alten Zeit, da der Edelmann noch Alles war, und empfahl den Fürsten sich mit Rathgebern aus dem hohen Adel zu umgeben: "ich will zurück zu jenen glücklichen Tagen meiner Jugend, wo die Ordnung, die Manns- zucht, die Religion und die Sittlichkeit noch in allen Klassen der Gesell- schaft anerkannte Tugenden waren." Als Gesandter in Brüssel schloß er gute Freundschaft mit dem verhaßten Minister van Maanen und mahnte, völlig eigenmächtig, den niederländischen Hof, daß man die Ehrfurcht vor "der schlechten Verfassung" nur ja nicht zu weit treiben möge.
Und dieser greise Heißsporn der reaktionären Partei bekleidete fortan fünf Jahre lang den damals wichtigsten Posten der preußischen Diplomatie. In seinem Oesterreich fand er Alles bewunderungswerth; hier kann man ruhig schlafen, schrieb er seelenvergnügt, inmitten eines guten Volkes, ge- schützt durch ein treues Heer und eine ausgezeichnete Polizei. Nur gegen die überlegene Cultur der Lombarden und Venetianer erging er sich, wie Met- ternich, gern in Ausdrücken hoffärtiger Verachtung. Wie jubelte er auf, als Kaiser Franz die fußfälligen Bitten der Gräfin Teresa Confalonieri für ihren gefangenen Gatten hartherzig abwies; die erste aus jener lan- gen Reihe hochsinniger Frauen, welche das einige Italien heute als die Heldinnen der nationalen Freiheit ehrt, war in Hatzfeldt's Augen nur das Weib eines Verbrechers. Auch das k. k. Beamtenthum schien ihm zum Theil schon gangrene; denn auch dies schöne Bild von dem liberalen Krebsscha- den sowie die vier anderen Metaphern seines Meisters Metternich eignete sich der Adept sogleich gelehrig an. Seine geschwätzigen, in brutalen, kaum lesbaren Schriftzügen hingeworfenen Berichte stechen auffällig ab von der maßvollen, streng sachlichen Darstellung, welche sonst in den Arbeiten der preußischen Diplomatie üblich war; sie fließen über von Schmähungen wider die liberalen "Taugenichtse", und auf jeder dritten Seite kehrt die Drohung wieder: il faut terrasser pour toujours le monstre revolutionnaire.*) Als er dann in der Sonne der kaiserlichen Gunst warm wurde, da verlor er allmählich jedes Gefühl preußischen Stolzes; er pflegte seine Dienstpapiere mit unziemlicher Vertraulichkeit dem österreichischen Staatskanzler zu zeigen, er schlug gegen sein eigenes Cabinet oft einen Ton an, als wäre er ein österreichischer Agent am preußischen Hofe, und fühlte sich nur noch als Sicherheitswächter für den gesammten Welttheil. Denn in allen groben menschlichen Verirrungen liegt ein weltbürgerlicher Zug; wie die Welt des Lasters und des Verbrechens leider zu allen Zeiten eine internationale Macht war, so verliert auch der politische Fanatismus, sobald er eine letzte Grenze überschreitet, den Boden des Vaterlandes unter seinen Füßen. Zum Glück reichte der Einfluß des Fürsten in Berlin nicht sehr weit. Bernstorff ließ sich nur selten einmal, in schwachen Augenblicken, durch die österreichischen Gespenstergeschichten einschüchtern, und je weiter er sich
*) Hatzfeldt's Berichte, 30. Dec. 1822; 25. Jan., 6. Febr. 1826 u. s. w.
Fürſt Hatzfeldt.
alten Zeit, da der Edelmann noch Alles war, und empfahl den Fürſten ſich mit Rathgebern aus dem hohen Adel zu umgeben: „ich will zurück zu jenen glücklichen Tagen meiner Jugend, wo die Ordnung, die Manns- zucht, die Religion und die Sittlichkeit noch in allen Klaſſen der Geſell- ſchaft anerkannte Tugenden waren.“ Als Geſandter in Brüſſel ſchloß er gute Freundſchaft mit dem verhaßten Miniſter van Maanen und mahnte, völlig eigenmächtig, den niederländiſchen Hof, daß man die Ehrfurcht vor „der ſchlechten Verfaſſung“ nur ja nicht zu weit treiben möge.
Und dieſer greiſe Heißſporn der reaktionären Partei bekleidete fortan fünf Jahre lang den damals wichtigſten Poſten der preußiſchen Diplomatie. In ſeinem Oeſterreich fand er Alles bewunderungswerth; hier kann man ruhig ſchlafen, ſchrieb er ſeelenvergnügt, inmitten eines guten Volkes, ge- ſchützt durch ein treues Heer und eine ausgezeichnete Polizei. Nur gegen die überlegene Cultur der Lombarden und Venetianer erging er ſich, wie Met- ternich, gern in Ausdrücken hoffärtiger Verachtung. Wie jubelte er auf, als Kaiſer Franz die fußfälligen Bitten der Gräfin Tereſa Confalonieri für ihren gefangenen Gatten hartherzig abwies; die erſte aus jener lan- gen Reihe hochſinniger Frauen, welche das einige Italien heute als die Heldinnen der nationalen Freiheit ehrt, war in Hatzfeldt’s Augen nur das Weib eines Verbrechers. Auch das k. k. Beamtenthum ſchien ihm zum Theil ſchon gangréné; denn auch dies ſchöne Bild von dem liberalen Krebsſcha- den ſowie die vier anderen Metaphern ſeines Meiſters Metternich eignete ſich der Adept ſogleich gelehrig an. Seine geſchwätzigen, in brutalen, kaum lesbaren Schriftzügen hingeworfenen Berichte ſtechen auffällig ab von der maßvollen, ſtreng ſachlichen Darſtellung, welche ſonſt in den Arbeiten der preußiſchen Diplomatie üblich war; ſie fließen über von Schmähungen wider die liberalen „Taugenichtſe“, und auf jeder dritten Seite kehrt die Drohung wieder: il faut terrasser pour toujours le monstre révolutionnaire.*) Als er dann in der Sonne der kaiſerlichen Gunſt warm wurde, da verlor er allmählich jedes Gefühl preußiſchen Stolzes; er pflegte ſeine Dienſtpapiere mit unziemlicher Vertraulichkeit dem öſterreichiſchen Staatskanzler zu zeigen, er ſchlug gegen ſein eigenes Cabinet oft einen Ton an, als wäre er ein öſterreichiſcher Agent am preußiſchen Hofe, und fühlte ſich nur noch als Sicherheitswächter für den geſammten Welttheil. Denn in allen groben menſchlichen Verirrungen liegt ein weltbürgerlicher Zug; wie die Welt des Laſters und des Verbrechens leider zu allen Zeiten eine internationale Macht war, ſo verliert auch der politiſche Fanatismus, ſobald er eine letzte Grenze überſchreitet, den Boden des Vaterlandes unter ſeinen Füßen. Zum Glück reichte der Einfluß des Fürſten in Berlin nicht ſehr weit. Bernſtorff ließ ſich nur ſelten einmal, in ſchwachen Augenblicken, durch die öſterreichiſchen Geſpenſtergeſchichten einſchüchtern, und je weiter er ſich
*) Hatzfeldt’s Berichte, 30. Dec. 1822; 25. Jan., 6. Febr. 1826 u. ſ. w.
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[261/0277]
Fürſt Hatzfeldt.
alten Zeit, da der Edelmann noch Alles war, und empfahl den Fürſten
ſich mit Rathgebern aus dem hohen Adel zu umgeben: „ich will zurück
zu jenen glücklichen Tagen meiner Jugend, wo die Ordnung, die Manns-
zucht, die Religion und die Sittlichkeit noch in allen Klaſſen der Geſell-
ſchaft anerkannte Tugenden waren.“ Als Geſandter in Brüſſel ſchloß er
gute Freundſchaft mit dem verhaßten Miniſter van Maanen und mahnte,
völlig eigenmächtig, den niederländiſchen Hof, daß man die Ehrfurcht vor
„der ſchlechten Verfaſſung“ nur ja nicht zu weit treiben möge.
Und dieſer greiſe Heißſporn der reaktionären Partei bekleidete fortan
fünf Jahre lang den damals wichtigſten Poſten der preußiſchen Diplomatie.
In ſeinem Oeſterreich fand er Alles bewunderungswerth; hier kann man
ruhig ſchlafen, ſchrieb er ſeelenvergnügt, inmitten eines guten Volkes, ge-
ſchützt durch ein treues Heer und eine ausgezeichnete Polizei. Nur gegen die
überlegene Cultur der Lombarden und Venetianer erging er ſich, wie Met-
ternich, gern in Ausdrücken hoffärtiger Verachtung. Wie jubelte er auf,
als Kaiſer Franz die fußfälligen Bitten der Gräfin Tereſa Confalonieri
für ihren gefangenen Gatten hartherzig abwies; die erſte aus jener lan-
gen Reihe hochſinniger Frauen, welche das einige Italien heute als die
Heldinnen der nationalen Freiheit ehrt, war in Hatzfeldt’s Augen nur das
Weib eines Verbrechers. Auch das k. k. Beamtenthum ſchien ihm zum Theil
ſchon gangréné; denn auch dies ſchöne Bild von dem liberalen Krebsſcha-
den ſowie die vier anderen Metaphern ſeines Meiſters Metternich eignete
ſich der Adept ſogleich gelehrig an. Seine geſchwätzigen, in brutalen, kaum
lesbaren Schriftzügen hingeworfenen Berichte ſtechen auffällig ab von der
maßvollen, ſtreng ſachlichen Darſtellung, welche ſonſt in den Arbeiten der
preußiſchen Diplomatie üblich war; ſie fließen über von Schmähungen wider
die liberalen „Taugenichtſe“, und auf jeder dritten Seite kehrt die Drohung
wieder: il faut terrasser pour toujours le monstre révolutionnaire. *)
Als er dann in der Sonne der kaiſerlichen Gunſt warm wurde, da verlor
er allmählich jedes Gefühl preußiſchen Stolzes; er pflegte ſeine Dienſtpapiere
mit unziemlicher Vertraulichkeit dem öſterreichiſchen Staatskanzler zu zeigen,
er ſchlug gegen ſein eigenes Cabinet oft einen Ton an, als wäre er ein
öſterreichiſcher Agent am preußiſchen Hofe, und fühlte ſich nur noch als
Sicherheitswächter für den geſammten Welttheil. Denn in allen groben
menſchlichen Verirrungen liegt ein weltbürgerlicher Zug; wie die Welt des
Laſters und des Verbrechens leider zu allen Zeiten eine internationale
Macht war, ſo verliert auch der politiſche Fanatismus, ſobald er eine
letzte Grenze überſchreitet, den Boden des Vaterlandes unter ſeinen Füßen.
Zum Glück reichte der Einfluß des Fürſten in Berlin nicht ſehr weit.
Bernſtorff ließ ſich nur ſelten einmal, in ſchwachen Augenblicken, durch
die öſterreichiſchen Geſpenſtergeſchichten einſchüchtern, und je weiter er ſich
*) Hatzfeldt’s Berichte, 30. Dec. 1822; 25. Jan., 6. Febr. 1826 u. ſ. w.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/277>, abgerufen am 22.11.2024.
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