testantischen Mehrheit seines Volkes das Beispiel eines evangelischen Haus- standes zu geben.
Wie schwer war es ihm gefallen, seinem Thronfolger die Verlobung mit einer katholischen Fürstin zu gestatten. Schon vor Jahren hatte der Kronprinz für die vielumworbene liebenswürdige Tochter des Königs von Baiern, Prinzessin Elisabeth, eine schwärmerische Neigung gefaßt, wie sie dem Manne auf den Höhen des Lebens selten vergönnt wird. Seine Liebe ward erwidert, und der Prinz wähnte sich bereits am Ziele. König Max Joseph, der den Gedanken dieser Familienverbindung zuerst aufge- bracht hatte, begünstigte den Freier aufs Wärmste; ein Weltkind des auf- geklärten Jahrhunderts legte er gar keinen Werth auf confessionelle Unter- schiede und fand es ganz in der Ordnung, daß die künftige Königin von Preußen, nach der alten Ueberlieferung der Hohenzollern, evangelisch sein müsse. Seine Tochter selbst dachte ernster; sie war unter den Augen ihrer frommen evangelischen Mutter Königin Karoline zwar in duldsamem Geiste, aber gut katholisch erzogen und hatte in dieser Kirche bisher ihren Frieden gefunden. Durch einen Glaubenswechsel sich eine glänzende Zu- kunft zu erkaufen, schien ihr unwürdig; nur zu der Zusage wollte sie sich verstehen, daß sie späterhin übertreten würde, wenn es ihr gelänge, sich von der evangelischen Wahrheit zu überzeugen. Der protestantische Beicht- vater ihrer Mutter, der wackere Consistorialrath Schmitt bestärkte sie selber in ihrem Widerstande. Der König von Preußen aber blieb unerbittlich; nachdem er schwach genug gewesen, seiner ältesten Tochter den Uebertritt zur griechischen Kirche zu gestatten, meinte er jetzt um so fester auf dem Brauche seines Hauses bestehen zu müssen. So vergingen den beiden Liebenden vier kummervolle Jahre; ihr Unglück erregte an den Höfen allgemeines Bedauern, mehrere Fürsten und Fürstinnen versuchten zu vermitteln. Auf dem Veroneser Congresse bestürmten auch die beiden Kaiser ihren königlichen Freund mit vergeblichen Bitten. Bald darauf sendete er seinen geistlichen Vertrauten, den Bischof Eylert unter dem angenom- menen Namen eines Brandenburgischen Domherrn nach Tegernsee um der Prinzessin noch einmal vertraulich zuzureden; der geschmeidige theo- logische Diplomat wurde jedoch durch ihre würdige Haltung völlig ent- waffnet und kehrte heim mit der heiligen Versicherung, daß der König von einer solchen Schwiegertochter für den Glauben seines Hauses nichts zu fürchten habe.*)
Nun endlich gab der König seine Zustimmung (1823), und das tiefe Herzensglück des jungen Paares beschwichtigte seine Besorgnisse bald gänzlich. Die Kronprinzessin besaß eine ungewöhnliche Bildung, ihr Lehrer Thiersch hatte sie sogar in das classische Alterthum eingeführt. Allen den mannich-
*) Nach Schmitt's Aufzeichnungen, die hier in allem Wesentlichen übereinstimmen mit der Erzählung von Thiersch (F. Thiersch's Leben I. 259).
Heirath des Königs und des Kronprinzen.
teſtantiſchen Mehrheit ſeines Volkes das Beiſpiel eines evangeliſchen Haus- ſtandes zu geben.
Wie ſchwer war es ihm gefallen, ſeinem Thronfolger die Verlobung mit einer katholiſchen Fürſtin zu geſtatten. Schon vor Jahren hatte der Kronprinz für die vielumworbene liebenswürdige Tochter des Königs von Baiern, Prinzeſſin Eliſabeth, eine ſchwärmeriſche Neigung gefaßt, wie ſie dem Manne auf den Höhen des Lebens ſelten vergönnt wird. Seine Liebe ward erwidert, und der Prinz wähnte ſich bereits am Ziele. König Max Joſeph, der den Gedanken dieſer Familienverbindung zuerſt aufge- bracht hatte, begünſtigte den Freier aufs Wärmſte; ein Weltkind des auf- geklärten Jahrhunderts legte er gar keinen Werth auf confeſſionelle Unter- ſchiede und fand es ganz in der Ordnung, daß die künftige Königin von Preußen, nach der alten Ueberlieferung der Hohenzollern, evangeliſch ſein müſſe. Seine Tochter ſelbſt dachte ernſter; ſie war unter den Augen ihrer frommen evangeliſchen Mutter Königin Karoline zwar in duldſamem Geiſte, aber gut katholiſch erzogen und hatte in dieſer Kirche bisher ihren Frieden gefunden. Durch einen Glaubenswechſel ſich eine glänzende Zu- kunft zu erkaufen, ſchien ihr unwürdig; nur zu der Zuſage wollte ſie ſich verſtehen, daß ſie ſpäterhin übertreten würde, wenn es ihr gelänge, ſich von der evangeliſchen Wahrheit zu überzeugen. Der proteſtantiſche Beicht- vater ihrer Mutter, der wackere Conſiſtorialrath Schmitt beſtärkte ſie ſelber in ihrem Widerſtande. Der König von Preußen aber blieb unerbittlich; nachdem er ſchwach genug geweſen, ſeiner älteſten Tochter den Uebertritt zur griechiſchen Kirche zu geſtatten, meinte er jetzt um ſo feſter auf dem Brauche ſeines Hauſes beſtehen zu müſſen. So vergingen den beiden Liebenden vier kummervolle Jahre; ihr Unglück erregte an den Höfen allgemeines Bedauern, mehrere Fürſten und Fürſtinnen verſuchten zu vermitteln. Auf dem Veroneſer Congreſſe beſtürmten auch die beiden Kaiſer ihren königlichen Freund mit vergeblichen Bitten. Bald darauf ſendete er ſeinen geiſtlichen Vertrauten, den Biſchof Eylert unter dem angenom- menen Namen eines Brandenburgiſchen Domherrn nach Tegernſee um der Prinzeſſin noch einmal vertraulich zuzureden; der geſchmeidige theo- logiſche Diplomat wurde jedoch durch ihre würdige Haltung völlig ent- waffnet und kehrte heim mit der heiligen Verſicherung, daß der König von einer ſolchen Schwiegertochter für den Glauben ſeines Hauſes nichts zu fürchten habe.*)
Nun endlich gab der König ſeine Zuſtimmung (1823), und das tiefe Herzensglück des jungen Paares beſchwichtigte ſeine Beſorgniſſe bald gänzlich. Die Kronprinzeſſin beſaß eine ungewöhnliche Bildung, ihr Lehrer Thierſch hatte ſie ſogar in das claſſiſche Alterthum eingeführt. Allen den mannich-
*) Nach Schmitt’s Aufzeichnungen, die hier in allem Weſentlichen übereinſtimmen mit der Erzählung von Thierſch (F. Thierſch’s Leben I. 259).
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teſtantiſchen Mehrheit ſeines Volkes das Beiſpiel eines evangeliſchen Haus-
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Wie ſchwer war es ihm gefallen, ſeinem Thronfolger die Verlobung
mit einer katholiſchen Fürſtin zu geſtatten. Schon vor Jahren hatte der
Kronprinz für die vielumworbene liebenswürdige Tochter des Königs von
Baiern, Prinzeſſin Eliſabeth, eine ſchwärmeriſche Neigung gefaßt, wie ſie
dem Manne auf den Höhen des Lebens ſelten vergönnt wird. Seine
Liebe ward erwidert, und der Prinz wähnte ſich bereits am Ziele. König
Max Joſeph, der den Gedanken dieſer Familienverbindung zuerſt aufge-
bracht hatte, begünſtigte den Freier aufs Wärmſte; ein Weltkind des auf-
geklärten Jahrhunderts legte er gar keinen Werth auf confeſſionelle Unter-
ſchiede und fand es ganz in der Ordnung, daß die künftige Königin von
Preußen, nach der alten Ueberlieferung der Hohenzollern, evangeliſch ſein
müſſe. Seine Tochter ſelbſt dachte ernſter; ſie war unter den Augen ihrer
frommen evangeliſchen Mutter Königin Karoline zwar in duldſamem
Geiſte, aber gut katholiſch erzogen und hatte in dieſer Kirche bisher ihren
Frieden gefunden. Durch einen Glaubenswechſel ſich eine glänzende Zu-
kunft zu erkaufen, ſchien ihr unwürdig; nur zu der Zuſage wollte ſie ſich
verſtehen, daß ſie ſpäterhin übertreten würde, wenn es ihr gelänge, ſich
von der evangeliſchen Wahrheit zu überzeugen. Der proteſtantiſche Beicht-
vater ihrer Mutter, der wackere Conſiſtorialrath Schmitt beſtärkte ſie ſelber
in ihrem Widerſtande. Der König von Preußen aber blieb unerbittlich;
nachdem er ſchwach genug geweſen, ſeiner älteſten Tochter den Uebertritt
zur griechiſchen Kirche zu geſtatten, meinte er jetzt um ſo feſter auf dem
Brauche ſeines Hauſes beſtehen zu müſſen. So vergingen den beiden
Liebenden vier kummervolle Jahre; ihr Unglück erregte an den Höfen
allgemeines Bedauern, mehrere Fürſten und Fürſtinnen verſuchten zu
vermitteln. Auf dem Veroneſer Congreſſe beſtürmten auch die beiden Kaiſer
ihren königlichen Freund mit vergeblichen Bitten. Bald darauf ſendete
er ſeinen geiſtlichen Vertrauten, den Biſchof Eylert unter dem angenom-
menen Namen eines Brandenburgiſchen Domherrn nach Tegernſee um
der Prinzeſſin noch einmal vertraulich zuzureden; der geſchmeidige theo-
logiſche Diplomat wurde jedoch durch ihre würdige Haltung völlig ent-
waffnet und kehrte heim mit der heiligen Verſicherung, daß der König
von einer ſolchen Schwiegertochter für den Glauben ſeines Hauſes nichts
zu fürchten habe. *)
Nun endlich gab der König ſeine Zuſtimmung (1823), und das tiefe
Herzensglück des jungen Paares beſchwichtigte ſeine Beſorgniſſe bald gänzlich.
Die Kronprinzeſſin beſaß eine ungewöhnliche Bildung, ihr Lehrer Thierſch
hatte ſie ſogar in das claſſiſche Alterthum eingeführt. Allen den mannich-
*) Nach Schmitt’s Aufzeichnungen, die hier in allem Weſentlichen übereinſtimmen
mit der Erzählung von Thierſch (F. Thierſch’s Leben I. 259).
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/407>, abgerufen am 24.11.2024.
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