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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Ausgang der spanischen Revolution.
Sache "die ernsteste Aufmerksamkeit widmen".*) Desgleichen wünschte
Metternich, dem französischen Feldherrn militärische Vertreter der großen
Mächte beizugeben und die politische Leitung des Krieges der Pariser Ge-
sandtenconferenz zu übertragen. Auch diesem Vorschlage widersprach Bern-
storff, weil Frankreich eine solche Bevormundung nicht ertragen könne und
die Mächte selber nicht einig seien. Auf die Bekämpfung Villele's, der
in Metternich's Augen zu gemäßigt war, wollte der preußische Minister
sich ebenso wenig einlassen; das heiße Frankreich beleidigen, erwiderte er.
Der König billigte Bernstorff's Verfahren ausdrücklich und legte ihm nur
ans Herz, sich in Nebenfragen nachgiebig zu zeigen, weil "an dem Einver-
ständniß mit den Kaiserhöfen in der jetzigen Zeit Alles gelegen sei."**)

Der spanische Feldzug verlief über alle Erwartung leicht; die be-
fürchteten Meutereien im französischen Heere blieben aus, da das un-
unterbrochene Kriegsglück die Mannszucht befestigte. Schon im Mai zog
der Herzog von Angouleme in Madrid ein, jauchzend begrüßt von dem
wetterwendischen Pöbel. Nach der Erstürmung des Trocadero vor Cadiz,
der einzigen ernstlichen Waffenthat dieses militärischen Spaziergangs, un-
terwarf sich das ganze Land, im November fiel Alicante, die letzte Feste
der Revolution, und mit der ganzen Bilderpracht seiner Rhetorik konnte
Chateaubriand in Paris verkünden: so habe die weiße Fahne der Bour-
bonen in sieben Monaten erreicht was der napoleonischen Tricolore in sieben
Jahren nicht gelungen sei. Noch schimpflicher sogar als in Neapel ging
die Revolution in Spanien zu Grunde. Die nach Cadiz geflüchteten Cortes
beschlossen, hier auf der heiligen Stätte spanischen Ruhmes, noch ihre
eigene Auflösung, gaben dem Könige seine absolute Gewalt zurück, und der
Urheber der Bewegung, Riego endete unter Henkershand mit dem reuigen
Geständniß seiner revolutionären Blutschuld auf den Lippen.

Die wohlwollenden Absichten des Herzogs von Angouleme wurden als-
bald zu Schanden an dem Radicalismus, der jedem Kriege, zumal dem Bür-
gerkriege natürlich ist. Sofort nach dem Einzug der Franzosen erhob sich
die reaktionäre Partei in rasender Wuth. Schon die Regentschaft, welche
der Herzog eingesetzt, verübte Gräuel, denen er vergeblich zu steuern suchte;
und als nun gar Ferdinand selber wieder die Zügel in die Hand nahm,
da wurde die heilig versprochene Amnestie nach bourbonischem Brauche
sofort zurückgenommen und es begann ein Schreckensregiment, wie es nur
in Spanien möglich war. Mit unbegreiflicher Arglosigkeit hatten die Ge-
sandten der Ostmächte, die den Charakter dieses Bourbonen doch kennen
mußten, Alles aufgeboten um die königliche Gewalt ohne jede Bedingung

*) Bernstorff's Weisungen an Hatzfeldt, 27. Mai; 3., 16. Juni; König Friedrich
Wilhelm an K. Ferdinand v. Neapel, 10. Juni 1823.
**) Bernstorff's Weisungen an Hatzfeldt, 15. Juli, 9. Aug.; Bericht an den König,
20. Aug.; Antwort des Königs, 24. Aug. 1823.
23*

Ausgang der ſpaniſchen Revolution.
Sache „die ernſteſte Aufmerkſamkeit widmen“.*) Desgleichen wünſchte
Metternich, dem franzöſiſchen Feldherrn militäriſche Vertreter der großen
Mächte beizugeben und die politiſche Leitung des Krieges der Pariſer Ge-
ſandtenconferenz zu übertragen. Auch dieſem Vorſchlage widerſprach Bern-
ſtorff, weil Frankreich eine ſolche Bevormundung nicht ertragen könne und
die Mächte ſelber nicht einig ſeien. Auf die Bekämpfung Villele’s, der
in Metternich’s Augen zu gemäßigt war, wollte der preußiſche Miniſter
ſich ebenſo wenig einlaſſen; das heiße Frankreich beleidigen, erwiderte er.
Der König billigte Bernſtorff’s Verfahren ausdrücklich und legte ihm nur
ans Herz, ſich in Nebenfragen nachgiebig zu zeigen, weil „an dem Einver-
ſtändniß mit den Kaiſerhöfen in der jetzigen Zeit Alles gelegen ſei.“**)

Der ſpaniſche Feldzug verlief über alle Erwartung leicht; die be-
fürchteten Meutereien im franzöſiſchen Heere blieben aus, da das un-
unterbrochene Kriegsglück die Mannszucht befeſtigte. Schon im Mai zog
der Herzog von Angouleme in Madrid ein, jauchzend begrüßt von dem
wetterwendiſchen Pöbel. Nach der Erſtürmung des Trocadero vor Cadiz,
der einzigen ernſtlichen Waffenthat dieſes militäriſchen Spaziergangs, un-
terwarf ſich das ganze Land, im November fiel Alicante, die letzte Feſte
der Revolution, und mit der ganzen Bilderpracht ſeiner Rhetorik konnte
Chateaubriand in Paris verkünden: ſo habe die weiße Fahne der Bour-
bonen in ſieben Monaten erreicht was der napoleoniſchen Tricolore in ſieben
Jahren nicht gelungen ſei. Noch ſchimpflicher ſogar als in Neapel ging
die Revolution in Spanien zu Grunde. Die nach Cadiz geflüchteten Cortes
beſchloſſen, hier auf der heiligen Stätte ſpaniſchen Ruhmes, noch ihre
eigene Auflöſung, gaben dem Könige ſeine abſolute Gewalt zurück, und der
Urheber der Bewegung, Riego endete unter Henkershand mit dem reuigen
Geſtändniß ſeiner revolutionären Blutſchuld auf den Lippen.

Die wohlwollenden Abſichten des Herzogs von Angouleme wurden als-
bald zu Schanden an dem Radicalismus, der jedem Kriege, zumal dem Bür-
gerkriege natürlich iſt. Sofort nach dem Einzug der Franzoſen erhob ſich
die reaktionäre Partei in raſender Wuth. Schon die Regentſchaft, welche
der Herzog eingeſetzt, verübte Gräuel, denen er vergeblich zu ſteuern ſuchte;
und als nun gar Ferdinand ſelber wieder die Zügel in die Hand nahm,
da wurde die heilig verſprochene Amneſtie nach bourboniſchem Brauche
ſofort zurückgenommen und es begann ein Schreckensregiment, wie es nur
in Spanien möglich war. Mit unbegreiflicher Argloſigkeit hatten die Ge-
ſandten der Oſtmächte, die den Charakter dieſes Bourbonen doch kennen
mußten, Alles aufgeboten um die königliche Gewalt ohne jede Bedingung

*) Bernſtorff’s Weiſungen an Hatzfeldt, 27. Mai; 3., 16. Juni; König Friedrich
Wilhelm an K. Ferdinand v. Neapel, 10. Juni 1823.
**) Bernſtorff’s Weiſungen an Hatzfeldt, 15. Juli, 9. Aug.; Bericht an den König,
20. Aug.; Antwort des Königs, 24. Aug. 1823.
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[355/0371] Ausgang der ſpaniſchen Revolution. Sache „die ernſteſte Aufmerkſamkeit widmen“. *) Desgleichen wünſchte Metternich, dem franzöſiſchen Feldherrn militäriſche Vertreter der großen Mächte beizugeben und die politiſche Leitung des Krieges der Pariſer Ge- ſandtenconferenz zu übertragen. Auch dieſem Vorſchlage widerſprach Bern- ſtorff, weil Frankreich eine ſolche Bevormundung nicht ertragen könne und die Mächte ſelber nicht einig ſeien. Auf die Bekämpfung Villele’s, der in Metternich’s Augen zu gemäßigt war, wollte der preußiſche Miniſter ſich ebenſo wenig einlaſſen; das heiße Frankreich beleidigen, erwiderte er. Der König billigte Bernſtorff’s Verfahren ausdrücklich und legte ihm nur ans Herz, ſich in Nebenfragen nachgiebig zu zeigen, weil „an dem Einver- ſtändniß mit den Kaiſerhöfen in der jetzigen Zeit Alles gelegen ſei.“ **) Der ſpaniſche Feldzug verlief über alle Erwartung leicht; die be- fürchteten Meutereien im franzöſiſchen Heere blieben aus, da das un- unterbrochene Kriegsglück die Mannszucht befeſtigte. Schon im Mai zog der Herzog von Angouleme in Madrid ein, jauchzend begrüßt von dem wetterwendiſchen Pöbel. Nach der Erſtürmung des Trocadero vor Cadiz, der einzigen ernſtlichen Waffenthat dieſes militäriſchen Spaziergangs, un- terwarf ſich das ganze Land, im November fiel Alicante, die letzte Feſte der Revolution, und mit der ganzen Bilderpracht ſeiner Rhetorik konnte Chateaubriand in Paris verkünden: ſo habe die weiße Fahne der Bour- bonen in ſieben Monaten erreicht was der napoleoniſchen Tricolore in ſieben Jahren nicht gelungen ſei. Noch ſchimpflicher ſogar als in Neapel ging die Revolution in Spanien zu Grunde. Die nach Cadiz geflüchteten Cortes beſchloſſen, hier auf der heiligen Stätte ſpaniſchen Ruhmes, noch ihre eigene Auflöſung, gaben dem Könige ſeine abſolute Gewalt zurück, und der Urheber der Bewegung, Riego endete unter Henkershand mit dem reuigen Geſtändniß ſeiner revolutionären Blutſchuld auf den Lippen. Die wohlwollenden Abſichten des Herzogs von Angouleme wurden als- bald zu Schanden an dem Radicalismus, der jedem Kriege, zumal dem Bür- gerkriege natürlich iſt. Sofort nach dem Einzug der Franzoſen erhob ſich die reaktionäre Partei in raſender Wuth. Schon die Regentſchaft, welche der Herzog eingeſetzt, verübte Gräuel, denen er vergeblich zu ſteuern ſuchte; und als nun gar Ferdinand ſelber wieder die Zügel in die Hand nahm, da wurde die heilig verſprochene Amneſtie nach bourboniſchem Brauche ſofort zurückgenommen und es begann ein Schreckensregiment, wie es nur in Spanien möglich war. Mit unbegreiflicher Argloſigkeit hatten die Ge- ſandten der Oſtmächte, die den Charakter dieſes Bourbonen doch kennen mußten, Alles aufgeboten um die königliche Gewalt ohne jede Bedingung *) Bernſtorff’s Weiſungen an Hatzfeldt, 27. Mai; 3., 16. Juni; König Friedrich Wilhelm an K. Ferdinand v. Neapel, 10. Juni 1823. **) Bernſtorff’s Weiſungen an Hatzfeldt, 15. Juli, 9. Aug.; Bericht an den König, 20. Aug.; Antwort des Königs, 24. Aug. 1823. 23*

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/371>, abgerufen am 24.11.2024.