der König mit ſcharfen Maßregeln gegen die widerſetzlichen rheiniſchen Prieſter drohte, erließ Leo’s Nachfolger Pius VIII. am 25. März 1830 ein Breve an die Biſchöfe der Kölner Erzdiöceſe, das von Bunſen als ein großer Sieg der preu- ßiſchen Staatskunſt gefeiert wurde und dem hoffnungsvollen Unterhändler daheim reiche Lobſprüche eintrug. In Wahrheit hatte die Curie in dieſem ſeltſamen Aktenſtücke den ganzen Wortſchwall ihrer eintönigen Rhetorik auf- geboten um über den eigentlichen Streitpunkt wenig oder nichts zu ſagen. Der Papſt gewährte zwar den bisher abgeſchloſſenen gemiſchten Ehen ſeine Verzeihung und geſtattete, ſolche unerlaubte Ehen auch in Zukunft als giltig anzuſehen; doch er verbot zugleich den Prieſtern unbedingt, dieſe von der Kirche verabſcheuten Verbindungen einzuſegnen, wenn nicht ge- nügende Bürgſchaften für die katholiſche Erziehung der Kinder vorlägen. Alsdann fügte er — erzählend, nicht befehlend — hinzu: bisher ſei an einigen Orten des Rheinlands, in Jülich-Cleve-Berg, den Pfarrern ge- ſtattet worden, bei der Abſchließung gemiſchter Ehen die ſogenannte paſſive Aſſiſtenz zu leiſten. Ob dieſer mildere Brauch auch fernerhin gelten, ob
*) Schreiben an Bunſen: von Hommer, 16. Dec. 1827, von Spiegel, 8. Aug. 1828, 8. Juli 1829, von Caspar Max Droſte, Biſchof von Münſter, 27. Dec. 1827.
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[415/0431]
Das Breve über die Miſch-Ehen.
geführt hatte, erhielt er nicht nur Verzeihung; der König befahl ſogar
den Druck der Arbeit und ſchrieb ſelber das Vorwort. Was Wunder,
daß er alſo mit Gnaden und Ehren überſchüttet noch ſelbſtgefälliger als
ſonſt ins Leben blickte. Er vermaß ſich die Frage der gemiſchten Ehen
mit Leichtigkeit zu löſen; hatte ihm doch der Papſt feierlich verſprochen,
die Wirren am Rhein ſollten bald ein Ende nehmen. Im Vertrauen
auf dieſe Zuſage gab er den Rath: Graf Spiegel möge den heiligen
Stuhl um Dispenſation bitten, er ſelber aber wolle im Namen des Königs
dies Geſuch unterſtützen und den Papſt zu einer Entſcheidung bewegen,
welche dem Staatsgeſetze den Gehorſam des Clerus ſichere. Die Biſchöfe
des Weſtens gingen gern auf dieſen Vorſchlag ein; ſie fühlten ſich alle
durch den Gegenſatz der weltlichen und der geiſtlichen Geſetzgebung ſchwer
bedrängt und hießen es hochwillkommen, wenn der Papſt zu einer Aus-
gleichung bewogen wurde, die nach kirchlicher Anſchauung nur von Rom
ausgehen konnte. *)
Alſo ward auf Bunſen’s Rath zum erſten Male ein gefahrvoller
Weg betreten, den man unter Hardenberg’s Regiment noch klug ver-
mieden hatte: die Krone verhandelte mit dem heiligen Stuhle über den
Umfang ihrer Hoheitsrechte, denn am Ende lief der Streit doch darauf
hinaus, ob das Geſetz des Staates gelten ſolle oder nicht. Auf ſolchem
Wege ließ ſich eine redliche Ausgleichung nimmer erreichen, obwohl die
Curie damals der empfangenen Wohlthaten noch eingedenk und der Krone
Preußen keineswegs feindlich geſinnt war. Die Verhandlungen zogen ſich in
die Länge, Papſt Leo XII. ſtarb darüber, und erſt als der König mit ſcharfen
Maßregeln gegen die widerſetzlichen rheiniſchen Prieſter drohte, erließ Leo’s
Nachfolger Pius VIII. am 25. März 1830 ein Breve an die Biſchöfe
der Kölner Erzdiöceſe, das von Bunſen als ein großer Sieg der preu-
ßiſchen Staatskunſt gefeiert wurde und dem hoffnungsvollen Unterhändler
daheim reiche Lobſprüche eintrug. In Wahrheit hatte die Curie in dieſem
ſeltſamen Aktenſtücke den ganzen Wortſchwall ihrer eintönigen Rhetorik auf-
geboten um über den eigentlichen Streitpunkt wenig oder nichts zu ſagen.
Der Papſt gewährte zwar den bisher abgeſchloſſenen gemiſchten Ehen ſeine
Verzeihung und geſtattete, ſolche unerlaubte Ehen auch in Zukunft als
giltig anzuſehen; doch er verbot zugleich den Prieſtern unbedingt, dieſe
von der Kirche verabſcheuten Verbindungen einzuſegnen, wenn nicht ge-
nügende Bürgſchaften für die katholiſche Erziehung der Kinder vorlägen.
Alsdann fügte er — erzählend, nicht befehlend — hinzu: bisher ſei an
einigen Orten des Rheinlands, in Jülich-Cleve-Berg, den Pfarrern ge-
ſtattet worden, bei der Abſchließung gemiſchter Ehen die ſogenannte paſſive
Aſſiſtenz zu leiſten. Ob dieſer mildere Brauch auch fernerhin gelten, ob
*) Schreiben an Bunſen: von Hommer, 16. Dec. 1827, von Spiegel, 8. Aug.
1828, 8. Juli 1829, von Caspar Max Droſte, Biſchof von Münſter, 27. Dec. 1827.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/431>, abgerufen am 24.11.2024.
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