III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
kaum 53,000 Franken gezahlt, Preußen zahlte für das ungefähr ebenso große Gebiet der neuen Diöcesen Köln und Trier sechsmal mehr, fast 92,000 Thlr., eine Summe, die bald noch beträchtlich erhöht wurde.
Ueber dies Alles war Niebuhr bereits mit Consalvi einig geworden. Er hatte sich musterhaft gehalten, weit vorsichtiger als nach seinen ver- trauensvollen Aeußerungen über die Curie zu erwarten stand, und wohl mochte sich der Reizbare gekränkt fühlen, als nun plötzlich Hardenberg selbst in Rom erschien um hinter der bereits eingeheimsten Ernte noch das Scheunenthor zu schließen. Eine einzige Conferenz des Staatskanzlers mit dem Cardinal brachte Alles ins Reine.*) Am 25. März 1821 wurde die Uebereinkunft unterzeichnet. Hardenberg aber nahm -- nach dem Rechte, das im Beamtenthum wie im Parlament dem leitenden Staats- manne zukommt -- allen Dank und alle Ehren unbefangen für sich in Anspruch. Durch die Bulle De salute animarum (16. Juli) bestimmte der Papst sodann die neue Eintheilung der preußischen Diöcesen und sprach nochmals aus, wie dankbar er den freundlichen Willen des Königs aner- kenne, der seinen Wünschen so wunderbar (mirifice) entgegengekommen sei. Die Circumscriptionsbulle veröffentlichte der König kraft seiner Majestäts- rechte, diesen und der evangelischen Kirche unbeschadet. Darauf wurde noch das verabredete Breve über die Bischofswahlen erlassen und durch die Regierung den Domkapiteln als bindende Vorschrift mitgetheilt. Die Staatszeitung aber erklärte amtlich: ein Concordat, eine Verabredung über das Verhältniß der geistlichen Oberen zu den weltlichen Behörden sei absichtlich vermieden worden; "der König konnte den Vollgehalt seiner Hoheitsrechte, denen theuere von Gott ihm auferlegte Pflichten gegen sein Volk zur Seite stehen, nicht von fremder Anerkennung abhängig machen, nicht den freien Gebrauch derselben durch beengende Verträge einschränken wollen." Also behielt die Krone alle die Befugnisse der Kirchenhoheit, die ihr nach dem Preußischen Landrecht und nach Napoleon's Organischen Arti- keln zustanden, fest in der Hand. Die Staatsbehörden allein vermittelten den amtlichen Verkehr zwischen dem römischen Stuhle und den Bischöfen, sie hatten die Censur der kirchlichen Schriften, die Aufsicht über alle Unter- richtsanstalten wie über die Prüfung der Candidaten. Ohne ihre Er- laubniß wurde kein geistlicher Orden zugelassen, und bisher bestanden in den westlichen Provinzen, außer einigen Orden für Krankenpflege und weiblichen Unterricht, nur zwei oder drei ganz unbedeutende Mannsklöster; ein Mönch war in den Straßen der rheinischen Städte eine so unerhörte Erscheinung, daß der Bonner Schirrmeister einst bei seinem Postdirektor ganz erschrocken anfragte, ob er einen Franciscaner, der sich eine Fahr- karte gelöst, im königlichen Eilwagen mitnehmen dürfe. Mit Rechten der Kirchenhoheit war die preußische Regierung bis zum Uebermaße ausge-
*) Hardenberg's Tagebuch, 23. März 1821.
III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
kaum 53,000 Franken gezahlt, Preußen zahlte für das ungefähr ebenſo große Gebiet der neuen Diöceſen Köln und Trier ſechsmal mehr, faſt 92,000 Thlr., eine Summe, die bald noch beträchtlich erhöht wurde.
Ueber dies Alles war Niebuhr bereits mit Conſalvi einig geworden. Er hatte ſich muſterhaft gehalten, weit vorſichtiger als nach ſeinen ver- trauensvollen Aeußerungen über die Curie zu erwarten ſtand, und wohl mochte ſich der Reizbare gekränkt fühlen, als nun plötzlich Hardenberg ſelbſt in Rom erſchien um hinter der bereits eingeheimſten Ernte noch das Scheunenthor zu ſchließen. Eine einzige Conferenz des Staatskanzlers mit dem Cardinal brachte Alles ins Reine.*) Am 25. März 1821 wurde die Uebereinkunft unterzeichnet. Hardenberg aber nahm — nach dem Rechte, das im Beamtenthum wie im Parlament dem leitenden Staats- manne zukommt — allen Dank und alle Ehren unbefangen für ſich in Anſpruch. Durch die Bulle De salute animarum (16. Juli) beſtimmte der Papſt ſodann die neue Eintheilung der preußiſchen Diöceſen und ſprach nochmals aus, wie dankbar er den freundlichen Willen des Königs aner- kenne, der ſeinen Wünſchen ſo wunderbar (mirifice) entgegengekommen ſei. Die Circumſcriptionsbulle veröffentlichte der König kraft ſeiner Majeſtäts- rechte, dieſen und der evangeliſchen Kirche unbeſchadet. Darauf wurde noch das verabredete Breve über die Biſchofswahlen erlaſſen und durch die Regierung den Domkapiteln als bindende Vorſchrift mitgetheilt. Die Staatszeitung aber erklärte amtlich: ein Concordat, eine Verabredung über das Verhältniß der geiſtlichen Oberen zu den weltlichen Behörden ſei abſichtlich vermieden worden; „der König konnte den Vollgehalt ſeiner Hoheitsrechte, denen theuere von Gott ihm auferlegte Pflichten gegen ſein Volk zur Seite ſtehen, nicht von fremder Anerkennung abhängig machen, nicht den freien Gebrauch derſelben durch beengende Verträge einſchränken wollen.“ Alſo behielt die Krone alle die Befugniſſe der Kirchenhoheit, die ihr nach dem Preußiſchen Landrecht und nach Napoleon’s Organiſchen Arti- keln zuſtanden, feſt in der Hand. Die Staatsbehörden allein vermittelten den amtlichen Verkehr zwiſchen dem römiſchen Stuhle und den Biſchöfen, ſie hatten die Cenſur der kirchlichen Schriften, die Aufſicht über alle Unter- richtsanſtalten wie über die Prüfung der Candidaten. Ohne ihre Er- laubniß wurde kein geiſtlicher Orden zugelaſſen, und bisher beſtanden in den weſtlichen Provinzen, außer einigen Orden für Krankenpflege und weiblichen Unterricht, nur zwei oder drei ganz unbedeutende Mannsklöſter; ein Mönch war in den Straßen der rheiniſchen Städte eine ſo unerhörte Erſcheinung, daß der Bonner Schirrmeiſter einſt bei ſeinem Poſtdirektor ganz erſchrocken anfragte, ob er einen Franciscaner, der ſich eine Fahr- karte gelöſt, im königlichen Eilwagen mitnehmen dürfe. Mit Rechten der Kirchenhoheit war die preußiſche Regierung bis zum Uebermaße ausge-
*) Hardenberg’s Tagebuch, 23. März 1821.
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[206/0222]
III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
kaum 53,000 Franken gezahlt, Preußen zahlte für das ungefähr ebenſo
große Gebiet der neuen Diöceſen Köln und Trier ſechsmal mehr, faſt
92,000 Thlr., eine Summe, die bald noch beträchtlich erhöht wurde.
Ueber dies Alles war Niebuhr bereits mit Conſalvi einig geworden.
Er hatte ſich muſterhaft gehalten, weit vorſichtiger als nach ſeinen ver-
trauensvollen Aeußerungen über die Curie zu erwarten ſtand, und wohl
mochte ſich der Reizbare gekränkt fühlen, als nun plötzlich Hardenberg
ſelbſt in Rom erſchien um hinter der bereits eingeheimſten Ernte noch
das Scheunenthor zu ſchließen. Eine einzige Conferenz des Staatskanzlers
mit dem Cardinal brachte Alles ins Reine. *) Am 25. März 1821 wurde
die Uebereinkunft unterzeichnet. Hardenberg aber nahm — nach dem
Rechte, das im Beamtenthum wie im Parlament dem leitenden Staats-
manne zukommt — allen Dank und alle Ehren unbefangen für ſich in
Anſpruch. Durch die Bulle De salute animarum (16. Juli) beſtimmte der
Papſt ſodann die neue Eintheilung der preußiſchen Diöceſen und ſprach
nochmals aus, wie dankbar er den freundlichen Willen des Königs aner-
kenne, der ſeinen Wünſchen ſo wunderbar (mirifice) entgegengekommen ſei.
Die Circumſcriptionsbulle veröffentlichte der König kraft ſeiner Majeſtäts-
rechte, dieſen und der evangeliſchen Kirche unbeſchadet. Darauf wurde
noch das verabredete Breve über die Biſchofswahlen erlaſſen und durch
die Regierung den Domkapiteln als bindende Vorſchrift mitgetheilt. Die
Staatszeitung aber erklärte amtlich: ein Concordat, eine Verabredung
über das Verhältniß der geiſtlichen Oberen zu den weltlichen Behörden
ſei abſichtlich vermieden worden; „der König konnte den Vollgehalt ſeiner
Hoheitsrechte, denen theuere von Gott ihm auferlegte Pflichten gegen ſein
Volk zur Seite ſtehen, nicht von fremder Anerkennung abhängig machen,
nicht den freien Gebrauch derſelben durch beengende Verträge einſchränken
wollen.“ Alſo behielt die Krone alle die Befugniſſe der Kirchenhoheit, die
ihr nach dem Preußiſchen Landrecht und nach Napoleon’s Organiſchen Arti-
keln zuſtanden, feſt in der Hand. Die Staatsbehörden allein vermittelten
den amtlichen Verkehr zwiſchen dem römiſchen Stuhle und den Biſchöfen,
ſie hatten die Cenſur der kirchlichen Schriften, die Aufſicht über alle Unter-
richtsanſtalten wie über die Prüfung der Candidaten. Ohne ihre Er-
laubniß wurde kein geiſtlicher Orden zugelaſſen, und bisher beſtanden in
den weſtlichen Provinzen, außer einigen Orden für Krankenpflege und
weiblichen Unterricht, nur zwei oder drei ganz unbedeutende Mannsklöſter;
ein Mönch war in den Straßen der rheiniſchen Städte eine ſo unerhörte
Erſcheinung, daß der Bonner Schirrmeiſter einſt bei ſeinem Poſtdirektor
ganz erſchrocken anfragte, ob er einen Franciscaner, der ſich eine Fahr-
karte gelöſt, im königlichen Eilwagen mitnehmen dürfe. Mit Rechten der
Kirchenhoheit war die preußiſche Regierung bis zum Uebermaße ausge-
*) Hardenberg’s Tagebuch, 23. März 1821.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/222>, abgerufen am 25.11.2024.
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