unbequemen Mahner, er fürchtete schon ein Zerwürfniß mit seinem öster- reichischen Freunde. Der General ließ sich aber nicht beirren und trat so nachdrücklich auf, daß Metternich kleinlaut die bündigsten Zusagen gab: nur unglückliche Mißverständnisse sollten bisher die Zögerung verschuldet haben; er ging so weit, dem General zu betheuern: "jeder Oesterreicher hat ein preußisches Herz" -- was in Berlin sehr peinlich berührte, weil man die Absicht merkte.*) In der That hielt er auch diesmal nicht Wort. Erst als Nagler selbst im nächsten Winter nach Wien kam, wurde Oester- reichs Widerstreben gänzlich überwunden,**) und im April 1825, fast zehn Jahre nach Abschluß der europäischen Verträge, verlangten die beiden Groß- mächte endlich in vollem Ernst, daß der Bund nunmehr Mainz, Landau und Luxemburg als Bundesfestungen übernehmen müsse.
Noch einmal begann die partikularistische Schamlosigkeit ihr altes Ge- zänk. Obgleich die Mittelstaaten keineswegs wünschten, etwa selber an Preußens Stelle das Besatzungsrecht in den Bundesfestungen zu über- nehmen, so stellten sie sich doch an, als wäre diese Last, welche Preußen für ganz Deutschland trug, eine dem preußischen Staate gewährte Gunst; sie fanden es höchst unbillig, daß der Bund für Servis und andere Nebenkosten aufkommen sollte. Für Luxemburg wollte Württemberg gar nichts zahlen; denn nach der Rechtsansicht des Stuttgarter Hofes war Mainz allein eine wirkliche Bundesfestung, Luxemburg dagegen "nur in militärischer Hinsicht als Bundesfestung zu betrachten" und folglich Preußen allein verpflichtet, alle Lasten zu tragen. Auch der Hannoveraner Hammerstein zeigte sich so widerspänstig, daß der englische Gesandte ihn an seine vaterländischen Pflichten erinnern mußte; er fragte ihn, ob er denn nicht wisse, daß die Verstärkung der Rheingrenze im britischen Interesse liege? Am Lautesten lärmte der luxemburgische Gesandte: die Uebernahme sei verfrüht, der Festungsrayon noch nicht abgegrenzt, überdies müsse sein König für die niederländischen Truppen auf ihrem vaterländischen Boden den Vortritt vor den Preußen fordern.
Trotz alledem blieb Preußen fest, und Münch, der bisher durch seinen Langenau den vertragsbrüchigen Luxemburger zu allen seinen Winkelzügen ermuthigt hatte, mußte sich endlich entschließen, die Macht der Mehrheit zu gebrauchen, obgleich Baiern einen einstimmigen Beschluß verlangte. Am 28. Juli entschied sich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebernahme der drei Festungen. Nagler aber schrieb traurig: "die Angelegenheit hat bewiesen, daß aus der Bundesversammlung eine einhellige Vereinigung zu größeren Zwecken, sobald dabei ein Interesse eines einzelnen Bundes- staates berührt oder Geldleistungen von Allen gefordert werden, schwer, ja wohl nie hervorgehen werde."***) So urtheilte der Günstling Metter-
*) Meyern's Bericht, 25. Sept. 1824.
**) Nagler's Bericht, Wien 10. Febr. 1825.
***) Berichte von Blittersdorff, 25. Mai, von Nagler, 24. Juli, 3., 11. August, 24. Sept. 1825.
Uebernahme der Bundesfeſtungen.
unbequemen Mahner, er fürchtete ſchon ein Zerwürfniß mit ſeinem öſter- reichiſchen Freunde. Der General ließ ſich aber nicht beirren und trat ſo nachdrücklich auf, daß Metternich kleinlaut die bündigſten Zuſagen gab: nur unglückliche Mißverſtändniſſe ſollten bisher die Zögerung verſchuldet haben; er ging ſo weit, dem General zu betheuern: „jeder Oeſterreicher hat ein preußiſches Herz“ — was in Berlin ſehr peinlich berührte, weil man die Abſicht merkte.*) In der That hielt er auch diesmal nicht Wort. Erſt als Nagler ſelbſt im nächſten Winter nach Wien kam, wurde Oeſter- reichs Widerſtreben gänzlich überwunden,**) und im April 1825, faſt zehn Jahre nach Abſchluß der europäiſchen Verträge, verlangten die beiden Groß- mächte endlich in vollem Ernſt, daß der Bund nunmehr Mainz, Landau und Luxemburg als Bundesfeſtungen übernehmen müſſe.
Noch einmal begann die partikulariſtiſche Schamloſigkeit ihr altes Ge- zänk. Obgleich die Mittelſtaaten keineswegs wünſchten, etwa ſelber an Preußens Stelle das Beſatzungsrecht in den Bundesfeſtungen zu über- nehmen, ſo ſtellten ſie ſich doch an, als wäre dieſe Laſt, welche Preußen für ganz Deutſchland trug, eine dem preußiſchen Staate gewährte Gunſt; ſie fanden es höchſt unbillig, daß der Bund für Servis und andere Nebenkoſten aufkommen ſollte. Für Luxemburg wollte Württemberg gar nichts zahlen; denn nach der Rechtsanſicht des Stuttgarter Hofes war Mainz allein eine wirkliche Bundesfeſtung, Luxemburg dagegen „nur in militäriſcher Hinſicht als Bundesfeſtung zu betrachten“ und folglich Preußen allein verpflichtet, alle Laſten zu tragen. Auch der Hannoveraner Hammerſtein zeigte ſich ſo widerſpänſtig, daß der engliſche Geſandte ihn an ſeine vaterländiſchen Pflichten erinnern mußte; er fragte ihn, ob er denn nicht wiſſe, daß die Verſtärkung der Rheingrenze im britiſchen Intereſſe liege? Am Lauteſten lärmte der luxemburgiſche Geſandte: die Uebernahme ſei verfrüht, der Feſtungsrayon noch nicht abgegrenzt, überdies müſſe ſein König für die niederländiſchen Truppen auf ihrem vaterländiſchen Boden den Vortritt vor den Preußen fordern.
Trotz alledem blieb Preußen feſt, und Münch, der bisher durch ſeinen Langenau den vertragsbrüchigen Luxemburger zu allen ſeinen Winkelzügen ermuthigt hatte, mußte ſich endlich entſchließen, die Macht der Mehrheit zu gebrauchen, obgleich Baiern einen einſtimmigen Beſchluß verlangte. Am 28. Juli entſchied ſich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebernahme der drei Feſtungen. Nagler aber ſchrieb traurig: „die Angelegenheit hat bewieſen, daß aus der Bundesverſammlung eine einhellige Vereinigung zu größeren Zwecken, ſobald dabei ein Intereſſe eines einzelnen Bundes- ſtaates berührt oder Geldleiſtungen von Allen gefordert werden, ſchwer, ja wohl nie hervorgehen werde.“***) So urtheilte der Günſtling Metter-
*) Meyern’s Bericht, 25. Sept. 1824.
**) Nagler’s Bericht, Wien 10. Febr. 1825.
***) Berichte von Blittersdorff, 25. Mai, von Nagler, 24. Juli, 3., 11. Auguſt, 24. Sept. 1825.
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Uebernahme der Bundesfeſtungen.
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ſo nachdrücklich auf, daß Metternich kleinlaut die bündigſten Zuſagen gab:
nur unglückliche Mißverſtändniſſe ſollten bisher die Zögerung verſchuldet
haben; er ging ſo weit, dem General zu betheuern: „jeder Oeſterreicher
hat ein preußiſches Herz“ — was in Berlin ſehr peinlich berührte, weil
man die Abſicht merkte. *) In der That hielt er auch diesmal nicht Wort.
Erſt als Nagler ſelbſt im nächſten Winter nach Wien kam, wurde Oeſter-
reichs Widerſtreben gänzlich überwunden, **) und im April 1825, faſt zehn
Jahre nach Abſchluß der europäiſchen Verträge, verlangten die beiden Groß-
mächte endlich in vollem Ernſt, daß der Bund nunmehr Mainz, Landau
und Luxemburg als Bundesfeſtungen übernehmen müſſe.
Noch einmal begann die partikulariſtiſche Schamloſigkeit ihr altes Ge-
zänk. Obgleich die Mittelſtaaten keineswegs wünſchten, etwa ſelber an
Preußens Stelle das Beſatzungsrecht in den Bundesfeſtungen zu über-
nehmen, ſo ſtellten ſie ſich doch an, als wäre dieſe Laſt, welche Preußen für
ganz Deutſchland trug, eine dem preußiſchen Staate gewährte Gunſt; ſie
fanden es höchſt unbillig, daß der Bund für Servis und andere Nebenkoſten
aufkommen ſollte. Für Luxemburg wollte Württemberg gar nichts zahlen;
denn nach der Rechtsanſicht des Stuttgarter Hofes war Mainz allein eine
wirkliche Bundesfeſtung, Luxemburg dagegen „nur in militäriſcher Hinſicht
als Bundesfeſtung zu betrachten“ und folglich Preußen allein verpflichtet,
alle Laſten zu tragen. Auch der Hannoveraner Hammerſtein zeigte ſich
ſo widerſpänſtig, daß der engliſche Geſandte ihn an ſeine vaterländiſchen
Pflichten erinnern mußte; er fragte ihn, ob er denn nicht wiſſe, daß die
Verſtärkung der Rheingrenze im britiſchen Intereſſe liege? Am Lauteſten
lärmte der luxemburgiſche Geſandte: die Uebernahme ſei verfrüht, der
Feſtungsrayon noch nicht abgegrenzt, überdies müſſe ſein König für die
niederländiſchen Truppen auf ihrem vaterländiſchen Boden den Vortritt
vor den Preußen fordern.
Trotz alledem blieb Preußen feſt, und Münch, der bisher durch ſeinen
Langenau den vertragsbrüchigen Luxemburger zu allen ſeinen Winkelzügen
ermuthigt hatte, mußte ſich endlich entſchließen, die Macht der Mehrheit
zu gebrauchen, obgleich Baiern einen einſtimmigen Beſchluß verlangte. Am
28. Juli entſchied ſich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebernahme
der drei Feſtungen. Nagler aber ſchrieb traurig: „die Angelegenheit hat
bewieſen, daß aus der Bundesverſammlung eine einhellige Vereinigung
zu größeren Zwecken, ſobald dabei ein Intereſſe eines einzelnen Bundes-
ſtaates berührt oder Geldleiſtungen von Allen gefordert werden, ſchwer,
ja wohl nie hervorgehen werde.“ ***) So urtheilte der Günſtling Metter-
*) Meyern’s Bericht, 25. Sept. 1824.
**) Nagler’s Bericht, Wien 10. Febr. 1825.
***) Berichte von Blittersdorff, 25. Mai, von Nagler, 24. Juli, 3., 11. Auguſt,
24. Sept. 1825.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/347>, abgerufen am 22.11.2024.
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