eigene Zeitschrift, den Apologeten des Katholicismus, zur Abfertigung aller Ketzerei.
Auf dem Boden der Wissenschaft konnte die römische Kirche dem deut- schen Protestantismus freilich nie gefährlich werden, weil sie die voraus- setzungslose Forschung nicht zu ertragen vermochte. Um so wirksamer be- währte sie ihre alte Kunst der Menschenbeherrschung in einer emsigen socialen und politischen Thätigkeit. Aus vielen Anzeichen ließ sich bereits die unterirdische Arbeit des wiederhergestellten Jesuitenordens erkennen, und die Zukunft versprach ihm noch reichere Erfolge; denn schon war das Collegium Germanicum von Neuem eröffnet, und die deutschen Jesuiten- zöglinge, die gamberi cotti, wandelten wieder, wie einst vor den Tagen Ganganelli's, in ihren rothen Talaren sittsam zu drei und drei durch die Straßen der ewigen Stadt. In Oesterreich wurden bereits einzelne Jesuiten unter dem harmlosen Namen der Redemtoristen zugelassen. Kaiser Franz, der seine Kirchenhoheit mit mißtrauischer Härte, fast so streng wie sein Oheim Joseph II. handhabte, zeigte sich neuerdings seit seiner römischen Reise etwas nachsichtiger gegen die clericalen Bestrebungen; da- mals hatte ihm der Papst eine Denkschrift voll beweglicher Klagen über den verwahrlosten Zustand der österreichischen Kirche überreicht.
Die Milden und Versöhnlichen unter dem deutschen Clerus bemerkten noch kaum, was dies Wiedererwachen der streitbaren Mächte der Gegen- reformation für den confessionellen Frieden unseres paritätischen Volkes bedeutete. Wohl erhoben Salat in Landshut und einige andere bairische Geistliche ihre warnende Stimme gegen die Jesuiten; ihre Streitschriften wurden wenig beachtet, weil sie in Form und Inhalt noch den Geist des alten Illuminatenthums, das sich bereits überlebt hatte, verriethen. Selbst der von den Clericalen so oft verleumdete Sailer, dem der Papst eben jetzt die Bestätigung für den Augsburger Bischofsstuhl verweigerte, sah in der Wiederherstellung der Gesellschaft Jesu nur die Sühne alten Unrechts; auch viele andere keineswegs ultramontan gesinnte Priester fühlten sich durch die Gräuel der Revolution noch tief erschüttert und hießen die Jesuiten als Bundesgenossen wider den Unglauben willkommen. Es war ein Zeichen der Zeit, daß der gute alte Lorenz Westenrieder, der treufleißige, um die Geschichte Baierns wohlverdiente Sammler, der in seinen jungen Jahren durch freisinnige Grundsätze zuweilen das Mißfallen der geistlichen Oberen erregt hatte, jetzt in seinem Historischen Kalender als Lobredner des Jesuitismus auftrat. Gegen die Nationalkrankheit der Revolution, so führte er aus, hilft nur eine große Nationalanstalt; unsterblicher Ruhm gebührt also unserem heiligen Vater, weil er durch die Herstellung des Jesuitenordens das sicherste Mittel gefunden hat "der Religion und den Sitten wieder aufzuhelfen, die Sicherheit der Fürsten zu befestigen und die Völker zu beruhigen."
Mit bewunderungswürdiger Gewandtheit bemächtigte sich die cleri-
Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 14
Die Tübinger Schule. Möhler. Weſtenrieder.
eigene Zeitſchrift, den Apologeten des Katholicismus, zur Abfertigung aller Ketzerei.
Auf dem Boden der Wiſſenſchaft konnte die römiſche Kirche dem deut- ſchen Proteſtantismus freilich nie gefährlich werden, weil ſie die voraus- ſetzungsloſe Forſchung nicht zu ertragen vermochte. Um ſo wirkſamer be- währte ſie ihre alte Kunſt der Menſchenbeherrſchung in einer emſigen ſocialen und politiſchen Thätigkeit. Aus vielen Anzeichen ließ ſich bereits die unterirdiſche Arbeit des wiederhergeſtellten Jeſuitenordens erkennen, und die Zukunft verſprach ihm noch reichere Erfolge; denn ſchon war das Collegium Germanicum von Neuem eröffnet, und die deutſchen Jeſuiten- zöglinge, die gamberi cotti, wandelten wieder, wie einſt vor den Tagen Ganganelli’s, in ihren rothen Talaren ſittſam zu drei und drei durch die Straßen der ewigen Stadt. In Oeſterreich wurden bereits einzelne Jeſuiten unter dem harmloſen Namen der Redemtoriſten zugelaſſen. Kaiſer Franz, der ſeine Kirchenhoheit mit mißtrauiſcher Härte, faſt ſo ſtreng wie ſein Oheim Joſeph II. handhabte, zeigte ſich neuerdings ſeit ſeiner römiſchen Reiſe etwas nachſichtiger gegen die clericalen Beſtrebungen; da- mals hatte ihm der Papſt eine Denkſchrift voll beweglicher Klagen über den verwahrloſten Zuſtand der öſterreichiſchen Kirche überreicht.
Die Milden und Verſöhnlichen unter dem deutſchen Clerus bemerkten noch kaum, was dies Wiedererwachen der ſtreitbaren Mächte der Gegen- reformation für den confeſſionellen Frieden unſeres paritätiſchen Volkes bedeutete. Wohl erhoben Salat in Landshut und einige andere bairiſche Geiſtliche ihre warnende Stimme gegen die Jeſuiten; ihre Streitſchriften wurden wenig beachtet, weil ſie in Form und Inhalt noch den Geiſt des alten Illuminatenthums, das ſich bereits überlebt hatte, verriethen. Selbſt der von den Clericalen ſo oft verleumdete Sailer, dem der Papſt eben jetzt die Beſtätigung für den Augsburger Biſchofsſtuhl verweigerte, ſah in der Wiederherſtellung der Geſellſchaft Jeſu nur die Sühne alten Unrechts; auch viele andere keineswegs ultramontan geſinnte Prieſter fühlten ſich durch die Gräuel der Revolution noch tief erſchüttert und hießen die Jeſuiten als Bundesgenoſſen wider den Unglauben willkommen. Es war ein Zeichen der Zeit, daß der gute alte Lorenz Weſtenrieder, der treufleißige, um die Geſchichte Baierns wohlverdiente Sammler, der in ſeinen jungen Jahren durch freiſinnige Grundſätze zuweilen das Mißfallen der geiſtlichen Oberen erregt hatte, jetzt in ſeinem Hiſtoriſchen Kalender als Lobredner des Jeſuitismus auftrat. Gegen die Nationalkrankheit der Revolution, ſo führte er aus, hilft nur eine große Nationalanſtalt; unſterblicher Ruhm gebührt alſo unſerem heiligen Vater, weil er durch die Herſtellung des Jeſuitenordens das ſicherſte Mittel gefunden hat „der Religion und den Sitten wieder aufzuhelfen, die Sicherheit der Fürſten zu befeſtigen und die Völker zu beruhigen.“
Mit bewunderungswürdiger Gewandtheit bemächtigte ſich die cleri-
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 14
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Die Tübinger Schule. Möhler. Weſtenrieder.
eigene Zeitſchrift, den Apologeten des Katholicismus, zur Abfertigung aller
Ketzerei.
Auf dem Boden der Wiſſenſchaft konnte die römiſche Kirche dem deut-
ſchen Proteſtantismus freilich nie gefährlich werden, weil ſie die voraus-
ſetzungsloſe Forſchung nicht zu ertragen vermochte. Um ſo wirkſamer be-
währte ſie ihre alte Kunſt der Menſchenbeherrſchung in einer emſigen
ſocialen und politiſchen Thätigkeit. Aus vielen Anzeichen ließ ſich bereits
die unterirdiſche Arbeit des wiederhergeſtellten Jeſuitenordens erkennen,
und die Zukunft verſprach ihm noch reichere Erfolge; denn ſchon war das
Collegium Germanicum von Neuem eröffnet, und die deutſchen Jeſuiten-
zöglinge, die gamberi cotti, wandelten wieder, wie einſt vor den Tagen
Ganganelli’s, in ihren rothen Talaren ſittſam zu drei und drei durch
die Straßen der ewigen Stadt. In Oeſterreich wurden bereits einzelne
Jeſuiten unter dem harmloſen Namen der Redemtoriſten zugelaſſen. Kaiſer
Franz, der ſeine Kirchenhoheit mit mißtrauiſcher Härte, faſt ſo ſtreng
wie ſein Oheim Joſeph II. handhabte, zeigte ſich neuerdings ſeit ſeiner
römiſchen Reiſe etwas nachſichtiger gegen die clericalen Beſtrebungen; da-
mals hatte ihm der Papſt eine Denkſchrift voll beweglicher Klagen über den
verwahrloſten Zuſtand der öſterreichiſchen Kirche überreicht.
Die Milden und Verſöhnlichen unter dem deutſchen Clerus bemerkten
noch kaum, was dies Wiedererwachen der ſtreitbaren Mächte der Gegen-
reformation für den confeſſionellen Frieden unſeres paritätiſchen Volkes
bedeutete. Wohl erhoben Salat in Landshut und einige andere bairiſche
Geiſtliche ihre warnende Stimme gegen die Jeſuiten; ihre Streitſchriften
wurden wenig beachtet, weil ſie in Form und Inhalt noch den Geiſt des
alten Illuminatenthums, das ſich bereits überlebt hatte, verriethen. Selbſt
der von den Clericalen ſo oft verleumdete Sailer, dem der Papſt eben jetzt
die Beſtätigung für den Augsburger Biſchofsſtuhl verweigerte, ſah in der
Wiederherſtellung der Geſellſchaft Jeſu nur die Sühne alten Unrechts; auch
viele andere keineswegs ultramontan geſinnte Prieſter fühlten ſich durch
die Gräuel der Revolution noch tief erſchüttert und hießen die Jeſuiten
als Bundesgenoſſen wider den Unglauben willkommen. Es war ein Zeichen
der Zeit, daß der gute alte Lorenz Weſtenrieder, der treufleißige, um die
Geſchichte Baierns wohlverdiente Sammler, der in ſeinen jungen Jahren
durch freiſinnige Grundſätze zuweilen das Mißfallen der geiſtlichen Oberen
erregt hatte, jetzt in ſeinem Hiſtoriſchen Kalender als Lobredner des
Jeſuitismus auftrat. Gegen die Nationalkrankheit der Revolution, ſo
führte er aus, hilft nur eine große Nationalanſtalt; unſterblicher Ruhm
gebührt alſo unſerem heiligen Vater, weil er durch die Herſtellung des
Jeſuitenordens das ſicherſte Mittel gefunden hat „der Religion und den
Sitten wieder aufzuhelfen, die Sicherheit der Fürſten zu befeſtigen und
die Völker zu beruhigen.“
Mit bewunderungswürdiger Gewandtheit bemächtigte ſich die cleri-
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 14
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/225>, abgerufen am 22.11.2024.
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