Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.Verhandlung über die Landstände. Collegen Langenau endlose Verhandlungen führen; aber obwohl der Königsich nach wie vor bereit erklärte, den früheren Wünschen Oesterreichs entspre- chend für die Befestigung von Ulm zu stimmen, so zeigte Metternich doch keine Neigung, durch solche Vorschläge die süddeutschen Nachbarn zu kränken. Die kleinen Staaten versuchten sogar, den heiligen Grundsatz der unbe- dingten Gleichheit aller Bundesglieder auch auf die Garnisonen der Bundesfestungen anzuwenden, obgleich Preußen auf Grund der euro- päischen Verträge berechtigt war, Luxemburg gemeinsam mit den Nieder- landen, Mainz gemeinsam mit Oesterreich zu besetzen. Mit Mühe und Noth erreichte Preußen endlich den Beschluß, daß diese Verträge aner- kannt, Mainz, Luxemburg und Landau vom Bunde übernommen werden sollten. Ueber die vierte Bundesfestung hingegen vermochte man sich wieder nicht zu einigen. Oberdeutschland blieb noch immer ohne mili- tärischen Schutz, und das Haus Rothschild wucherte mit den deutschen Festungsgeldern fröhlich weiter.*) Wie richtig hatte doch Kronprinz Ludwig von Baiern diese grundsätzlich auf falsche Ziele gerichtete Bundespolitik geschildert, als er in seinem wunderlichen Lapidarstile sagte: "Zäumt man nicht das Pferd verkehrt, wo Einheit sein soll, gegen außen, dawider ist man, im Innern aber, zur Unterdrückung der Freiheit, dafür wird sich eifrig bemühet!" Er wußte freilich nicht, daß sein geliebtes Baiern in den Fragen des Bundesheerwesens sich ganz ebenso störrisch zeigte wie die übrigen Königreiche des Rheinbundes, und Preußen allein die Vertheidigung des Vaterlands mit redlichem Ernst betrieb. -- Der dritte Theil der Schlußakte (Art. 53--65) begann sogleich mit *) Bernstorff's Berichte, 31. Jan., 12., 18. März, 30. April, 7., 15. Mai 1820. 2*
Verhandlung über die Landſtände. Collegen Langenau endloſe Verhandlungen führen; aber obwohl der Königſich nach wie vor bereit erklärte, den früheren Wünſchen Oeſterreichs entſpre- chend für die Befeſtigung von Ulm zu ſtimmen, ſo zeigte Metternich doch keine Neigung, durch ſolche Vorſchläge die ſüddeutſchen Nachbarn zu kränken. Die kleinen Staaten verſuchten ſogar, den heiligen Grundſatz der unbe- dingten Gleichheit aller Bundesglieder auch auf die Garniſonen der Bundesfeſtungen anzuwenden, obgleich Preußen auf Grund der euro- päiſchen Verträge berechtigt war, Luxemburg gemeinſam mit den Nieder- landen, Mainz gemeinſam mit Oeſterreich zu beſetzen. Mit Mühe und Noth erreichte Preußen endlich den Beſchluß, daß dieſe Verträge aner- kannt, Mainz, Luxemburg und Landau vom Bunde übernommen werden ſollten. Ueber die vierte Bundesfeſtung hingegen vermochte man ſich wieder nicht zu einigen. Oberdeutſchland blieb noch immer ohne mili- täriſchen Schutz, und das Haus Rothſchild wucherte mit den deutſchen Feſtungsgeldern fröhlich weiter.*) Wie richtig hatte doch Kronprinz Ludwig von Baiern dieſe grundſätzlich auf falſche Ziele gerichtete Bundespolitik geſchildert, als er in ſeinem wunderlichen Lapidarſtile ſagte: „Zäumt man nicht das Pferd verkehrt, wo Einheit ſein ſoll, gegen außen, dawider iſt man, im Innern aber, zur Unterdrückung der Freiheit, dafür wird ſich eifrig bemühet!“ Er wußte freilich nicht, daß ſein geliebtes Baiern in den Fragen des Bundesheerweſens ſich ganz ebenſo ſtörriſch zeigte wie die übrigen Königreiche des Rheinbundes, und Preußen allein die Vertheidigung des Vaterlands mit redlichem Ernſt betrieb. — Der dritte Theil der Schlußakte (Art. 53—65) begann ſogleich mit *) Bernſtorff’s Berichte, 31. Jan., 12., 18. März, 30. April, 7., 15. Mai 1820. 2*
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Verhandlung über die Landſtände.
Collegen Langenau endloſe Verhandlungen führen; aber obwohl der König
ſich nach wie vor bereit erklärte, den früheren Wünſchen Oeſterreichs entſpre-
chend für die Befeſtigung von Ulm zu ſtimmen, ſo zeigte Metternich doch
keine Neigung, durch ſolche Vorſchläge die ſüddeutſchen Nachbarn zu kränken.
Die kleinen Staaten verſuchten ſogar, den heiligen Grundſatz der unbe-
dingten Gleichheit aller Bundesglieder auch auf die Garniſonen der
Bundesfeſtungen anzuwenden, obgleich Preußen auf Grund der euro-
päiſchen Verträge berechtigt war, Luxemburg gemeinſam mit den Nieder-
landen, Mainz gemeinſam mit Oeſterreich zu beſetzen. Mit Mühe und
Noth erreichte Preußen endlich den Beſchluß, daß dieſe Verträge aner-
kannt, Mainz, Luxemburg und Landau vom Bunde übernommen werden
ſollten. Ueber die vierte Bundesfeſtung hingegen vermochte man ſich
wieder nicht zu einigen. Oberdeutſchland blieb noch immer ohne mili-
täriſchen Schutz, und das Haus Rothſchild wucherte mit den deutſchen
Feſtungsgeldern fröhlich weiter. *) Wie richtig hatte doch Kronprinz Ludwig
von Baiern dieſe grundſätzlich auf falſche Ziele gerichtete Bundespolitik
geſchildert, als er in ſeinem wunderlichen Lapidarſtile ſagte: „Zäumt
man nicht das Pferd verkehrt, wo Einheit ſein ſoll, gegen außen, dawider
iſt man, im Innern aber, zur Unterdrückung der Freiheit, dafür wird
ſich eifrig bemühet!“ Er wußte freilich nicht, daß ſein geliebtes Baiern
in den Fragen des Bundesheerweſens ſich ganz ebenſo ſtörriſch zeigte
wie die übrigen Königreiche des Rheinbundes, und Preußen allein die
Vertheidigung des Vaterlands mit redlichem Ernſt betrieb. —
Der dritte Theil der Schlußakte (Art. 53—65) begann ſogleich mit
dem Satze, daß „die Unabhängigkeit der Bundesglieder im Allgemeinen
jede Einwirkung des Bundes in die innere Staatseinrichtung ausſchließe“.
Nur über die Unterthanenrechte, welche bereits in der Bundesakte ver-
ſprochen waren, gab die Schlußakte einige „allgemeine Anordnungen“,
deren Anwendung aber ausdrücklich den Einzelſtaaten überlaſſen blieb.
Hier ſtand denn natürlich der verhängnißvolle Art. 13 der Bundesakte
obenan. Daß die Handhabung dieſes Artikels nur im ſtreng monarchi-
ſchen Sinne erfolgen dürfe, war allen Mitgliedern der Conferenz unzwei-
felhaft; außer Trott und Fritſch konnte Niemand unter ihnen liberaler
Neigungen verdächtigt werden. Die Verſammlung fühlte ſich in ihrer
hochconſervativen Geſinnung noch beſtärkt, als im Verlaufe des Winters
erſchreckende Nachrichten aus Süd- und Weſt-Europa einliefen. Im Ja-
nuar 1820 brach ein Aufſtand im ſpaniſchen Heere aus; im Februar
wurde der Thronerbe der Bourbonen, der Herzog von Berry ermordet;
das Gebäude der Legitimität krachte in allen Fugen, und wehmüthig
ſtimmte der Bundestag dem Grafen Reinhard zu, als dieſer ihm die
Pariſer Blutthat mit den Worten anzeigte: „ein Ereigniß ſolcher Art wird
*) Bernſtorff’s Berichte, 31. Jan., 12., 18. März, 30. April, 7., 15. Mai 1820.
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