Auch außerhalb des Bundestags entfaltete der Württemberger eine rastlose Betriebsamkeit. Die Frankfurter Conferenz der Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz tagte noch immer von Zeit zu Zeit unter seiner Leitung, und obwohl die Verhandlungen jetzt nur noch einen sehr unschuldigen Gegenstand, die Einrichtung einer kleinen Erzdiöcese betrafen, so hoffte Wangenheim doch zuversichtlich, aus diesen Conferenzen werde ein neues aufgeklärtes nationales Kirchenrecht, zunächst eine Generalsynode für ganz Deutschland hervorgehen. In überschwänglichen Reden feierte er die Erfolge dieser rein deutschen Höfe, die "das Episcopalsystem in seiner ganzen Fülle und Würde hergestellt" hätten. "So ist eine Leuchte aufgesteckt worden, rief er entzückt, welche sich durch die giftigen Dünste, die sich hie und da gespenstisch zu Schattenbildern aufthürmen, schwer- lich verdunkeln lassen wird."
In Wahrheit hatten die oberrheinischen Staaten außer der Feststel- lung ihrer neuen Diöcesangrenzen bisher noch gar nichts erreicht, nicht einmal eine bündige Vorschrift über die Bischofswahlen; und als sie jetzt versuchten ihren künftigen Landesbischöfen eine streng bureaukratische Kir- chenpragmatik napoleonischen Stils aufzuerlegen, da begegneten sie dem entschiedenen Widerspruche des Vaticans. Auch die Candidaten, welche sie der Curie, nach Vorschlägen ihrer Landesgeistlichkeit, für die erste Be- setzung der neuen Bischofssitze nannten, mißfielen dem Papste durchweg. Er antwortete durch eine Gegenliste von vierzehn Namen -- der junge Räß, der Herausgeber des Mainzer Katholiken war auch mit darunter -- aber diese vierzehn heiligen Nothhelfer, wie man sie in Karlsruhe nannte, schienen wieder den Cabinetten unerträglich. In Baden hatten alle Dekanate des Landes ihren Bisthumsverweser Wessenberg als den Würdigsten für das erzbischöfliche Amt bezeichnet, die Regierung aber fürchtete sich vor ihm und versuchte umsonst ihn zu freiwilligem Verzicht zu bewegen; Blittersdorff rieth sogar seinem Gönner Berstett, man möge den unbequemen Mann in Wien als einen Ultraliberalen verdächtigen, damit er nicht etwa in Rottenburg, wo er ebenfalls im Vorschlage war, zum Bischof ernannt würde.*) Die Einrichtung der neuen Kirchenprovinz gerieth einige Jahre lang ganz ins Stocken. Erst lange nach Wangen- heim's Sturz kamen die Dinge wieder in Fluß, als Berstett (1824), durch Metternich unterstützt, eine geheime Verhandlung in Rom begann. Da endlich, nach langen und peinlichen Unterhandlungen, erließ der Papst am 11. April die Bulle Ad dominici gregis custodiam, zur Ergänzung der Oberrheinischen Circumscriptionsbulle. Sie wurde von den Regie- rungen nur mit Vorbehalt veröffentlicht, weil sie über die Priesterseminare und die bischöfliche Gerichtsbarkeit einige ganz unannehmbare Vorschriften enthielt. Doch mindestens die Frage der Bischofswahlen kam jetzt zum
*) Blittersdorff an Berstett, 27. April 1822.
III. 5. Die Großmächte und die Trias.
Auch außerhalb des Bundestags entfaltete der Württemberger eine raſtloſe Betriebſamkeit. Die Frankfurter Conferenz der Staaten der oberrheiniſchen Kirchenprovinz tagte noch immer von Zeit zu Zeit unter ſeiner Leitung, und obwohl die Verhandlungen jetzt nur noch einen ſehr unſchuldigen Gegenſtand, die Einrichtung einer kleinen Erzdiöceſe betrafen, ſo hoffte Wangenheim doch zuverſichtlich, aus dieſen Conferenzen werde ein neues aufgeklärtes nationales Kirchenrecht, zunächſt eine Generalſynode für ganz Deutſchland hervorgehen. In überſchwänglichen Reden feierte er die Erfolge dieſer rein deutſchen Höfe, die „das Epiſcopalſyſtem in ſeiner ganzen Fülle und Würde hergeſtellt“ hätten. „So iſt eine Leuchte aufgeſteckt worden, rief er entzückt, welche ſich durch die giftigen Dünſte, die ſich hie und da geſpenſtiſch zu Schattenbildern aufthürmen, ſchwer- lich verdunkeln laſſen wird.“
In Wahrheit hatten die oberrheiniſchen Staaten außer der Feſtſtel- lung ihrer neuen Diöceſangrenzen bisher noch gar nichts erreicht, nicht einmal eine bündige Vorſchrift über die Biſchofswahlen; und als ſie jetzt verſuchten ihren künftigen Landesbiſchöfen eine ſtreng bureaukratiſche Kir- chenpragmatik napoleoniſchen Stils aufzuerlegen, da begegneten ſie dem entſchiedenen Widerſpruche des Vaticans. Auch die Candidaten, welche ſie der Curie, nach Vorſchlägen ihrer Landesgeiſtlichkeit, für die erſte Be- ſetzung der neuen Biſchofsſitze nannten, mißfielen dem Papſte durchweg. Er antwortete durch eine Gegenliſte von vierzehn Namen — der junge Räß, der Herausgeber des Mainzer Katholiken war auch mit darunter — aber dieſe vierzehn heiligen Nothhelfer, wie man ſie in Karlsruhe nannte, ſchienen wieder den Cabinetten unerträglich. In Baden hatten alle Dekanate des Landes ihren Bisthumsverweſer Weſſenberg als den Würdigſten für das erzbiſchöfliche Amt bezeichnet, die Regierung aber fürchtete ſich vor ihm und verſuchte umſonſt ihn zu freiwilligem Verzicht zu bewegen; Blittersdorff rieth ſogar ſeinem Gönner Berſtett, man möge den unbequemen Mann in Wien als einen Ultraliberalen verdächtigen, damit er nicht etwa in Rottenburg, wo er ebenfalls im Vorſchlage war, zum Biſchof ernannt würde.*) Die Einrichtung der neuen Kirchenprovinz gerieth einige Jahre lang ganz ins Stocken. Erſt lange nach Wangen- heim’s Sturz kamen die Dinge wieder in Fluß, als Berſtett (1824), durch Metternich unterſtützt, eine geheime Verhandlung in Rom begann. Da endlich, nach langen und peinlichen Unterhandlungen, erließ der Papſt am 11. April die Bulle Ad dominici gregis custodiam, zur Ergänzung der Oberrheiniſchen Circumſcriptionsbulle. Sie wurde von den Regie- rungen nur mit Vorbehalt veröffentlicht, weil ſie über die Prieſterſeminare und die biſchöfliche Gerichtsbarkeit einige ganz unannehmbare Vorſchriften enthielt. Doch mindeſtens die Frage der Biſchofswahlen kam jetzt zum
*) Blittersdorff an Berſtett, 27. April 1822.
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Auch außerhalb des Bundestags entfaltete der Württemberger eine
raſtloſe Betriebſamkeit. Die Frankfurter Conferenz der Staaten der
oberrheiniſchen Kirchenprovinz tagte noch immer von Zeit zu Zeit unter
ſeiner Leitung, und obwohl die Verhandlungen jetzt nur noch einen ſehr
unſchuldigen Gegenſtand, die Einrichtung einer kleinen Erzdiöceſe betrafen,
ſo hoffte Wangenheim doch zuverſichtlich, aus dieſen Conferenzen werde
ein neues aufgeklärtes nationales Kirchenrecht, zunächſt eine Generalſynode
für ganz Deutſchland hervorgehen. In überſchwänglichen Reden feierte
er die Erfolge dieſer rein deutſchen Höfe, die „das Epiſcopalſyſtem in
ſeiner ganzen Fülle und Würde hergeſtellt“ hätten. „So iſt eine Leuchte
aufgeſteckt worden, rief er entzückt, welche ſich durch die giftigen Dünſte,
die ſich hie und da geſpenſtiſch zu Schattenbildern aufthürmen, ſchwer-
lich verdunkeln laſſen wird.“
In Wahrheit hatten die oberrheiniſchen Staaten außer der Feſtſtel-
lung ihrer neuen Diöceſangrenzen bisher noch gar nichts erreicht, nicht
einmal eine bündige Vorſchrift über die Biſchofswahlen; und als ſie jetzt
verſuchten ihren künftigen Landesbiſchöfen eine ſtreng bureaukratiſche Kir-
chenpragmatik napoleoniſchen Stils aufzuerlegen, da begegneten ſie dem
entſchiedenen Widerſpruche des Vaticans. Auch die Candidaten, welche
ſie der Curie, nach Vorſchlägen ihrer Landesgeiſtlichkeit, für die erſte Be-
ſetzung der neuen Biſchofsſitze nannten, mißfielen dem Papſte durchweg.
Er antwortete durch eine Gegenliſte von vierzehn Namen — der junge
Räß, der Herausgeber des Mainzer Katholiken war auch mit darunter
— aber dieſe vierzehn heiligen Nothhelfer, wie man ſie in Karlsruhe
nannte, ſchienen wieder den Cabinetten unerträglich. In Baden hatten
alle Dekanate des Landes ihren Bisthumsverweſer Weſſenberg als den
Würdigſten für das erzbiſchöfliche Amt bezeichnet, die Regierung aber
fürchtete ſich vor ihm und verſuchte umſonſt ihn zu freiwilligem Verzicht
zu bewegen; Blittersdorff rieth ſogar ſeinem Gönner Berſtett, man möge
den unbequemen Mann in Wien als einen Ultraliberalen verdächtigen,
damit er nicht etwa in Rottenburg, wo er ebenfalls im Vorſchlage war,
zum Biſchof ernannt würde. *) Die Einrichtung der neuen Kirchenprovinz
gerieth einige Jahre lang ganz ins Stocken. Erſt lange nach Wangen-
heim’s Sturz kamen die Dinge wieder in Fluß, als Berſtett (1824), durch
Metternich unterſtützt, eine geheime Verhandlung in Rom begann. Da
endlich, nach langen und peinlichen Unterhandlungen, erließ der Papſt
am 11. April die Bulle Ad dominici gregis custodiam, zur Ergänzung
der Oberrheiniſchen Circumſcriptionsbulle. Sie wurde von den Regie-
rungen nur mit Vorbehalt veröffentlicht, weil ſie über die Prieſterſeminare
und die biſchöfliche Gerichtsbarkeit einige ganz unannehmbare Vorſchriften
enthielt. Doch mindeſtens die Frage der Biſchofswahlen kam jetzt zum
*) Blittersdorff an Berſtett, 27. April 1822.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/316>, abgerufen am 25.11.2024.
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